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Engagierte Zugezogene in BrandenburgSie mobilisiert gegen rechts

In Werder wurde sie erstmals Zeugin eines Aufmarschs von „Der dritte Weg“. Seither setzt sich Simone Holzwarth in der Region gegen Rassismus ein.

Bringt alte Werderaner und Geflüchtete in Kontakt: Simone Holzwart Foto: privat

Schon Theodor Fontane schwärmte im 19. Jahrhundert von Werder (Havel) als „Garteninsel“, wenngleich er den EinwohnerInnen eine Abneigung gegen „Fremde und Zugewanderte“ attestieren musste. BerlinerInnen kommen bis heute jährlich zum Baumblütenfest hierher, einem der größten Volksfeste Deutschlands.

Simone Holzwarth hingegen kannte Werder nicht, bevor sie Ende 2016 dorthin zog. Mit zwei kleinen Kindern wurde es damals in Berlin-Prenzlauer Berg einfach zu eng, außerdem stand schon länger fest, dass sich die junge Familie der Genossenschaft „Uferwerk“ in Werder anschließen wollte. Diese Mehrgenera­tio­nen­siedlung nahe dem örtlichen Bahnhof entstand auf einem ehemaligem Industriegelände. „Ich war überrascht, wie schön es hier ist“, erzählt Holzwarth.

Überrascht war sie dann aber auch, als sie Zeuge eines Aufmarschs der Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ wurde. Die „waschechten Nazis“ seien ihr erster politischer Eindruck von Werder gewesen, als „ganz schön erschreckend“ bezeichnet sie das Erlebnis. Gleichermaßen betont sie heute, wie groß die Gegendemonstration gewesen sei und wie viele Leute sich den Rechten entgegengestellt hätten. Dass in Werder die Abneigung gegen Rassismus und Ausgrenzung vorherrscht, merkte Holzwarth damals schnell. So schmeckt es den BewohnerInnen der Stadt auch nicht, dass das rechtspopulisitische Magazin Compact hier seinen Sitz an der Havel hat.

Als der Stadtpfarrer und der Geschäftsführer der örtlichen Waldorfschule in der Uferwerk-Genossenschaft nach MitstreiterInnen für ein Konzert gegen Rassismus suchten, war die 38-Jährige zur Stelle. Politisches Engagement liegt ihr nicht fern, in ihrer Berliner Studienzeit war die Erziehungswissenschaftlerin bei der globalisierungskritischen NGO ­Attac aktiv. Während sie an der Humboldt-Universität erforschte, wie sich anhand von Bildung nach Gandhis Lehren die Gesellschaft verändern lässt, engagiert sie sich in dem Verein „glokal“ für machtkritische Jugend- und Erwachsenenbildung. Mittlerweile ist sie hauptberuflich als „Eine-Welt-Promotorin“ bei dem Werderaner Verein „Stadt-Land.move“ angestellt.

Alte und neue Werderaner in Kontakt bringen

Holzwarth findet es wichtig, sich klar gegen rechts zu positionieren. Zwar ist „Der Dritte Weg“ mittlerweile weniger aktiv in Werder und der Erfolg der AfD bei den Kommunalwahlen im Mai war mit unter 10 Prozent zumindest im Landesvergleich eher mau. „Trotzdem ist es wichtig, immer wieder zu betonen: Wir sind die Mehrheit, wir wollen euch nicht haben“, so Holzwarth. In diesem Sinne will Weltoffenes Werder auch die kommunalen Strukturen herausfordern: Werder trägt seit zehn Jahren den Titel „Ort der Vielfalt“. „Diese Auszeichnung muss auch mit Leben gefüllt werden“, findet Holzwarth.

Das Konzert gegen Rassismus wuchs zu einer Aktionswoche, die nun vom 24. bis zum 31. August in dritter Auflage stattfindet – kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg am 1. September. Eine Talkrunde zur Wahl steht dabei ebenso auf dem Programm wie ein bolivianisches Jugendtheater mit einem Stück über den Klimawandel und ein großes Stadt-Festival auf der Insel in der Havel. Von der Stadtbibliothek, städtischen Schulen und der Kirche bis hin zu CDU-Bürgermeisterin Manuela Saß, die sich als Schirmherrin anbot, steht ein breites Bündnis hinter der Aktionswoche.

Als Auftaktveranstaltung gibt es am 24. August ein Nachbarschaftsfest – bewusst nicht auf der Insel oder in der Altstadt von Werder, sondern beim örtlichen Übergangswohnheim für Geflüchtete. Der Einzug von rund 100 Geflüchteten hatte Ende 2017 hitzige Diskussionen entfacht. Holzwarth: „Die Idee für das Fest ist, dass sich alte und neue Werderaner dort beim gemeinsamen Essen und bei Familienangeboten kennenlernen.“ Auch langfristig will „Stadt-Land.move“ Geflüchtete besser einbeziehen. Das Modellprojekt „Migration – Integration – Teilhabe“ wurde jüngst von der Bundeszen­trale für politische Bildung bewilligt und soll 2020 starten.

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2 Kommentare

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  • Es ist goldrichtig, sich gegen Rechtsextremismus einzusetzen. Den Ansatz "Wir sind die Mehrheit, wir wollen euch nicht haben" halte ich da aber für nicht gerade zielführend. Auch Neonazis, mögen sie noch so sehr in der Minderheit sein, haben genügend Gleichgesinnte, um eine Parallelgesellschaft zu bilden. Grenzt man sie aus, bestärkt man diesen Prozess. Im Gespräch bleiben und inhaltlichen Widerspruch üben, das sollte darum das Mittel der Wahl sein, so schwer es auch fällt. Klar, Neonazis sind oftmals sehr manipulativ, rhetorisch geübt und halsstarrig und es gehört viel dazu, gekonnt mit ihnen zu reden. Aber man hört doch von Aussteigern aus der Neonazi-Szene oft, dass es menschliche Zuwendung von außerhalb war, die sie zum Umdenken brachte. Sich unter Nicht-Rechtsextremen gegenseitig zu versichern, dass man mit denen da nichts zu tun habe, ist nichts als der Rückzug auf eine Insel der Glückseligkeit, mit dem man der Neonazi-Parallelgesellschaft Raum gibt.

    • @Ein alter Kauz:

      1. Sind Neonazis in vielen Regionen Deutschlands schon lange keine Minderheit mehr.



      2. Sollte beim "mit Rechten Reden" deutlich differenziert werden. Mit Organisierten und Kadern ist ganz praktisch kein Dialog zu führen. Wer es trotzdem tut, normalisiert und gibt dadurch aktiv Raum!



      3. Was man so hört, von und über Aussteiger, sollte genauso distaziert betrachtet werden. Am lautesten sind diese der Marke Exit, die sich und ihre Lebensgeschichten vermarkten. Andere sind stiller, reflektieren die eigene Biografie, statt die Öffentlichkeit wahlweise mit der Faszination des Bösen, oder mit rührseligen Schicksalsgeschichten zu unterhalten. Dabei kommen dann meist andere Erfahrungen zum Vorschein, die den Ausstieg ausgelöst haben. Öfter als sie meinen mögen, ist es genau das Gegenteil: Die haben irgendwann genug davon, ausgrgrenzt zu werden, mit der Polizei zu tun zu haben und dann auch noch um Job und Ansehen zu fürchten, weil ihre Aktivitäten die bürgerliche Existenz verbauen.



      4. Wer Nazis die Hände reicht, mag vom eigenen missionarischen Tun überzeugt sein, macht es ihnen aber im Endeffekt bequem, wo wir wieder bei Punkt 2. wären.