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Golfer, die auf Golfer schauenRuhe bitte!

Die Macher des Golfturniers European Open in Winsen wollen den Sport populärer machen. Aber Golfer bleiben gern unter sich. Ein Zielkonflikt.

Volle Konzentration: Max Schmitt und sein Porsche Foto: Miguel Ferraz

Winsen taz | „Stillstehen, bitte“, ruft ein Ordner. Kein Grashalm darf rascheln, keine Kamera klicken. Solange „QUIET“ auf den hochgehaltenen Schildern steht, sind die ZuschauerInnen auf dem Golfplatz mucksmäuschenstill. Das leiseste Flüstern könnte die Spieler aus der Konzentration bringen.

Auf dem Rasen sucht Max Schmitt seine Position, wippt von einem Fuß auf den anderen. Als er schlägt, drehen sich die etwa 20 ZuschauerInnenköpfe dem Ball hinterher. Ein kollektives Aufatmen, als der Spieler den Schläger sinken lässt. Als hätten die BeobachterInnen vor Spannung die Luft angehalten.

Mit dem European Open-Turnier in Winsen wollen die VeranstalterInnen ein breiteres Publikum erreichen. Sie richten sich nicht nur an Golf-Fans, sondern an „alle Sport-Fans, Event-Interessierten und Familien“. Hoffnungen weckt da ein junger Spieler wie Max Schmitt. Im vergangenen Jahr ist der 21-Jährige von der Amateur- in die Profiliga gewechselt, bei der europäischen Tour ist er zum ersten Mal dabei. In Winsen behauptet er sich in der zweiten Runde gegen den US-Amerikaner Matt Kuchar. Der steht in der Weltrangliste mehr als 500 Plätze vor ihm. Schmitt gilt als Hoffnungsträger, der eine internationale Karriere vor sich hat.

Auf dem Fairway, wo der Ball landen soll, tragen Caddies die Ausrüstung zum nächsten Abschlag. Auch das gehört zum versnobten Image: Der Sportler kümmert sich nicht selbst um seine Schläger. Neben den kräftigen Helfern bewegen sich die Golfer, als trügen sie maßgeschneiderte Anzüge.

Funktionshose mit Bügelfalte

Wenigstens hat die Funktionshose eine Bügelfalte. Für die Teilnehmer gilt ein strikter Dresscode: Hemden haben einen Kragen und stecken in der Hose, der Schirm der Kappe zeigt nach vorne. Erst vor wenigen Jahren hat die European Tour kurze Hosen auf ihren Wettbewerben erlaubt.

Auch am Rand der Bahn sind Polohemden die Regel, Jeans die Ausnahme. Unter ihren Kappen kneifen die ZuschauerInnen die Augen zusammen, um den Ball gegen die Sonne noch zu erkennen. „Das klang dumpf, der Ball liegt ganz sicher im Sandbunker“, behauptet ein Beobachter. Wie gut, dass sein Begleiter ein Fernglas dabei hat, um ihm das zu bestätigen.

Eigentlich wollen die VeranstalterInnen das Turnier für alle öffnen. Karten gab es schon ab 25 Euro, für unter 18-Jährige ist der Eintritt sogar frei. Am Freitag kommt zudem kostenlos auf das Gelände, wer ein Fußballtrikot trägt, denn am Abend spielt in Hamburg Deutschland gegen die Niederlande. Die anwesenden Fußballfans sind aber vor allem auch Golfer: Unter den meisten Trikots schaut der Kragen eines Polohemdes hervor. Die meisten BesucherInnen kennen sich eben aus oder sind selbst Hobbygolfer.

Sie verstehen die komplizierte Zählweise: Für jede Bahn gibt es eine Idealzahl von Schlägen bis zum Loch, das Par. Gewertet wird die Differenz der tatsächlich benötigten Schläge zum Par. Ein Ergebnis von -5 ist dementsprechend gut, eines von +5 eher schlecht. Dazu kommen etliche Strafschlag-Regeln.

Vielleicht liegt es deshalb in der Natur des Spiels, dass Golfturniere keine allgemeinen Publikumsmagneten sind. Eine Runde dauert im Schnitt mehr als drei Stunden, die Zuschauer­Innen müssen immer wieder warten. Manche setzen sich zwischendurch auf einen einbeinigen Hocker, den sie mit sich herumtragen.

Künstliche Landschaft

In dem Labyrinth aus künstlichen Sandbunkern, Teichen und Rasenflächen laufen sie bis zum letzten Loch mehr als acht Kilometer. Ordnung muss dabei sein: Das Betreten der Grüns ist streng verboten, schließlich sind die höchst empfindlich. Landet ein Ball im Sand, muss der Caddy den Bunker sofort nach dem Schlag wieder glatt harken.

Für die Sportler ist das Turnier vor allem eine mentale Anstrengung. Bei jedem Schlag müssen sie sich extrem konzentrieren. Lautes Jubeln ist ausdrücklich nicht erwünscht.

Am letzten Loch gibt es trotzdem eine Zuschauertribüne. Eine Leinwand überträgt abwechselnd, was auf den anderen Bahnen passiert. Gerade in der VIP-Lounge sind die Gäste so bestens informiert – auch ohne über den gesamten Golfplatz laufen zu müssen.

Zahlungskräftige Kunden

Denn einerseits sollen sich die European Open öffnen, andererseits will man die alten KundInnen nicht verlieren. Denn die zahlen gut. Für knapp 300 Euro am Tag erhalten die Gäste Zutritt zur exklusiven „Eagle Lounge“, die Karte für den noch exklusiveren „Alba­tros Club“ darüber kostet mehr als 400 Euro. Der ideale Ort, „um Geschäftsverbindungen zu stärken oder neue Partnerschaften aufzubauen“, heißt es auf der Webseite des Turniers.

Diese Gäste will wohl auch Hauptsponsor Porsche ansprechen. Den Start jeder Bahn markieren Modellautos, ein orangener SUV in voller Größe schwimmt auf einer Plattform im Wasser neben dem 18. Loch. Am Eingang gibt es die Sportwagen auch zu kaufen – für alle, die mindestens 100.000 Euro übrig haben. Gleich daneben können die BesucherInnen den nächsten Urlaub auf Sylt buchen und ihr Konto bei einer Privatbank eröffnen.

Leben in einer Blase

Auch die Golfer selbst leben häufig in dieser Blase. In Winsen bekommt der Sieger Paul Casey 333.330 Euro, in den USA gibt es Gewinne in Millionenhöhe. Das Programmheft vom Freitag stellt Sportler Max Schmitt in einem Kurzinterview vor. Die dritte Frage: „Wenn Sie nur einen Porsche fahren dürften, welcher wäre das?“ Er weiß es genau: den 991 GT2 RS.

Der 21-Jährige hat es am Wochenende nicht in die zweite Wettbewerbshälfte geschafft. Aber selbst wenn er zum internationalen Golfstar wird und das Turnier in Winsen fest zum europäischen Wettbewerb gehört: Die Golfer und ihre reichen FreundInnen bleiben unter sich.

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1 Kommentar

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  • Golf macht süchtig. Ich bin mal zufällig auf einen Golfplatz geraten und zack. Bin seit mehr als 10 Jahren Golfer,

    Übrigens sind Golfplätze ökologisch erstaunlich vielfältig.