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Die AfD hat Angst vor der Kultur

Ahnungslos, aber eingriffswillig: Die rudimentäre Kulturpolitik der AfD in Sachsen ist vor allem ein Kampf gegen Demokratieinitiativen

In seinem Stück „Das Blaue Wunder“ fragt das Staatsschauspiel Dresden unter Regie von Volker Lösch, wohin uns das Programm der AfD führen würde Foto: Sebastian Hoppe

Von Michael Bartsch

Als im Januar „Das Blaue Wunder“ am Dresdner Staatsschauspiel Thesen und Haltungen der AfD bis zum erwartbaren Desaster zu Ende spielte, sah sich die Partei in ihrem Opfermythos bestätigt: Verschwörung und Ausgrenzung trotz demokratischer Legitimation. Hinter der Kunst, hinter der politischen Bildung, die sie nicht an Sachsens Schulen sehen möchte, hinter der Demokratieförderung für Vereine und Initiativen etwa durch das Programm „Weltoffenes Sachsen“ wittern sie den altbösen kommunistischen Feind. Dann gerät die Demokratieerziehung bei ihrer kulturpolitischen Sprecherin im Landtag Karin Wilke zu einem „Kampfbegriff“. Die Kunst müsse in ihre wahre Freiheit zurückgeholt werden, indem man sie „aus dem Leid linker Indoktrination befreit“. Künstler als unwissende Opfer des Systems?

„Es wird mir eine Freude sein, die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen“, lautet das bekannteste Zitat des kulturpolitischen Vordenkers der Bundes-AfD, Marc Jongen. „Die Debatte zeigt aber auch die Angst der AfD, dass sich dieser Bereich ihrem Einfluss entzieht“, konstatierte in Dresden die kulturpolitische Sprecherin der Grünen Claudia Maicher. So gesagt am 4. Juli, dem letzten Sitzungstag des Sächsischen Landtags in der ablaufenden Legislaturperiode, als die AfD eine Aktuelle Stunde zur Kunstfreiheit beantragt hatte.

Die Vorlage dazu gab ihr der zunächst erfolgte Ausschluss des Malers Axel Krause von der Leipziger Jahresausstellung. Ihm werden einige AfD-freundliche Äußerungen zugeschrieben. In ähnlicher Weise hatten sich Ende Mai Studenten der Dresdner Hochschule für Bildende Künste gegen die Leiterin der Hochschulbibliothek empört, weil sie bei der Kommunalwahl als Parteilose auf einer AfD-Liste in Meißen kandidierte. Sie besetzten die Bibliothek, zusätzlich angestachelt durch ein Wahlplakat der AfD, laut dem sie keinen Cent für politisch motivierte Kunst ausgeben möchte.

Das Vorgehen des Leipziger Vereins gegen den Maler Krause hatte Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD) umgehend als „Ausgrenzung“ kritisiert. Auch im Feuilleton wurde es zumindest als kurzsichtig und unklug debattiert. Die Landtagsdebatte lief also schon in der Sache ins Leere und fiel schnell auf die AfD selber zurück. Sie geriet unerwartet sogar zu einer Sternstunde des Parlaments, weil sich alle von der AfD gern so geschmähten „Altparteien“ einmütig und leidenschaftlich zu Meinungs- und Kunstfreiheit bekannten. Mehr noch. „Die AfD will selbst bestimmen, was inhaltlich richtig ist und verbrämt das als Entideologisierung“, ging Franz Sodann für die Linke bei seiner Entgegnung am weitesten.

So plump wie der Landesverband Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl 2016 agiert die sächsische AfD allerdings nicht. Die damalige Poggenburg-Partei wollte die Kunst noch zur Förderung der Heimatliebe verpflichten. In dem sehr knapp gehaltenen Kulturkapitel der Sachsen dominieren zwar auch das Althergebrachte, Tradition und Heimatverbundenheit. Das Kommunalwahlprogramm der Dresdner AfD war noch weiter gegangen und wollte dem experimentell-avantgardistischen Festspielhaus Hellerau gleich sämtliche Förderung streichen. Das Landesprogramm 2019 wird neben einer scharfen Abgrenzung von der fremden Kultur des Islam aber nur an einer Stelle übergriffig: „Wir wenden uns allerdings gegen ein vorrangig politisch motiviertes, propagandahaft-erzieherisches Musik- und Sprechtheater, wie es mitunter auch auf sächsischen Bühnen praktiziert wird“, heißt es darin.

