: „Im Westen zu punkten ist keine gute Idee“
Was mit Beschimpfungen im Westen gewonnen wird, geht im Osten verloren, meint Unions-Wahlkämpfer Radunski
taz: Herr Radunski, wie finden es WählerInnen, wenn man sie als Frustrierte beschimpft …
Peter Radunski: … ich wage zu bezweifeln, dass Edmund Stoiber das so gemeint hat. Er hat jedenfalls richtig stellen lassen, dass er Gysi und Lafontaine als die Frustrierten sieht.
Es reicht, wenn der Eindruck entsteht. Also: Wie reagiert der Bürger auf Schelte?
Es gibt einen eisernen Grundsatz: Keine Wählerbeschimpfung! Niemals! Um den Wähler bemüht man sich – man beleidigt ihn nicht. Da gilt Brechts Persiflage, dass der Politiker sich kein anderes Volk wählen kann.
Aber kann einem politischen Vollblut wie Stoiber passieren, so etwas unbedacht zu sagen?
Klar, das geht ganz schnell. Die Leute gehen immer davon aus, dass Politprofis jedes Wort abwägen. Das ist nicht so. Die Topleute haben viele Auftritte täglich, denen rutscht immer wieder was raus, was nicht gewollt war.
Vielleicht hat Stoiber ja eine Strategie – die Wahlen im Westen zu gewinnen?
Also, wenn die Idee dahinter stand, im Westen zu punkten, dann war sie schlecht. Die paar Stimmen, die man dadurch gewinnt, machen die zu erwartenden Verluste im Osten nicht wett.
Aber helfen die „Frustrierten“ der Union etwa, besonders in den neuen Ländern?
Es wird uns jedenfalls mittelfristig nicht schaden. Die WählerInnen ärgern sich ein paar Tage über so etwas. Dann wird ihnen wieder klar, dass Negativkampagnen und darauf folgenden Medienschlachten um Zitate mit ihren echten Sorgen nichts zu tun haben.
Was meinen Sie mit Negativkampagne?
Das was ausgerechnet der Bundestagspräsident macht. Noch bevor klar ist, was Stoiber gesagt und gemeint hat, pickt sich Wolfgang Thierse ein Fragment heraus. Und behauptet, Stoiber stemple den Ostler generell zum Bürger zweiter Klasse.
Was sollte Angela Merkel tun? Als Ostlerin war sie doch selbst Ziel der Stoiber-Attacke.
Cool bleiben. Sie ist die ideale Kandidatin. Weil sie die beiden Defizite der Union der Wahl 2002 kompensiert – das bei Frauen und das bei den OstwählerInnen. Ich bin sicher, Angela Merkel wird der Union im Osten Stimmen bringen.
Braucht die Union nicht doch eine spezielle Kampagne für den Osten?
Nein, wer dort mit einem ausgesprochenen Minderwertigkeitsgefühl wählt, ist eh an die Linkspartei verloren. Den eigentümlichen Ostwähler gibt es gar nicht. INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER
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