piwik no script img

Fahrverbote für Dieselstinker lösen das Kernproblem nichtDie Londoner machen es richtig

Es wäre jetzt einfach, ein Lob auszusprechen. Lob dafür, dass es in den Städten ab kommendem Jahr großflächige Fahrverbotszonen für alte Dieselfahrzeuge geben soll. Nach bald achtmonatiger Debatte um die rußigen Luftverpester ist ein Entscheidung längst überfällig. Zu lange haben die Bürgermeister und die Umweltminister in den Ländern geschlafen und die deutschen Automobilbauer eine schlichte wie geniale Erfindung ignoriert: den Dieselrußfilter.

Für ein aufrichtiges Lob aber ist es zu früh. Denn was die jetzt vorbereiteten Fahrverbote nicht leisten, ist, den ausufernden Individualverkehr per Automobil endlich zu begrenzen. Die Hersteller legen immer neue Klein- und Kleinstautos auf, die ob des geringen Preises auch Geringverdienern das Zweit- und Drittauto schmackhaft machen. Mit Fahrverboten für Altdiesel wird überdies so getan, als gäbe es gute und böse Autos. Diesel ohne Filter ist böse. Die anderen sind fein raus.

So einfach ist es nicht. Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben in Europa jährlich 100.000 Menschen an den Folgen der Feinstaubbelastung. Man könnte auch sagen: allein an den Folgen der Feinstaubbelastung. Nicht mitgerechnet sind die Unfallopfer im Straßenverkehr – das Umweltbundesamt spricht von ebenfalls 100.000 Menschen, die europaweit pro Jahr zu Tode gefahren werden.

Die Lösung wäre, den Individualverkehr zumindest in den Ballungsräumen generell neu zu regeln. Als Vorbild darf gern die City-Maut in London gelten. Der private Personenverkehr hat dort seit der Einführung 2003 um über ein Drittel abgenommen. Ein Großteil des Verkehrs hat sich auf auf Busse, Taxis und die U-Bahnen verlagert. Die Folge: Die Feinstaubbelastung ging um 12 Prozent zurück, Unfälle um 20 Prozent. Angesichts dieser Zahlen erscheinen Fahrverbote nur für den dreckigsten Teil der Fahrzeugflotte rückständig. Darüber freuen sich allein die Autohersteller. Sie werden vor allem mehr rußarme Autos verkaufen. Das Grundproblem aber wird so letztlich noch verschärft. THORSTEN DENKLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen