die nachricht: Frontex soll Gewalt gegen Flüchtlinge geduldet haben
Laut Berichten soll die EU-Grenzschutzagentur von Rechtsverletzungen durch nationale Beamte an EU-Außengrenzen wissen – etwa von Hetzjagden mit Hunden auf Flüchtlinge
Das Neue
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll Medienberichten zufolge Menschenrechtsverletzungen durch nationale Beamte an den Außengrenzen der Europäischen Union dulden. Nach Recherchen von „Report München“, dem britischen Guardian sowie dem Recherchenetzwerk Correctiv geht aus internen Mängelberichten hervor, dass Frontex unter anderem Vorfälle in Ungarn, Bulgarien und Griechenland bekannt sind. Konsequenzen folgten auf die Berichte offenbar oft nicht. Demnach gibt es Vorwürfe der Misshandlung von Flüchtlingen; in manchen Fällen sollen nationale Beamte Polizeihunde auf Menschen gehetzt haben.
So wird es in einem der von Correctiv veröffentlichten Frontex-Dokumente beschrieben: Ein Zeuge hatte berichtet, wie ungarische Polizisten eine Gruppe afghanischer Flüchtlinge entdeckt hatten, die sich in einem Wald im Grenzgebiet nahe dem serbischen Horgošversteckten – darunter auch zehn unbegleitete Kinder und Jugendliche. Die Polizei habe einen Hund auf die Gruppe gehetzt, der drei der Betroffenen gebissen habe, zudem seien die Menschen später mit Pfefferspray besprüht sowie geschlagen worden. Bei Abschiebeflügen sollen Frontex-Beamte auch selbst Menschenrechtsverletzungen begangen haben.
Der Kontext
Frontex unterstützt Länder an Außengrenzen wie Italien und Griechenland mit Technik und ExpertInnen – für die Grenzkontrollen verantwortlich sind bisher jedoch die Mitgliedsstaaten. Die Agentur spielte im aufgeheizten Feld der EU-Asylpolitik zuletzt eine immer wichtigere Rolle: Erst im April hat das Europaparlament sich für einen Frontex-Ausbau auf bis zu 10.000 Beamte bis zum Jahr 2027 ausgesprochen und damit bestätigt, was Parlamentsunterhändler mit den Mitgliedsstaaten ausgehandelt hatten. Bisher war Frontex auf Ressourcen der EU-Mitgliedsländer angewiesen; dank der Ausbaupläne soll sie künftig eigene Ausrüstung wie Schiffe oder Flugzeuge anschaffen können.
Die Reaktionen waren schon damals gemischt: Unter anderem Die Grünen im Europaparlament hatten kritisiert, dass die Frontex-Reform kein Grenzmanagement schaffe, das auf Menschenrechten basiere. Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte in ihrer Bewerbungsrede Pläne für die Grenzschutzagentur angekündigt: Sie will dafür sorgen, die Verstärkung auf 10.000 Beamte bis 2024 beschleunigen zu wollen.
Die Reaktionen
In einer Stellungnahme von Montag hat Frontex „kategorisch“ ausgeschlossen, dass eigene Beamte an „Verletzungen von Grundrechten“ beteiligt gewesen seien. Die Behörde habe aber keine Macht über das Verhalten der nationalen Grenzbeamten. Bulgariens Innenminister Mladen Marinov widersprach den Medienberichten am Montag bei einem Besuch in München. „Ich kann kategorisch erklären, dass Bulgarien sämtliche Abkommen und Vereinbarungen zu den Menschenrechten einhält“, sagte er. „Seitens der bulgarischen Grenzbeamten wird physische Gewalt nur dann angewandt, wenn es die Situation erfordert.“
Die Konsequenz
Fraglich ist, welche Konsequenz Brüssel aus den Vorwürfen ziehen wird. Am Montag erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission, man werde den Anschuldigungen zusammen mit Frontex nachgehen, und die Agentur werde angemessene Schritte einleiten. „Jede Form von Gewalt an oder Missbrauch von Migranten und Flüchtlingen ist inakzeptabel.“
Eva Oer, mit dpa und afp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen