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Küchenchef über Flugzeugessen„Als hätte man einen Schnupfen“

Burkhard Weizsäcker sorgt dafür, dass im Flieger niemand hungrig bleibt. Die Gerichte passt er der Enge an Bord an – und dem Luftdruck in der Kabine.

Nicht höher als drei Zentimeter: Bordverpflegung in der Touristenklasse der Lufthansa Foto: imago images/Rüdiger Wölk
Juliane Reichert
Interview von Juliane Reichert

taz: Herr Weizsäcker, als Flugzeugkoch konzipieren Sie Gerichte für Flugreisende. Wie ist das für Sie, wenn Sie selber fliegen? Immer ein Auge auf die Kreationen der Konkurrenz?

Burkhard Weizsäcker: Ich interessiere mich auf Flügen eher für das Verhalten der Passagiere als für das Essen an sich. Was kommt an, was wird zuerst gegessen, wie wird es gegessen? Wird das Besteck benutzt oder die Hände? Ich schaue mir das an und überlege: Was bringt dem Passagier am meisten Spaß?

Am meisten Spaß bringt es wohl immer noch, wenn es lecker ist. Aber oft hat Flugzeugessen nicht den besten Ruf. Sorgen die Bedingungen in der Luft eigentlich für ein anderes Geschmackserlebnis?

Dafür haben wir Tests gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut durchgeführt. Die belegen wissenschaftlich, dass aufgrund des im Flugzeug herrschenden Niederdrucks die sogenannte Geruchs- und Geschmacksschwelle für Süßes und Salziges steigt. Außerdem riecht man die Speisen und Getränke so, als hätte man einen Schnupfen.

Und wie begegnen Sie dem im Küchenalltag? Einfach alles stärker würzen?

Einfach mehr Salz oder mehr Zucker hinzuzugeben reicht nicht aus. Gefragt ist im Airline Catering ein nuanciertes Spiel mit den Gewürzen, damit die Gerichte möglichst vielen Passagieren schmecken. Die Geschmacksschwelle von Säuren bleibt übrigens unverändert, weshalb etwa Saucen auf der Basis von Weißwein oder Zitrone schlechter ankommen.

Gibt es Zutaten, die bei der Entwicklung der Gerichte nicht infrage kommen?

So weit wie möglich verzichten wir auf Knoblauch oder verwenden ihn allenfalls dezent dort, wo er einfach zum Gericht dazugehört. Auch Zwiebeln werden nur dosiert eingesetzt. Das Gleiche gilt für Bohnen- und Hülsenfrüchte.

Bild: LSG Sky Chefs
Im Interview: Burkhard Weizsäcker

58, ist ausgebildeter Koch und Küchenmeister. Er arbeitet als Produktentwickler bei den LSG Sky Chefs, die der weltweit zweitgrößte Anbieter für Bordverpflegung sind und täglich mehr als eine Million Mahlzeiten produzieren. Das Unternehmen gehört zur Lufthansa AG.

Man kann sich die Gründe denken.

Es gibt aber auch kulturelle Eigenheiten zu berücksichtigen. Rindfleisch geht zum Beispiel nicht in Richtung Indien, und Schweinefleisch kann nicht auf Flügen in muslimische Regionen serviert werden. Umgekehrt ist dafür Hühnchen ein gern verwendetes Fleisch, da es in diversen Kulturen großen Anklang findet.

Was für dankbare Lebensmittel gibt es noch, mit denen man im Zweifel immer arbeiten kann?

Pasta – auch weil sie oftmals vegetarisch konzipiert ist und so diese Gruppe an Reisenden gleich mit abdeckt. Grundsätzlich sind alle Gemüsesorten gut zu verarbeiten. Durch den Einsatz moderner Gartechniken erhalten sie heute auch ihre Farbe und sehen dadurch auf den Tellern ansprechend aus. Wichtig ist jedoch, dass die Crews an Bord die Aufheizzeiten berücksichtigen. Wird das Menü zu stark gegart, gehen Konsistenz und Farbgebung verloren. Ich persönlich mag besonders den weißen Spargel, weil es ein besonders geschmackvolles Gemüse ist, das man vielfältig darstellen kann, zum Beispiel gebraten, frittiert, in Stangenform, als Mus, Suppe, Dessert.

Eine andere Limitierung für die Bordmahlzeiten ist der Platz. Die kommen ja in diesen genormten Plastikboxen, die kleiner sind als normale Teller.

Bei der Menü-Entwicklung ist natürlich das Equipment zu beachten, das zur Verfügung steht. Übrigens in allen drei Dimensionen, die Speisen dürfen nämlich auf maximal drei Zentimetern Höhe angerichtet sein. Einzig in der First Class können höhere Garnituren geplant werden, da dort noch durch die Crew Handgriffe am Essen erfolgen.

Welchen Weg geht das Essen vom Herd bis auf das Tablett der Passagiere?

Die Mahlzeiten werden in direkter Airportnähe oder am Flughafen in einem unserer rund 200 Betriebe weltweit gekocht und dann ausgeliefert. Im Regelfall passiert das acht bis zwölf Stunden vor Abflug. Spätestens drei Stunden vor Abflug ist die sogenannte Rampenbereitstellungszeit. Aufgrund gesetzlicher und internationaler Richtlinien für Lebensmittelsicherheit beim Airline Catering müssen alle Mahlzeiten vor der Bereitstellung auf fünf Grad runtergekühlt werden. Im Durchschnitt ist das Essen fünf Stunden gekühlt.

Flugzeugessen ist immer aufgewärmt?

Genau. Die Mahlzeiten werden in unseren Betrieben in mobile Ofeneinschübe geparkt. Es sind auch unsere Belader, die diese dann in die Öfen der Flugzeuge schieben, während sie am Flughafen stehen. Die Crew-Mitarbeiter erhalten dabei die Informationen, bei welcher Temperatur sie die Essen wie lange erhitzen müssen. Schließlich werden die Essen den Reisenden serviert.

Wie viele Gerichte werden bei der Lufthansa pro Monat und Jahr konzipiert?

Bei Lufthansa fliegen pro Jahr 80 verschiedene Menüs auf der Kurzstrecke und 108 Menüs auf der Langstrecke mit. Wichtig ist dabei auch, ob auf der Strecke zwei Mahlzeiten serviert werden – hier gilt es, Dopplungen von Zutaten zu vermeiden. Ich arbeite an allen diesen Menüs mit.

Gibt es eine Art Rotation von ein paar Dutzend Gerichten, wo dann immer mal welche ausgetauscht werden?

Die Wechsel der Menüs finden wöchentlich auf Kurzstrecke statt, bei Langstrecke alle zwei Monate. Hinzu kommt standardmäßig ein Wechsel der Menüs zum Sommer- und Winterflugplan. Saisonal bedingt gibt es bei Lufthansa noch spezielle Menüs wie das Spargelmenü im Frühjahr oder die Gans zur Weihnachtszeit. Für die regionalen Strecken – arabisch, koreanisch, chinesisch, pakistanisch und so weiter – werden noch mal gesondert Menüs entwickelt gemeinsam mit den Chefs der jeweiligen Region. Generell werden alle zwei Jahre neue Menüs entwickelt für alle Langstrecken.

Wie kann man sich hier die Zusammenarbeit zwischen den Köchen und Ihnen als Menüdesigner vorstellen?

Die Menüs werden von unseren Produktentwicklern konzipiert, aber natürlich in enger Abstimmung mit unseren Köchen und den Kollegen aus den Operations. Wir produzieren große Stückzahlen, und von daher müssen die Essen auch in der Massenfertigung funktionieren. In einer sogenannten Menüpräsentation werden schließlich die Mahlzeiten gemeinsam mit unseren Kunden – den Airlines – im Detail festgelegt. Da wird ganz genau austariert, wie viel Gramm Erbsen, Kartoffelpüree, Fleisch und wie viele Milliliter Soße ein Gericht haben wird. Schließlich muss ein Essen wie das andere aussehen.

Wie sind Sie eigentlich zum Flugzeugkoch geworden?

Durch einen früheren Arbeitskollegen bin ich mit dem Airline Catering in Kontakt gekommen und habe dann geplant, mir das mal für ein Jahr anzuschauen. Aus einem Jahr wurden mittlerweile 32 Jahre. Warum? Weil Airline Catering so wahnsinnig abwechslungsreich, international und interessant ist. Es bringt mir einfach viel Spaß.

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2 Kommentare

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  • Zitat: „Weil Airline Catering so wahnsinnig abwechslungsreich, international und interessant ist. Es bringt mir einfach viel Spaß.“

    Na, Hauptsache der Koch hat seine Freude. Wobei: 108 verschiedene Menüs pro Jahr schafft auch eine engagierte Hausfrau, denke ich.

    Mag schon sein, dass der Niederdruck im Flugzeug dafür sorgt, dass die Geruchs- und Geschmacksschwelle steigt und die Speisen nur wie durch eine Schnupfennase zu riechen sind. Verglichen mit dem eigentlichen Problem sind das aber Kleinigkeiten. Viel stärker leidet der „Spaß“ am Flugzeugessen daran, dass man keine echte Auswahl hat. Nichts kommt wirklich frisch aus der Pfanne oder aus dem Topf. Es wird möglichst „preiswert“ gekocht und alles muss einem gewissen Massengeschmack entsprechen, der auch bei freier Nase zu viel Fett, Zucker und Salz präferiert und von Fastfood und Ungesundem geprägt wurde.

    Wegen des Essens, jedenfalls, muss ich nicht fliegen. Da könnte ich ja gleich ins Krankenhaus gehen! Davon abgesehen kann ich Kurzstrecken auch mit der Bahn zurücklegen, da ist das Essen nicht sehr viel schlechter, wenn es denn überhaupt welches gibt. Nur das Autofahren hat auch hier wieder Vorteile. Die meisten Raststätten bieten inzwischen Frische-Buffets, von denen man sich selber bedienen kann. 80 unterschiedliche Kombinationen pro Jahr sind da jedenfalls locker drin.

    • @mowgli:

      Und was wollen Sie uns jetzt damit sagen? In der "Holzklasse" erwartet doch ohnehin niemand Sterneküche, aber das tut in der Kantine auch niemand. Aber wenigstens so einigermaßen sollte es schon schmecken! (Wobei ich aus eigener Erfahrung sagen muss, dass bspw. bei Turkish Airlines das Essen schon über dem Niveau der Durchschnittskantine ist) Nur: soll der Interviewpartner mit der Einstellung an seinen Job gehen?

      Achja: Inb4 "Fliegen ist ja sooooo böööööse!"