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Klimaschutz und HaushaltsdebatteNicht auf der Höhe der Zeit

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die Richtung stimmt bei der Debatte zum Klimaschutz im Bundestag. Nur gehen die Bemühungen der Bundesregierung nicht weit genug.

Die Koalitionsspitze bei der Generaldebatte im Bundestag Foto: dpa

I mmerhin stimmt die Richtung. Der Schutz des Klimas war eines der beherrschenden Themen in der Generaldebatte des Bundestags. Die Regierung, auch der größere Teil der Opposition, hat den Schuss gehört. Und es kommt Kreativität in die Sache. Besonders die Union findet Gefallen an der Idee, mit einer öffentlichen Klima-Anleihe Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern einzusammeln, um damit Öko-Investitionen zu finanzieren.

Diesen Gedanken sollte man nicht zu schnell verwerfen. Schließlich ist die Energiewende umstrittener, je mehr sie sich bemerkbar macht. Windräder werden kaum noch gebaut, weil viele Leute dagegen klagen. Da erscheint es nicht falsch, die Skeptiker der Klimapolitik mit den Zinsen der Anleihe freundlich zu stimmen. Wo gibt es noch zwei Prozent für eine sichere Geldanlage?

Die Idee, am Bundeshaushalt vorbei das Kapital der Bürger anzuzapfen, zeigt aber auch, dass die Regierung in einer Ideologie gefangen ist. Das Konzept der Schwarzen Null – auf keinen Fall neue Schulden! – hat seit 2014 dazu beigetragen, die Staatsfinanzen zu sanieren. Dieser Job ist nun erledigt. Die gesamtstaatliche Schuldenquote soll 2019 unter das europäische Maastricht-Kriterium von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Nun müssten sich die Regierungsfraktionen auf die riesigen Möglichkeiten besinnen, die ihnen mit dem Bundeshaushalt eigentlich zur Verfügung stehen. Erstens, weil eine Rezession droht. Zweitens, weil in den vergangenen zehn Jahren viele öffentliche Aufgaben unerledigt blieben.

Auch im Koalitionsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 stehen zu wenige Investitionen. Nicht nur der Klimaschutz ist unterfinanziert. Auch für die Verkehrs-, Bildungs- und Digitalinfrastruktur gibt es zu wenige Mittel. Die Kommunen steckten 2018 so wenig Geld in Straßen, Schulen und Krankenhäuser, dass deren Wert abnahm.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat zwar recht: Sein Entwurf enthält einen höheren Investitionsanteil als alle Bundesetats seit 2002. Trotzdem reicht es nicht. Die Lücken sind zu groß. Der Bundeshaushalt für 2020 ist noch nicht auf der Höhe der Zeit.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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3 Kommentare

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  • Ach wie gut, dass nicht nur Dobrindt von einem "Wirtschaftswunder" durch Klimaschutz überzeugt ist. Es ist sehr erfreulich, dass all die wunderbaren Investitionen ohne Energieverbrauch, ohne CO2 Emissionen aus dem Gegenwartsenergiemix, und - bezogen auf die Digitalisierung und die E-Mobilität - auch überhaupt keinen zusätzlichen Energiebedarf erzeugen. Schließlich würden keine und weniger Investitionen, kein und weniger Verbrauch von Energie und Ressourcen diesem "Wirtschaftswunder" im Wege stehen. Und besondere Intelligenz weisen die Menschen auf, die zwischen unserer verschwenderischen Lebensweise und dem Klimawandel keinen Zusammenhang sehen.

    Die müssen alle total bescheuert sein, die in wie vielen Studien bewiesen haben, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Die müssen doch bescheuert sein, weil es kann doch überhaupt keinen Zusammenhang geben, zwischen Wirtschaftswachstum und Klimawandel. Darf es auch gar nicht! Diese Klimawissenschaftler verbreiten nur "Fake news"!



    Gut, dass man - zur Bestätigung dieser Meinung und Überzeugung - nicht mehr nur faz, focus, cicero... und die Ahnungslose für Deutschland Propaganda lesen muss, sondern auch die taz nehmen kann!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    "Immerhin stimmt die Richtung."

    Wenn man bereits dafür schon gefeiert wird: grandios. Dann haben wir alle großes Glück gehabt, dass nicht neue AKWs und Kohlekraftwerke als ultima ratio des Klimaschutzes herhalten müssen.

    Um nicht nur ungerecht zu sein: Das Beste kommt zum Schluss. Das gilt auch für den Kommentar für Hannes Koch. Der Hinweis auf die verheerende Entwicklung bei Ausgaben für Infrastrukturmassnahmen.

    Ich bin kein Zahlenmensch. Aber mein logisches Denken sagt mir: Aufschlussreich dürfte hier ein Vergleich mit dem Ausgabenverhalten der anderen Industrienationen sein.

    Off topic: kommt noch etwas in Sachen Sozialpolitik, taz? Oder ist dieses Thema hier schon zu Grabe getragen?

  • Wie steht die taz dazu, dass fast ausschließlich die Proletarier für die Kostenmaßnahmen geschröpft werden?



    Sollte man nicht dem Kapital auf die Pelle rücken über Bankenübernahme?

    Schuldenerhöhung bringt nichts, wenn diese zu Geldraub an den Proletariern führt.