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Kommentar Urteil zur Mall of BerlinSklaverei im Herzen Berlins

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Keine Gerechtigkeit für die um ihren Lohn geprellten Bauarbeiter: Das Recht ist auf Seiten der Privilegierten, moralisch versagt hat der Investor.

Ort der Ausbeutung Foto: dpa

M an wird sich diesen Fall merken müssen und auf ihn verweisen, wenn das nächste Mal jemand behauptet, dass es keine Sklaverei mehr gibt, nicht hierzulande, nicht im Herzen der deutschen Hauptstadt. Doch, wird man dann sagen müssen und auf die Bauarbeiter des Shoppingtempels Mall of Berlin verweisen. Vor allem rumänische Arbeiter haben auf der Baustelle des Milliardenprojektes geschuftet, und viele wurden, wie das so ist bei Sklaverei, nie dafür bezahlt.

Mit ihrer Klage auf Zahlung der vorenthaltenen Löhne sind zwei der etwa 30 Betroffenen am Mittwoch vor dem Bundesarbeitsgericht endgültig gescheitert. Fünf Jahre haben sie sich durch die Instanzen geklagt, um sich nun höchstrichterlich eine Abfuhr einzuholen. Das Recht, das lernen wir daraus, ist nicht aufseiten der Ausgebeuteten, das Recht privilegiert die Profiteure des kapitalistischen Systems. Marxisten nennen das Klassenjustiz.

Ovidiu Mindrila und Niculae Hurmuz gehören nicht zu den Profiteuren. Sie hatten gegen den Bauherren der Mall geklagt, nachdem die Subunternehmen, von denen sie angeheuert wurden, und der Generalunternehmer, der diese einsetzte, pleitegegangen oder verschwunden waren. Es ist ein logisches Prinzip: Wenn bei den direkt Verantwortlichen nichts mehr zu holen ist, geht man eine Stufe weiter. Wenn auch da nichts geht, muss der oberste Chef haften: die HGHI Leipziger Platz GmbH und Co. KG des Investors Harald Huth.

Doch statt Gerechtigkeit bekamen die Bauarbeiter juristische Feinheiten zu hören. Das zur Anwendung kommende Arbeitnehmer-Entsendegesetz formuliert zwar, dass ein „Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt“, für die entstehenden Verpflichtungen haftet, aber die Kette der Verantwortlichkeit endet für das Gericht beim Generalunternehmer. Dieser könne noch einschätzen, ob beauftragte Subfirmen seriös sind; der fachfremde oberste Investor aber nicht. Wenn das rechtlich so ist, ist das Gesetz umzuformulieren.

Lieber einen Anwalt als Löhne bezahlt

Moralisch dagegen gibt es keinen Zweifel. Eine Milliarde Euro hat die – man sollte sich diesen Namen merken: Mall of Shame – gekostet, die etwa 50.000 Euro für alle geprellten Arbeiter waren nicht drin. Die hätte der Investor Huth aus dem – Sie ahnen es – Hut zaubern können. Stattdessen bezahlte er lieber einen Anwalt, um die Ansprüche der beiden Klagenden abzuwehren. Ja, das ist eine Schande. Für den Investor, aber auch für dieses Land, das von Billigarbeitern die Drecksarbeit machen lässt und sie dann ihrer Rechte beraubt.

Dass es überhaupt zu dieser Klage kam, ist der Basisgewerkschaft FAU zu verdanken, die sich mit dem System nicht abfinden wollte und die beiden Arbeiter ermutigt hat. Die meisten ehemaligen Bauarbeiter sind dagegen längst resigniert weitergezogen. Gerechtigkeit gibt es für sie nicht, und tun kann man wohl auch nichts mehr. Außer gut überlegen, wo man künftig einkauft.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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15 Kommentare

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  • Was soll dieser Whataboutism?



    Ich habe weder vom "armen Bauherren" noch von Leistungsbeziehern als "Parasiten" gesprochen. Es passt auch nicht zum Thema.



    Es geht darum, dass der Bauherr, eben gerade weil er nicht die nötige Sachkenntnis zur Koordination des Bauprojektes hat, einen Generalunternehmer mit der Bauausführung und -überwachung beauftragt.



    Dieser hat Verträge mit Subunternehmern geschlossen und haftet auch nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz.



    Der Bauherr hat weder die Kompetenz, noch die rechtliche Möglichkeit (zumindest bei öffentlichen Ausschreibungen), in die Vertragsgestaltung zwischen GU und Subunternehmern einzuwirken.



    Wie kann er für etwas haftbar gemacht werden, was er nicht beeinflussen kann?



    Es geht nicht um nicht wollen sondern um die Abschlussfreiheit des GU.



