Beratungsstelle wird weiter gefördert: Guter Rat rechnet sich
Für Geflüchtete hängt die Duldung oft an ihrer Ausbildung. Das Bremer Netzwerk „bin“ unterstützt ihre Integration in den Arbeitsmarkt.
Der junge Guineer Siakoh, noch keine 18 Jahre, kommt 2015 als Flüchtling nach Deutschland. Während eines Vorkurses macht er ein Praktikum in einer Autowerkstatt. Siakoh hinterlässt einen guten Eindruck und bekommt sofort einen Ausbildungsplatz. Hurra!
Da es im wahren Leben nach dem Happy End weitergeht, hat auch diese Geschichte eine Fortsetzung. Die Deutschkenntnisse reichen nicht für die Berufsschule, der Guineer muss abbrechen. Mittlerweile, 2019, macht Siakoh erneut eine Ausbildung. Doch er ist frustriert: Viele seiner Freunde haben mittlerweile einen Aufenthaltsstatus – junge Menschen, die seit vier Jahren hier sind und einen Schulabschluss in Deutschland gemacht haben, können eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.
Siakoh dagegen ist aus der Schulpflicht lange herausgefallen, ohne Abschluss. Seinen Antrag auf einen Aufenthaltsstatus hätte er zwingend vor dem 21. Geburtstag stellen müssen. Er hat sich 2015 falsch entschieden, mit seinen 17 Jahren.
Siakoh heißt nicht wirklich so, den Fall des jungen Guineers aber hatte Claudia Jacob tatsächlich gerade in der Beratung: Bei der Clearingstelle des Paritätischen Bildungswerks beschäftigt sie sich mit der Frage des Aufenthaltsstatus von geflüchteten Arbeitssuchenden. Das Programm ist einer von fünf Teilbereichen des „bin“, das jungen Migrant*Innen helfen soll, richtige Entscheidungen zu treffen.
Jens Rigterink, Handwerkskammer Bremen
Seit 2008 unterstützt das Netzwerk Geflüchtete in Ausbildung und Beruf. Der Bedarf ist groß: 300 neue Teilnehmer*Innen kommen jedes Jahr dazu, die Beratung geht oft über Jahre. Ziel in allen Teilbereichen ist die Vermittlung in Arbeit.
Auf den ersten Blick scheint das dank Fachkräftemangel keine schwere Aufgabe zu sein: „Fast jeder fünfte Lehrling in Bremen hat einen ausländischen Hintergrund“, erzählt Jens Rigterink von der Bremer Handwerkskammer. „Das Handwerk ist angewiesen auf Flüchtlinge.“ Die Betriebe, sagt Jesmmy Gemio vom Paritätischen Bildungswerk, seien oft glücklich mit ihren Azubis: „Die sind pfiffig, engagiert, pünktlich – aber in der Schule hakt es dann.“
Genaue Statistiken gibt es nicht, Unternehmen sind nicht verpflichtet, den Aufenthaltsstatus ihrer Azubis anzugeben. Aus Erfahrung weiß Martina Rothgänger, Projektmanagerin beim BIN aber: „Unheimlich viele brechen nach einem halben Jahr ab. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt.“
Auch Multiplikator*Innen wie Lehrkräfte und Ehrenamtliche hätten oft keine Ahnung, wie anspruchsvoll eine duale Ausbildung ohne entsprechende Sprachkenntnisse sein kann. Eine abgebrochene Ausbildung kann, wie im Fall des jungen Guineers, ernste Folgen für die Aufenthaltsgenehmigung haben. Die Aufgabe des „bin“ ist daher oftmals: bremsen.
Vielen jungen Migrant*innen empfehlen die Institutionen zunächst eine einjährige Vorbereitungsphase. Diese Einstiegsqualifizierung (EQ) umfasst neben einem Part im Betrieb und einem in der Berufsschule zusätzlichen Sprachunterricht, der in die Fachsprache des zukünftigen Berufsfeldes einführt.
Die ersten Erfolge sprechen für sich: Im ersten Jahrgang von 2014 haben – anfangs nur im öffentlichen Dienst – 23 Geflüchtete ihre EQ begonnen. 21 wurden anschließend in eine Ausbildung vermittelt, 18 haben diese abgeschlossen und 17 mittlerweile einen Arbeitsplatz in ihrem Bereich gefunden.
Die Qualifizierung kostet Zeit
Doch immer weniger Geflüchtete wollen eine Einstiegsqualifizierung machen. Viele müssten vorab einen einjährigen Sprachkurs besuchen, um auf B1-Niveau zu kommen – die Ausbildungszeit verlängert sich auf fünf Jahre. „Eine unglaublich lange Zeit für junge Menschen“, gibt Elisabeth Mahlberg-Wilson vom Zentrum für Schule und Beruf zu bedenken. Ein schneller und scheinbar leichter Berufseinstieg dagegen lockt durch eigenes Geld, größere Unabhängigkeit von Behörden und die Möglichkeit, die Familie in der Heimat zu unterstützen.
Immerhin verbessern sich momentan einige Umstände. Lange war eine Ausbildung eine Armutsfalle für Flüchtlinge, weil neben dem Gehalt für sie keine Möglichkeit der Berufsausbildungsbeihilfe vorgesehen war. Seit diesem Sommer ist das endlich anders.
Das Bundesland Bremen hat im Vorgriff auf das Bundesgesetz schon seit Herbst 2018 eine Art Bafög zur Verfügung gestellt. „Übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie weit Bremen in manchen Bereichen ist“, lobt Elisabeth Mahlberg-Wilson vom Zentrum für Schule und Beruf.
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