Bildungssenatorin Scheeres in der Kritik: Eine offene Kampfansage
Der Rückhalt von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) bröckelt. Nun werden neue Zahlen zu fehlenden Schulplätzen erwartet.
Eigentlich hätte es ein gutes Wochenende für Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sein können: Am Samstag hat sie in der Konrad-Wolf-Straße in Lichtenberg die zweite Schule eingeweiht, die im Rahmen der rot-rot-grünen Schulbauoffensive in Rekordbauzeit von weniger als einem Jahr zusammengezimmert wurde. Erst eine Woche zuvor wurde eine Sekundarschule in Mahlsdorf eröffnet, macht also rund 1.000 neue Schulplätze gleich zu Beginn des gerade gestarteten Schuljahrs. Und dann waren ja am Samstag auch noch die Einschulungsfeiern für 33.800 ErstklässlerInnen, für die der erste Schultag heute traditionell eine Woche später liegt, das gibt auch immer hübsche Bilder.
Tatsächlich war die zurückliegende erste Schulwoche in diesem Jahr, einer betont gut gelaunten Scheeres zum Trotz, ein mittelschweres Desaster für die Senatorin. Bei der Pressekonferenz vor Schuljahresstart hatte sie, wie in den letzten Jahren, noch versucht zu betonen, dass Berlin auch in diesem Jahr alle freien LehrerInnenstellen besetzt habe – was anderen Bundesländern angesichts der Fachkräftekrise längst nicht immer gelänge.
Doch der Landeselternausschuss hatte offensichtlich keine Lust mehr, das einfach so stehen zu lassen – und griff die Senatorin frontal und mit einer für dieses eigentlich auf Kooperation bedachte Gremium ungewöhnlichen Schärfe an. Man sehe keine Verbesserungen bei den Schulabbrecherzahlen, in den Vergleichsarbeiten und beim Unterrichtsausfall. Auch die intransparente Informationspolitik etwa bei der ungleichen Verteilung der quereinsteigenden LehrerInnen in der Stadt sei bedenklich.
Die Lehrergewerkschaft GEW lieferte prompt die passenden Zahlen: Während in Spandau die Quereinsteigerquote bei 70 Prozent läge, sei man in Charlottenburg-Wilmersdorf bei gerade einmal 34 Prozent. Im Vorjahr waren die Zahlen ähnlich.
Der Landeselternausschuss sprach von einer „Bildungskrise“, CDU-Chef Kai Wegner fordert seit Anfang letzter Woche wiederholt Scheeres’ Rücktritt. Zuletzt schrieb er in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel am Samstag, der Senat „versündige“ sich an der Zukunft der Berliner Kinder, indem sich die Schulsenatorin für soziale Wohltaten feiere (kostenloses Schulessen, gebührenfreier Hort für die ersten beiden Schuljahre, Gratis-Schülerticket). Dabei betröge die Schulsenatorin die Kinder angesichts der desolaten Personalsituation um ihre Bildungschancen.
Dauerbaustellen: Schulbau und Quereinsteiger
Tatsächlich bekommt Scheeres die Quereinsteiger-Problematik nicht in den Griff. Bereits vor einem Jahr hatte sie angekündigt, jede Schule solle „Ausbildungschule“ werden – also pro Schuljahr mindestens eine quereinsteigende LehrerIn einstellen. Doch das werde von den Schulleitungen und den regionalen Schulaufsichten, die für die Einstellungen verantwortlich sind, nicht konsequent umgesetzt, heißt es auch von Seiten der GEW.
„Es kann nicht sein, das gerade Schulen in schwieriger Lage die Hauptverantwortung bei der Ausbildung der Quereinsteigenden tragen“, sagt dazu die Berliner SPD-Vize-Fraktionschefin Maja Lasić der taz. Doch mehr Härte oder eine fixe QuereinsteigerInnenquote traut sich nicht mal die Opposition zu fordern – aus Angst, die besonders umworbenen, voll ausgebildeten PädagogInnen zu verprellen. Es gebe wiederholt Fälle, wo diese damit drohten, Berlin zu verlassen, wenn sie nicht an ihrer Wunschschule eingestellt werden, heißt es von Seiten der Gewerkschaft.
Eine weitere Negativmeldung, die Scheeres bisher nicht einfangen konnte: Bereits in zwei Jahren könnten 26.000 Schulplätze fehlen. Das geht aus einer Vorlage der Bildungsverwaltung an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hervor.
Die Zahlen liegen zwar schon seit Mai vor. Doch Abgeordnete des grünen Koalitionspartners, die in der AG Schulbau sitzen, hatten die Differenz aus erteilten Baugenehmigungen und erwarteten SchülerInnenzahlen ausgerechnet am Eröffnungstermin der ersten Schnellbauschule in Mahlsdorf gezielt an die Presse gegeben. Und das, ohne vorher mit Scheeres oder den KollegInnen von der SPD und den Linken zu sprechen, wie es aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen heißt. Ein offener Angriff.
Die Senatorin bemühte sich zu betonen, dass das „Maximalprognosen“ seien, die so keinesfalls eintreten müssten – etwa, weil Neubaugebiete in manchen Bezirken auf absehbare Zeit nicht fertig werden. Doch fragt man die bezirklichen Schulstadträte, dann sind härtere Kämpfe um öffentliche Grundstücke und die relativ langsame Erteilung von Baugenehmigungen wegen Personalmangel in den Ämtern ein Problem. Ende 2017 hatte es zum Auftakt der Schulbauoffensive noch geheißen, man müsse rund 60.000 Schulplätze schaffen – in zehn Jahren.
Interessant dürfte nun eine Sitzung am heutigen Montag werden, wenn sich die rot-rot-grüne AG Schulbau trifft. Man erwarte, dass der Senat nach der „Maximalprognose“ heute eine realistische Berechnung vorlege, inwiefern man im Plan sei, heißt es aus TeilnehmerInnenkreisen. Für die Zukunft der Bildungssenatorin könnte diese Zahl sehr wichtig sein.
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