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Kredit ohne Nachfrage

Der Koalitionsvertrag schweigt zur Finanzierung der Jacobs-Uni. Nun gibt’s trotzdem wieder Geld, die genaue Bestimmung bleibt unklar. Die neue Bürgerschaft wurde nicht gefragt

Als private Hochschule stellt die Jacobs University eigene Regeln und Riten auf. Öffentliches Geld nimmt man aber gern Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Mahé Crüsemann

Bremen übernimmt nun doch eine weitere Bürgschaft für die private Jacobs University (JUB) über fünf Millionen Euro. In der Koalition sorgt diese erneute Haftung der Stadt für Irritation. Wie Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses der Bremer Bürgerschaft gegenüber der taz bestätigten, wurde den Parlamentariern die Entscheidung im nicht öffentlichen Teil des Finanzausschusses lediglich zur Kenntnisnahme vorgelegt. Bereits im Sommer, vor Bildung des Senats, war der JUB scheinbar ein Kredit über 12,5 Millionen Euro von der Bremer Aufbaubank gewährt worden – die Bank kann diese Entscheidung selbständig fällen. Für Teile dieses Kredits haftet nun aber aufgrund eines alten Senatsbeschlusses die Stadt.

Nelson Janßen (Die Linke) ist irritiert: „Die Entscheidung über diese Bürgschaft wurde anscheinend getroffen, während wir noch in Koalitionsverhandlungen waren“, so der Fraktionsvorsitzende. In Ordnung findet er das nicht. „So geht man nicht miteinander um“, sagt er. „Ich fürchte aber, die Entscheidung ist schon gefallen.“

Laut Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler und Professor an der Universität Bremen, könne man die öffentlichen Hilfen für die JUB rechtfertigen, wenn die Gewinne der Privathochschule höher ausfielen als die verursachten Kosten, vor allem auf lange Sicht. „Allerdings gibt es für diese Aussage, die behauptet wird, bisher keine empirisch fundierten Beweise. Ich schlage vor, diese Faktenlücke zu schließen und bei positivem Ergebnis zu entscheiden“, so Hickel.

Die JUB möchte wachsen. Dafür soll das Geld aus dem aufgenommenen Kredit eingesetzt werden. Das Wachstumsstreben der privaten Hochschule werde von der SPD begrüßt, so Arno Gottschalk (SPD). „Ein Großteil des Geldes fließt auch in neue Wohnungen für Studierende und das finde ich zunächst sehr unterstützenswert“, sagt Gottschalk. Laut Jacobs University wird das Geld aus dem Kredit jedoch für „Betriebsmittel“ eingesetzt, um ihren Wachstumskurs weiter zu verfolgen. Bei sogenannten „Betriebsmitteln“ handelt es sich laut Definition aber um materielle Güter, die zur Produktion oder Erfüllung von Aufgaben in einem Arbeitssystem erforderlich sind. Ob Studierendenwohnungen darunter fallen, bleibt fraglich. Genauere Angaben dazu, um was es sich bei diesen „Betriebsmitteln“ handelt, will die JUB nicht machen.

Die Privathochschule wird seit 2007 durch die Schweizer Jacobs-Stiftung gefördert. Sie bekommt durch ihre Hauptgesellschafterin fortlaufend Millionenbeträge. Die JUB wurde außerdem regelmäßig von der Stadt Bremen finanziell unterstützt.

Der alte Koalitionsvertrag sah vor, dass die JUB ab 2018 ohne Geld der Stadt auskommen müsse

Der alte Koalitionsvertrag von 2015 sah allerdings vor, dass die JUB ab 2018 ohne Finanzmittel der Stadt auskommen müsse. Im Sommer 2018 dann hatte die Bürgerschaft der Hochschule doch eine Finanzspritze von rund 45 Millionen Euro bereitgestellt und so einen bestehenden Kredit der privaten Uni getilgt. Die Bremer Linke hielt die Tilgung des damaligen Kredits durch die Stadt für rechtswidrig, sie verstoße gegen EU-Recht.

Im neuen rot-grün-roten Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2019–2023 wird die Jacobs University an keiner Stelle erwähnt. Kam im rot-grünen Vertrag von 2015 noch an acht Stellen die JUB oder Jacobs University vor, so findet sich keiner der Begriffe im neuen rot-grün-roten Vertrag. Stattdessen strebt die neue Koalition darin an, den Wissenschaftsplan 2025 umzusetzen. Dieser Plan sieht „[…] eine stärkere Kooperation im Bereich von Lehre und Forschung zwischen der Jacobs University Bremen und den staatlichen Hochschulen, vor allem der Universität Bremen“ vor. Von einer finanziellen Unterstützung durch die Stadt ist auch hier keine Rede. Die Pressestelle der neuerdings zuständigen Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Claudia Schilling (SPD), erklärte, dass die JUB ein wichtiger Teil der Wissenschaftslandschaft in Bremen sei. Die Unterstützung der Wissenschaftslandschaft sei Ziel der alten und neuen Regierung.

Rudolf Hickel fordert Klarheit über die Finanzierung der privaten Bildungseinrichtung. „Die Privatuniversität ist öffentlich und regionalwirtschaftlich für das Bremer Image derart relevant, dass sie öffentlich teilfinanziert werden muss“, sagt der Wirtschaftsexperte. „Dann müssen aber auch Regeln nach dem Hochschulgesetz eingehalten und damit demokratische Strukturen aufgebaut werden: Akademischer Senat sowie Fachbereiche auf der Basis von Wahlen.“ Die derzeitige unklare Faktenlage aber, so Hickel, belaste das Image des Bremer Senats nach innen und außen.

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