    Die Spieltheorie passt hier auch nicht, da es nicht um "bauen oder nicht bauen" geht sondern um Haftung der Beteiligten.

  • 0G
    07301 (Profil gelöscht)

    Der Kommentar ist nichts anderes als eine Hetze gegen jemand, der sich nichts zu schulden kommen lassen hat.

    Der Bauherr hat eine Generalunternehmer beauftragt. Dieser wiederum hat einen Subunternehmer beuaftragt, der die Arbeiter um ihren Lohn geprellt hat.

    Wieso soll denn jetzt der Bauherr dafür gerade stehen?

    Ich kontrolliere auch nicht, ob der Müllarbeiter bezahlt wird oder nicht, wenn ich die Müllabfuhr beauftrage. Wenn ich einen Leihwagen nehme, kontrolliere ich auch nicht, ob deren Angestellte bezahlt werden. Wenn ich in ein Theater gehe, kontrolliere ich auch nicht, ob die Schauspieler bezahlt werden.

    Für welches schuldrechtliche Verhältnis soll man denn nach Meinung des Kommentators alles haften? Wenn man den Kommentar liest, meint man, dass man auch für fremde Schulden haften soll, was jeglicher Logik entbehrt.

    Im übrigen ist ein Sklave etwas anderes, was der Kommentator eigentlich wissen sollte.

    • @07301 (Profil gelöscht):

      An sich gebe ich Ihnen ja in vielen Punkten recht aber alles was einem nicht passt als Hetzte zu bezeichnen ist Verharmlosung von Hetze.



      Hetze wäre den Investor entrechten, knechten, vernichten oder berauben zu wollen, ihm Scroogeartigen Geiz zu unterstellen ist keine Hetze.



      Hetze soll ja aufhetzen, ich lese nicht mal zwischen den Zeilen etwas das mich zu mehr aufstachelt als zur Feststellung, dass er sich durchschnittlich für seine Profession verhält, und Geiz ist offenbar bei denen geil, die bei ihm anlegen, sonst hätte er aus PR-Gründen 'Gnade vor Recht' ergehen lassen.



      Hetze ist Stürmer, schwarzer Kanal oder Breitbard

      • 0G
        07301 (Profil gelöscht)
        @Euromeyer:

        Gehetzt wird in dem suggeriert wird, dass der Investor ein Sklavenhalter ist.

  • Nein, wenn Arbeiter ihren Lohn nicht erhalten ist das noch lange keine "Sklaverei", wie der Autor hier moniert.



    Diese maßlose Übertreibung ist auch kein "journalistisches Stilmittel" sondern verhöhnt die, die heute noch tatsächlich unfreie Sklaven sind wie in Haiti, Afghanistan, Mauretanien, Brasilien und anderen Ländern.

    Die Arbeiter wurden von ihren Arbeitgebern, den Subunternehmern, um ihren Lohn geprellt. Der Generalunternehmer hat ein gewisse Verantwortung bei der Auswahl der Subunternehmer.



    Der Bauherr jedoch nicht. Warum soll der Bauherr für etwas haften, was außerhalb seines Einflussbereiches liegt?

    • @Saccharomyces cerevisiae:

      Soso. Der Bauherr nicht. Gewinn aber kein Risiko?

      Davon haben wir mittlerweile viel zu viel. Dem Bauherren steht es frei, sich die saubere Einhaltung der Spielregeln durch seine Auftragnehmer zusichern zu lassen und sich ggf. gegen deren Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Vielmehr, es sollte seine *Pflicht* sein.

      Schliesslich profitiert er ja davon, durch niedrigere Preise.

      Das Gesetzt hat ein Loch.

      Und danke, Herr Peter, für den Hinweis auf die FAU.

      • @tomás zerolo:

        Ich kenne das int. Baugewerbe und ein cracksüchtiger Kleinzuhälter ist vertrauenswürdiger. Auch verhält sich der Investor einem bolschewistischen Propagandafilmdrehbuch gemäß.



        Abgesehen von seinem höllschmorwürdigen Geiz hat er allerdings recht. Als Bauleiter kann und muss ich prüfen, ob alle Bauarbeiter die notwendigen Papiere haben. Ob sie bezahlt werden kann ich nicht, oder nur bei länger Anwesenden prüfen. Als Aussenstehender nicht mal das.



        Für etwas Unkontrollierbares kann ich nicht gerade stehen, sonst müsste ich auch den Klempner oder das Taxi nachbezahlen, falls die Arbeiter abgezockt wurden.



        Was Sinn machen würde wäre eine verpflichtende, vom Subunternehmer nachzuweisende Versicherung.

      • 0G
        07301 (Profil gelöscht)
        @tomás zerolo:

        Der Gewinn entsteht nicht ohne Risiko.

        Kontrollieren sie, wenn sie einen Handwerker beauftragen, ob dieser seinen Angestellten das Gehalt zahlt? Machen sie dies, wenn sie eine Reise buchen? Machen sie dies, wenn sie tanken, Brötchen kaufen, ins Theater gehen etc....

        Wann machen sie dies denn eigentlich? Es ist immer leicht, jemand anderen zu etwas verpflichten zu wollen, ohne dass man sich selbst daran hält.

        • @07301 (Profil gelöscht):

          Sie stellen da EndverbraucherIn mit Bauunternehmen gleich. Das ist schon mal ein wenig schief.

          Und ja, sogar als EndverbraucherIn trage ich auch ein Risiko. Wenn ich ein geklautes Fahrrad beim Hehler kaufe, dann ist es auch weg, wenn sich die Besitzerin meldet.

          Ein Unternehmer sollte, kraft seiner Möglichkeiten, da strengeren Regeln unterliegen: er muss ja nicht persönlich kontrollieren -- aber eine Versicherung kann von ihm schon verlangt werden: die Versicherungsgesellschaft wird dann schon sagen "...mit diesem Subunternehmen wird's aber teuer...". Will er sich nicht versichern, dann muss er halt selber zahlen.

          Wer freie Marktwirtschaft fordert sollte sich nicht darum drücken, wenn's heiss wird.

          • 0G
            07301 (Profil gelöscht)
            @tomás zerolo:

            Ihre Ausführungen sind nicht zutreffend.

            zu ihrem Hehler: Bitte verwechseln Sie nicht Schuldrecht mit dingl. Rechten. Selbstverständlich haben Sie als Käufer dann einen Anspruch gegen den Verkäufer.

            Ein Unterscheidung zwischen Unternehmer und Privatperson bei Werkverträgen kann ich in diesem Fall nicht erkennen.

          • @tomás zerolo:

            Ihre Ausführungen sind nicht zutreffend:



            Warum sollte groß zwischen Verbraucher und Unternehmen unterschieden werden, Besteller ist nun mal Besteller im Werkvertragsrecht.



            Das Geschwurble von einer "Versicherung" und den, rechtlich bedenklichen "Ratschlägen" der "Versicherungsgesellschaft (sic!) hilft da auch nicht weiter. Wo bleibt eigentlich die Entrüstung über die Subunternehmer, die die wirklich Schuldigen sind? Die Generalunternehmer BSS und FCL meldeten beide Insolvenz an, von den betrügerischen Subunternehmern wird nicht gesprochen. Das alles hat aber mit "freier Marktwirtschaft" nichts zu tun.

            • @Saccharomyces cerevisiae:

              "Warum sollte groß zwischen Verbraucher und Unternehmen unterschieden werden"

              Nun, das BGB (§13, $14) macht den Unterschied. Daran halten wir uns lieber...

              Keine Frage, dass die Subunternehmer dran sind. Dass aber der GU raus ist halte ich für eine Gesetzeslücke.

              • @tomás zerolo:

                Nein, das sind lediglich die Definitionen von Unternehmer und Verbraucher in denen von Ihnen zitierten Paragraphen. Im 2. Buch BGB wird nicht prinzipiell zwischen Unternehmer und Verbraucher unterschieden.



                Falls Ihnen das immer noch nicht aufgefallen ist:



                Der Generalunternehmer (GU) haftet bereits für die Subunternehmer, nur leider sind beide GU (BSS und FCL) des Baues der "Mall of Berlin" bereits in Insolvenz. Es ging um die (verneinte) Haftung des Bauherren.

                • @Saccharomyces cerevisiae:

                  Das ist mir alles nicht entgangen -- ich halte diese Konstrukte lediglich für einen Trick, sich um die Unternehmerpflichten zu drücken (dass die Gesetzgebung dabei mithilft ändert nichts an der Schädlichkeit).

                  Und wenn Sie mit "dem armen Bauherren" daherkommen und ihn mit einem Kleinverbraucher vergleichen, dann... sorry: verspüre ich schon so etwas wie Würgereiz.

                  Einfach nur eine weiter Variante des dreckigen CC-PP-Spiels [1]. Das sind vermutlich dieselben Nasen, die HartzIV-EmpfängerInnen gerne als Parasiten beschimpfen.

                  Nicht lustig.

                  [1] en.wikipedia.org/w...atize_Profits_Game

                  • 0G
                    07301 (Profil gelöscht)
                    @tomás zerolo:

                    Es ist interessant, dass Sie der Meinung sind, dass manche Menschen andere Rechte und Pflichten haben sollten als andere.

                    Nach welchen Kriterien sprechen Sie denn jemand besondere Pflichten und den anderen das Recht zu, diese nicht zu haben?