: Die Klima-Kommissarin
Warum von der Leyens Pläne im Kampf gegen die Erderwärmung ambitioniert, aber nicht neu sind
Von Ingo Arzt
Ursula von der Leyen machte in ihrer Rede vor dem Europaparlament klare Ansagen in Sachen Klimaschutz: „Ein Weiter-so gibt es nicht. Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts“, sagte die designierte Kommissionspräsidentin.
Stopp, kleiner Fehler. Das sagte Angela Merkel im Jahr 2007. Von der Leyen klingt 2019 aber ähnlich: „Unsere drängendste Herausforderung ist die Gesundheit unseres Planeten“, sagte sie. Das sei die größte Verantwortung und Chance unserer Zeit. Verantwortung und Chance, schon in dieser Kombination setzt von der Leyen auf die Erzählung des Wachstums durch Klimaschutz, die auch für die konservative EVP tragbar ist. „Green Deal for Europe“, nennt sie das. Klingt nach Aufbruch: In den USA kursiert der Begriff „Green New Deal“ seit 2007, jüngst wirbt die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez dafür.
Von der Leyens konkreten Pläne sind so wenig neu wie ihr Wording vom „Green Deal“. Ein Vorhaben allerdings hat es tatsächlich in sich: Eine CO2-Steuer an den EU-Grenzen. Zwar blieb völlig vage, wie das aussehen soll; aber die Idee dahinter ist es, aus Klimaschutz einen Wettbewerbsvorteil für die Industrie zu machen. Unternehmen außerhalb Europas müssten beim Export nach Europa an der Grenze eine Steuer entrichten, die umso höher ausfällt, je mehr CO2 sie bei der Produktion ihrer Güter emittiert haben. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Steuer bereits im September 2017 als „unerlässlich“.
Will von der Leyen die Grenzsteuer umsetzen, müsste sie die Regeln des Welthandels umkrempeln, vorhandene Freihandelsabkommen neu verhandeln; Europa müsste sich mit den USA und China anlegen. Möglicherweise hat von der Leyen mit der Carbon Border Tax also einfach ein nettes Buzzword aufgegriffen. Konkreter wurde sie bei Zielen bis 2030 und 2050. Stolz verkündete die bisherige Verteidigungsministerin, sie wolle Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Das freilich will die EU-Kommission bereits jetzt, ebenso wie Angela Merkel, das EU-Parlament und auch die meisten Mitgliedsstaaten wollen das. Polen hat einen entsprechenden Beschluss bisher blockiert. An das Land dürfte sich von der Leyens Ansage richten, sie wolle in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Plan zu Klimaneutralität ausarbeiten, mit bedeutenden Investitionen besonders in Osteuropa.
Umweltschutzverbände haben berechnet, dass die EU bis 2040 klimaneutral sein müsste, um ihren Beitrag dazu zu leisten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie im Vertrag von Paris gefordert. Von der Leyen verspricht außerdem, die Klimaziele der EU bis 2030 von 40 Prozent auf mindestens minus 50, wenn möglich gar auf minus 55 Prozent zu erhöhen, immer im Vergleich zu 1990.
Auch das allerdings ist nicht ihre Idee: Das forderte bereits das EU-Parlament im März diesen Jahres.
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