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Der Reiz der SprachePunkt Punkt Komma Sternchen?

Ob Deppenapo­stroph oder Gendersternchen – die deutsche Sprache ist immer für einen Aufreger gut. Über die Hassliebe zur Interpunktion.

Unser Autor fand seine Deutschlehrerin doof – die Liebe zur Sprache entdeckte er trotzdem Foto: dpa

Wie jeder Mensch, der liest und schreibt, bin ich überzeugt davon, zu wenig zu lesen und zu ­schreiben. Vielleicht hat es deswegen so lange gedauert, bis ich bereit war, mich konstruktiv und freudvoll mit einem scheinbaren Nebenthema der Profession wie der Interpunktion auseinanderzusetzen. Ganz sicher aber liegt es an Frau Deutschmüller.

Wir hatten zwei Frau Müllers an unserer Schule, die Biomüller unterrichtete Biologie und eines schlimmen Jahres wurde uns dann noch die Deutschmüller zugeteilt. Ich weiß nicht, warum sie das unterrichtete, es lag jedenfalls nicht an ihrer Liebe zur Sprache oder Literatur.

Im langen Schuljahr der Deutschmüller beschäftigten wir uns tatsächlich damit, irgendwelchen Schultexten die richtigen K-Nummern zuzuordnen. Wer das nicht versteht: Die K-Nummern sind ein Abschnitt im Duden, der die richtige Setzung von Kommas regelt. Dort finden sich so schöne Definitionen wie: „Das Komma trennt Adjektive und Partizipien ab, die einem Substantiv oder einem Pronomen nachgestellt sind.“ Ich weiß, dass ich das verstehen müsste oder es mir mit ein wenig Konzentration erschließen könnte, aber es gelingt mir gewissermaßen körperlich nicht, das zu tun.

Deutschstunde für Deutschstunde saßen wir bei der Deutschmüller und schrieben K-Nummern neben hochkonstruierte Sätze mit möglichst vielen Kommas. Es war das einzige Schuljahr, in dem ich keine gute Note in diesem Fach bekam. Ich hasste Kommas auch deswegen sehr, weil sie damals noch Kommata im Plural hießen und man den gleichen Leuten eine Freude mit der Benutzung des falschen Plurals machte, die heute Rechtschreibkommentare zu falsch gesetzten Apostrophen abgeben.

Emotionale Interpunktion

Im Schatten des lichtbestrahlten Wichtigen findet sich oft das Interessante. So kann man eifrig und ereifernd über Politiker:nnen diskutieren und doch oft mehr erfahren bei einer prüfenden Betrachtung der Verwaltungen. So manche kontroverse Idee, überraschend viele Personalien wurden durch diese Strukturen verändert oder boykottiert, deren eigentliche Aufgabe doch allein in der Umsetzung bestehen sollte.

Um die Menschen dazu anzuhalten, sparsam (!) mit dem Ausrufzeichen umzugehen, wird es auch kritisch als Lärmstange bezeichnet

Und so gern man sich den Worten und ihrer Bedeutung auch widmet, so überraschend viel können wir doch durch eine Beschäftigung mit der Interpunktion lernen. Und Interpunktion ist auch nicht langweilig und vermag bis heute Emotionen zu erzeugen und das nicht nur mit den von mir sehr verschmähten Emoticons, die es vermutlich sogar in den Kanon der Interpunktion schaffen werden: Was in den 1990er Jahren das „Deppenapo­stroph“ war, ist vielleicht heute das Gender-Sternchen.

Die Apostrophe sollten den Kund:nnen von Imbissbuden ein weltläufiges Gefühl beim Verzehren des imbisstypischen Industriefraßes geben. Während man also niedersächsische Tierreste im Darm vertilgte, sollte einem die Neon­schrift „Helga’s Imbiß-Spezialitäten“ zur Illusion verhelfen, man könnte jetzt auch in Montana stehen. Aber die Apostrophen-Apokalyptiker wollten sich natürlich darüber aufregen und legten daher ihren wohlfeilen Sottisen die falsche Annahme zugrunde, dass an den Imben (schönster Plural von Imbissstände, leider derzeit noch falsch) der entscheidende Kampf um die deutsche Rechtschreibung ausgetragen werde.

Jakob Hein

Jakob Hein ist Schriftsteller und Arzt. Zuletzt erschienen: „Die Orient-Mission des Leutnant Stern“. Galiani, Berlin 2018.

Die Gegner*nnen des Gender-Sternchens tun so, als würden bald die Goethe-Gedicht*nnen umgeschrieben werden, die sie ja sowieso nicht gelesen haben. Aber mit der deutschen Sprache ist es so wie mit den Opfern von Verbrechen, über die man politisieren möchte: Im Normalfall uninteressant, aber man wird sich ja wohl noch aufregen dürfen.

Die Feinde des Gendersternchens

Diese Gegner*nnen tun jedenfalls so, als ginge es in den betreffenden Texten nicht vor allem um amtliche Veröffentlichungen und Fairness, sondern natürlich um das Ende des Abendlandes. Allerdings nennen auch diese Gegner*nnen ihre beiden Eltern nicht „Papa“, weil damit ja die Mutter mit gemeint sei.

Ich finde den Vorschlag von Karsten Rinas („Theorie der Punkte und Striche“) apart, statt des Sternchens einen Doppelpunkt zu verwenden. Das liest sich eleganter und stört das Schriftbild weniger, obwohl dies die Befürworter:nnen des Sternchens vielleicht sogar gerade wollen.

Um die Menschen dazu anzuhalten, sparsam (!) mit dem Ausrufzeichen umzugehen, wird es auch kritisch als „Lärmstange“ bezeichnet. Seit ich diese Bezeichnung bei dem Sprachwissenschaftler Rinas gelernt habe, bin ich im Umgang mit diesem Satzzeichen noch vorsichtiger. Es erklärt auch, warum einem viele Äußerungen in der digitalen Welt so unsympathisch erscheinen, auch wenn sie vorgelesen recht harmlos klingen mögen.

Während früher durchaus noch Semikolons die Textlandschaften verzierten, sind diese in aktuellen Texten kaum noch zu finden. Das Semikolon zeigte nämlich den Beginn einer zweiten Bedeutung in einem Satz an; und wo findet sich heute noch ein Satz, der auch nur eine Bedeutung enthält?

Gänsefüßchen – in der Luft und auf Papier

Aber durch das eigene Schreiben – und hier meine ich das genuin eigene und nicht das durch Redakteur:nnen und Lektor:nnen korrigierte und geglättete und auf Einheitsnormen gezogene Schreiben – näherte ich mich auch immer mehr den Satzkerben (wie Kommas in dem schönen Werk „Lehre vom Gebrauch der Satzkerbe“ von 1903 genannt wurden). Schließlich brauchen wir die Interpunktion für das Vorlesen und zwar sowohl das laute Vorlesen für andere wie auch das leise Vorlesen, das viele Menschen beim stillen Lesevorgang praktizieren. Satzzeichen können Hilfestellung zum Verständnis bieten, wie der Autor einen bestimmten Satz selbst gehört hat.

Lärmstangen weniger zu benutzen und Apostrophe kritisch zu hinterfragen, ist heute allgemeine Auffassung. Der von mir sehr bewunderte Autor Frank Schulz bittet aber auch um den sparsameren Gebrauch von „Gänsefüßchen“ – und meint damit nicht nur jene mit den Fingern in die Luft gezeichneten.

Wenn man eine Sache auf eine bestimmte Art ausdrückt, sollte man diese kursiv schreiben, schlägt Schulz vor und nur eine wörtliche „Rede“ tatsächlich in Anführungszeichen setzen. Mich hat seine Argumentation überzeugt und ich versuche, weniger Anführungszeichen in meinen Texten zu verwenden.

Warum nur werden Schüler:nnen die sprachgeschichtlich recht neuen Satzzeichen als schwere, starre Regeln beigebracht? Warum zeigt man ihnen nicht, wie schön sie Sätze machen können, wie sie nicht nur Verständnis, sondern auch Witz in unsere Sprache bringen?

Wo kommt das Fragezeichen her?

Wie der Punkt (punctum) entstand, indem die Römer das Satzende in die Wachstafeln punktierten, also stachen? Warum konnten sie uns nicht erzählen, dass dieser Punkt ursprünglich auf halber Höhe stand und heute noch in dieser Form zwischen den Worten existiert, wenn man im Text die Steuerzeichen sichtbar macht? Dass das Fragezeichen einfach die steigende Stimmführung am Satzende symbolisieren sollte, warum sollten wir das nicht erfahren?

Ich bin überzeugt, dass man mich mit diesen Geschichten von und der Geschichte der Interpunktion sehr für die Zeichensetzung hätte begeistern können. Bei der Deutschmüller lernten wir nur, wie unendlich sich 45 Minuten anfühlen können. So blieb die Interpunktion immerhin ein Geschenk, das ich in der zweiten Lebenshälfte für mich entdecken konnte.

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3 Kommentare

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  • Zitat: „Wenn man eine Sache auf eine bestimmte Art ausdrückt, sollte man diese kursiv schreiben, schlägt Schulz vor und nur eine wörtliche ‚Rede‘ tatsächlich in Anführungszeichen setzen.“

    Erst mal können vor Lachen. Kursiv gibt die taz-Kommentarfunktion doch gar nicht her, oder habe ich da etwas übersehen?

    • @mowgli:

      Wahrscheinlich vor lauter Kommatatas

  • Auf Textformatierung (kursiv oder fett) würde ich mich nicht einlassen. Man hat keine Garantie, dass der Leser begreift, was das bedeuten soll. Und wenn man zitiert wird, läuft man Gefahr, dass beim Copy&Paste die Formatierung rausfällt.