piwik no script img

Kondome für die Gläubigen

Heute reisen die PilgerInnen zum Weltjugendtag an. Aids-Hilfe und Kirchen-Basis ärgern den deutsch-konservativen Papst Benedikt und verteilen Kondome. Tausende Gummis für Katholen aus aller Welt

aus KÖLNTHOMAS SPOLERT

Die Initiative „Wir sind Kirche“ startet heute mit einer Kondom-Kampagne vor dem Weltjugendtag (WJT). Unter dem Motto „Good Catholics Use Condoms“ (Gute Katholiken gebrauchen Kondome) will die kirchenkritische Gruppierung 50.000 Postkarten an die jugendlichen Pilger aus aller Welt verteilen. Außerdem lächeln von Plakaten in den U-Bahn-Stationen ein heterosexuelles, ein homosexuelles und ein gemischtethnisches Paar und legen dort ihr Glaubensbekenntnis für Gott und Kondome ab. „Wir wollen über das Thema sprechen“, sagt Tobias Raschke von „Wir sind Kirche Jugend“. Ursprünglich kommt die Kampagne aus den USA. Die katholische Laienorganisation „Catholics for a free Choice“, die sich vornehmlich für Frauenrechte stark macht, entwickelte bereits 2001 diese Kondom-Kampagne.

Kondome sind Teufelszeug, sagt die katholische Amtskirche nach wie vor und verbietet ihren Gläubigen den Gebrauch der Präservative. Und verfolgt die abtrünnigen Schäfchen: Gerade einmal 200 Stück wollte ein ehrenamtlicher Gästebetreuer während des katholischen WJT in Köln an die Pilger verteilen. Doch die Organisatoren des WJT bekamen Wind von der Aktion und drohten dem Helfer vorletzte Woche mit Ausschluss aus dem Betreuerteam. Der gab klein bei und hat dafür nun einen erklecklichen Kondomvorrat zu hause liegen.

Auch die Kölner Aids-Hilfe wird aktiv: Rund 33.000 Gummis bringen die Präventionsprofis während des katholischen Massenspektakels unter das gläubige Volk. Zusätzlich verteilen die mit Bauchläden ausgerüsteten ehrenamtlichen HelferInnen in der Innenstadt 100.000 Postkarten und Informationsschriften in verschiedenen Sprachen, die über das Thema Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten aufklären. An einigen Sammelschlafplätzen werden die Mitarbeiter auch vor Ort für Fragen bereitstehen und auf Wunsch Broschüren verteilen. Einen offiziellen Workshop der Aids-Hilfe Köln zum Thema „HIV/Aids und Jugend – Treue, Partnerschaft, Liebe“ hatten die Verantwortlichen des WJT nicht zugelassen.

Dennoch werden viele junge Katholiken an den WJT-Tagen in Köln nicht an diesem Thema vorbeikommen. Denn auf den Multivisionswänden in der Kölner Untergrund- Bahn wird rund 3.000 Mal ein Anti-Aids-Spot gezeigt. Jugendliche aus dem schwul-lesbischen Jugendzentrum „Anyway“ und Mitglieder des Aids-Hilfe- Projektes „Junge Positive“ (JuPo) haben ihn gemeinsam mit einer Filmfirma gedreht. Auch der Staat ignoriert die Vatikan-Meinung: Auf den Plakatwänden in der Stadt wird die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ (BZgA) für den regen Gebrauch von Kondomen werben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen