Tod und Taten von Jeffrey Epstein: Ermittlungen im Umfeld?
Jeffrey Epstein ist tot. Über den mutmaßlichen Suizid wird überall gerätselt. Die wichtigste Frage bekommt dabei am wenigsten Beachtung.
Berlin taz | Am Samstagmorgen um 6.30 Uhr wurde Jeffrey Epstein tot in seiner Zelle im Bundesgefängnis in New York gefunden. Dutzende Frauen hatten dem US-Investmentbanker zuvor vorgeworfen, sie von 2002 bis 2005 als Minderjährige sexuell missbraucht und vergewaltigt zu haben, zudem soll er einen illegalen Sexhandelring aufgebaut haben. Epstein plädierte in allen Fällen auf unschuldig.
Elf Jahre ist es her, dass Epstein schon einmal wegen sexueller Ausbeutung von Teenagerinnen verurteilt wurde – damals jedoch nur für 13 Monate unter lockeren Haftbedingungen. Der extrem reiche Investmentbanker, von dem keine*r genau weiß, woher er sein ganzes Geld hatte, verkehrte in elitären Kreisen. So auch mit Donald Trump, Bill Clinton oder Woody Allen.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seelsorger*innen zu chatten.
Nach einer Recherche des Miami Herald, in der weitere Betroffene zu Wort kamen, wurde Epstein am 6. Juli erneut verhaftet. Seitdem saß er in Untersuchungshaft und hätte bei einer Verurteilung bis zu 45 Jahre in Haft verbringen müssen. Nun allerdings ist Epstein tot, momentan wird von einem Suizid ausgegangen. Doch so wirklich klar ist in dem Fall von Jeffrey Epstein nur wenig.
Die medial am meisten diskutierte Frage lautet zurzeit, wie es möglich war, dass Epstein Suizid begehen konnte. Bereits im vergangenen Monat wurde der 66-Jährige bewusstlos mit Verletzungen am Hals in seiner Zelle gefunden, woraufhin er wegen Suizidgefahr unter besondere Beobachtung gestellt wurde.
Trump befeuert Verschwörungsphantasien
Die New York Times berichtete nach seinem Tod jedoch, dass der „Suicide Watch“ Ende Juli aufgehoben wurde. Zudem wurden weitere Auflagen nicht erfüllt: Eigentlich hätten Wärter*innen alle 30 Minuten seine Zelle überprüfen sollen und er hätte nicht allein in seiner Zelle sein sollen. Wieso dies nicht eingehalten wurde, wollen das US-Justizministerium und das FBI nun untersuchen.
Diese teils doch kuriosen Umstände sind mit Schuld daran, dass nun eine Vielzahl von Verschwörungstheorien zu Epsteins Tod kursieren. Unter anderem die von US-Präsident Donald Trump via Twitter befeuerte, die Clintons seien Schuld an Epsteins Tod. Doch anstatt wilde Theorien zu verfolgen, sollte die Frage, die an erste Stelle stehen muss, doch sein: Wie können mutmaßlich Betroffene auch nach Epsteins Tod noch Gerechtigkeit erfahren?
Der Prozess gegen Jeffrey Epstein ist vorbei, denn ohne Angeklagten kein Prozess. Doch die Ermittlungen, die zu dem Prozess geführt haben, sind es laut den zuständigen Staatsanwälten und FBI-Agenten nicht. Sie wollen sich nun auch auf die Menschen aus Epsteins Umkreis konzentrieren, denen ähnliche Vorwürfe gemacht werden.
Am vergangenen Freitag – nur wenige Stunde vor Epsteins Tod – hatte das Gericht Dokumente freigegeben. Darin eine Vielzahl von Vorwürfen gegen Epstein selbst, wie Akten aus alten Gerichtsstreits.
Vorwürfe gegen zahlreiche andere Prominente
Einer von ihnen behandelt Virginia Giuffre, die behauptet, von Epstein als Sex-Sklavin gehalten worden zu sein. Wie auch in anderen Fällen, haben sich dort Klägerin und Angeklagter außergerichtlich geeinigt. Doch auch gegen zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie den britischen Prinz Andrew, Strafverteidiger Alan Dershowitz und weitere hochrangige Geschäftsleute und Politiker wurden Vorwürfe erhoben.
Der New Yorker Staatsanwalt Geoffrey Berman versprach am Wochenende nun Gerechtigkeit für die Betroffenen. Dafür wollen auch die Anwält*innen der Betroffenen nun sorgen und noch dieses Woche Zivilklage gegen seinen Nachlass einreichen. Laut einem Dokument im aktuellen Gerichtsprozess besaß Epstein 559 Millionen US-Dollar sowie zwei Inseln und mehrere Immobilien.