Hinter diesem Programmteil steckt Thomas Hartung, promovierter Germanist und Buchautor, ein „Zweitausenddreizehner“ in der Ur-AfD, einst rechte Hand von Frauke Petry und nun stiller Berater der kulturpolitischen Sprecherin Karin Wilke in der Landtagsfraktion. Er kritisiert eine aus seiner Sicht einengende Selbstbezogenheit der Künste, die „das eigene Konzept zu dem der ganzen Welt erklärt“. „Die Kunst sollte sich sogar mit der AfD auseinandersetzen, aber warum nicht auch mit CDU, SPD oder Linken“, fragt der Mann, über dessen fortgesetzte AfD-Mitgliedschaft sich mancher wundert. Denn Hartung gehört zu den wenigen intellektuell diskursfähigen AfD-Exponenten in Sachsen, ist in kulturpolitischer Hinsicht vielleicht der einzige Ansprechpartner. Die anderen haben schlichtweg keine kulturelle Affinität. Sogar die Abgeordnete Karin Wilke muss einräumen, schon lange nicht mehr im Theater gewesen zu sein. Wilke und Hartung sind nicht nur vom Kunstbetrieb isoliert, sondern auch in der eigenen Partei. „Die Kulturpolitik wird in der AfD sekundär behandelt“, räumen sie ein.

Eine Kostprobe davon bekam man bei der siegesgewissen Vorstellung des Sofortprogramms der AfD für die Machtübernahme im Herbst bekommen, zu der sie wegen der Berliner Hauptstadtjournalisten extra nach Zeuthen in ein Seehotel gefahren war. Die vier Spitzenpolitiker wussten nach fünf Jahren Landtagszugehörigkeit nicht einmal, in welchem Ressort die Zuständigkeit für die Kunst angesiedelt ist. „Wir wollen die Kultur aber nicht abschaffen“, beeilte sich Landesvorsitzender und Spitzenkandidat Jörg Urban zu versichern.

„Wir wollen die Kultur aber nicht abschaffen“, sagt Jörg Urban, der Spitzenkandidat

Die Berliner „Erklärung der Vielen“ von Künstlern und Kulturinstitutionen im November des Vorjahrs, die eine schärfer auf die AfD bezogene eigene Dresdner Fassung erhielt, signalisierte bereits, dass lange vor einer möglichen realen Machtergreifung der AfD ein Kulturkampf im Gange ist. Von Formulierungen wie „Auswüchse in der Kunst- und Kulturszene“ beim Dresdner AfD-Stadtrat Gordon Engler ist es nicht weit zur „entarteten Kunst“. Das Wettern gegen die „Finanzierung brotloser Künstler und Sozialarbeiter“ liegt auf einer Linie mit den wiederholten Anträgen im Landtag, Mittel für die suspekte Soziokultur und angeblich linksextreme Demokratieinitiativen zu streichen.

Ausdruck eines sich unmerklich einschleichenden Kniefalls vor der Neuen Rechten ist das Verhalten von Kommunalpolitikern. Während Oberbürgermeister Matthias Berger (Freie Wähler) sein Rathaus in Grimma der AfD für eine Wahlkampfveranstaltung mit Björn Höcke zur Verfügung stellt, darf das Mittelsächsische Theater Freiberg nicht einmal mehr gesellschaftspolitisch relevante Themendiskussionen abhalten.

Der Deutsche Bühnenverein reagierte spät, aber sächsische Intendanten solidarisierten sich. Der Radiosender MDR Kultur schickte einen Fragebogen an alle mitteldeutschen Theater. 31 von 32 Bühnen halten die Auseinandersetzung mit Gegenwartsthemen für wichtig bis sehr wichtig, ja sogar verpflichtend.

Die Neue Rechte probt den Durchgriff auf einen Bereich, von dem sie mit sehr wenigen Ausnahmen nicht einmal eine Ahnung hat. Auf die Einladung zu einer kulturpolitischen „Elefantenrunde“ am vergangenen Montag in Dresden reagierte AfD-Frau Karin Wilke gar nicht erst. Ihr Stuhl blieb unbesetzt. Kulturpolitik in Sachsen läuft völlig an der AfD vorbei, ebenso die Bereiche Bildung, Forschung und Hochschule. Fehlende Kompetenz und mangelnde Akzeptanz gleicht die AfD mit besonderer Chuzpe aus und fordert schon jetzt die Besetzung eines fusionierten Super-Bildungsministeriums, das dann vermutlich auch für die Kunst zuständig wäre.

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