„Wir müssen für den Rest unseres Lebens mit den Narben seines Handelns leben, während er nie Konsequenzen für seine Taten spüren muss“
Die Betroffenen sollen mit diesem Geld entschädigt werden. Doch selbst wenn die Frauen mit ihrer Zivilklage vor Gericht gewinnen, ist unklar, wie viel Geld sie bekommen werden. Für viele von ihnen ist dies eh nur ein kleine Wiedergutmachung.
Jennifer Araoz, eins der mutmaßlichen Opfer, sagte gegenüber dem Rolling Stone: „Ich bin wütend, dass Jeffrey Epstein den Überlebenden seines Missbrauchs nicht im Gericht gegenübersitzen muss. Wir müssen für den Rest unseres Lebens mit den Narben seines Handelns leben, während er nie Konsequenzen für seine Taten spüren muss, mit denen er so vielen Menschen Trauma und Schmerz zugefügt hat.“
Dass die Todesumstände von Jeffrey Epstein geklärt werden, ist wichtig. Doch es ist noch drängender, dass die Ermittlungen gegen die Menschen aus Epsteins Umfeld intensiv vorgenommen werden. Denn es gibt zig Beispiele dafür, wie mutmaßliche Sexualstraftäter trotz gravierenden Vorwürfen noch ihre Macht und Reichweite nutzen können, um einer Haftstrafe zu entkommen. Denn im besten Fall erfahren die Betroffenen durch eine Strafe nicht nur Gerechtigkeit, sondern weitere Frauen werden davor bewahrt, Opfer zu werden.
Leser*innenkommentare
Reinhardt Gutsche
Der magische Strick?
Zitat: „Die New York Times berichtete nach seinem Tod jedoch, dass der „Suicide Watch“ Ende Juli aufgehoben wurde. Zudem wurden weitere Auflagen nicht erfüllt: Eigentlich hätten Wärter*innen alle 30 Minuten seine Zelle überprüfen sollen und er hätte nicht allein in seiner Zelle sein sollen.“
In der „New York Post“ wird ein Ex-Gefangener des Spezialtrakts, in dem Epstein einsaß, mit der Feststellung zitiert, das dortige Standard-Reglement mache es unmöglich, sich zu erhängen. Alles werde getan, eine solche Geste undurchführbar zu machen: Die Bettwäsche sei „fein wie Papier“, die Deckenhöhe betrage mehr als 2,5 Meter, das Bett sei fest im Boden verankert und könne nicht bewegt werden, keinerlei harte oder gar metallische Gegenstände seien in den Zellen erlaubt, die Kontrollfrequenz durch Wärter betrage 9 Minuten usw. (zitiert nach „Le Huffington Post“, 11. 8.19)
Irgendwie erinnert das an die „magische Kugel“ beim Kennedy-Mord....
Sven2000
@Reinhardt Gutsche Ja, klar ... und die kommenden Untersuchungen werden von den Illuminaten so gesteuert, dass als Ergebnis ein natürlicher Tod herauskommt oder?
Genau so etwas befördert Verschwörungstheorien. Erst einmal abwarten.
Reinhardt Gutsche
@Sven2000 Verschwörungstheorien
Zitat @SVEN2000: „Ja, klar ... und die kommenden Untersuchungen werden von den Illuminaten so gesteuert, dass als Ergebnis ein natürlicher Tod herauskommt oder? Genau so etwas befördert Verschwörungstheorien.“
Diese Analogie bedeutet aller Logik nach, die Warren-Kommission sei von den Illuminaten gesteuert und der von ihr produzierte Report mit der Theorie von der "Magischen Kugel" als Kern der Einzeltäter-Legende nichts als eine reine Verschwörungstheorie, deren Beispielekonvolut damit um eine bemerkenswerte Variante bereichert wurde...
Zu diesem Thema im allgemeinen s. u. a. www.freitag.de/aut...es-meinungsmarktes
Lowandorder
Sicher. “Doch anstatt wilde Theorien zu verfolgen, sollte die Frage, die an erste Stelle stehen muss, doch sein: Wie können mutmaßlich Betroffene auch nach Epsteins Tod noch Gerechtigkeit erfahren?“
Doch. “Der Prozess gegen Jeffrey Epstein ist vorbei, denn ohne Angeklagten kein Prozess.“
& “…noch - Gerechtigkeit erfahren…" - ?
Nun. Ohnehin gilt für ein jedes Strafverfahren.
“Jedes Verbrechen hat zwei Grundlagen: die biologische Veranlagung eines Menschen und das soziale Milieu, in dem er lebt. Wo die moralische Schuld anfängt, kannst du fast niemals beurteilen – niemand von uns kann das, es sei denn ein geübter Psychoanalytiker oder ein sehr weiser Beicht-Priester. Du bist nur Geschworener: strafe nicht – sondern schütze die Gesellschaft vor Rechtsbrechern.…“
Genau. Aus - ”Merkblatt für Geschworene
Nachdruck erbeten…“
Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 06.08.1929, Nr. 32, S. 202.
www.textlog.de/tucholsky-merkblatt.html