BERND PICKERT ÜBER DEN ABSCHLUSS DER US-PARTEITAGE: Wettbewerb der Märchen
Mit dem Ende des demokratischen Wahlparteitags in Charlotte ist nun die letzte heiße Phase des US-Wahlkampfes eingeleitet. In den nationalen Umfragen liegen Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney nahezu gleichauf. Beide Parteien haben versucht, mit den Parteitagen ihre Basis aufzuputschen und klare Unterschiede zu benennen. Bei beiden waren die stärksten Redner nicht die Kandidaten. Beide Kandidaten wiederum blieben konkrete Angaben schuldig, was sie wirklich tun und wie sie das finanzieren wollen. Und schließlich: Beide Parteitage haben im Wahlkampf keine Wende gebracht.
Die jeweilige Basis wähnt sich in einer Abwehrschlacht. Demokraten wollen verhindern, dass nur vier Jahre nach dem Ende der katastrophalen Bush-Präsidentschaft wiederum ein Republikaner die Macht übernimmt. Der nämlich schickt sich an, die wenigen Errungenschaften der Obama-Zeit rückgängig zu machen und wirtschaftlich das gleiche hohle Trickle-down-Modell zu übernehmen, was noch nirgendwo funktioniert hat.
Die Republikaner ihrerseits wollen die zweite Amtszeit eines Präsidenten verhindern, den sie für einen radikalen Linken halten, der – in den Worten von Actionstar Chuck Norris –„Amerika in tausend Jahre Dunkelheit stürzen“ könnte. Das ist Unsinn.
Die USA haben sich in den letzten Jahren als komplett reformunfähig erwiesen. Die Visionen, die Obama in seiner Rede in der Nacht zum Freitag ausbreitete, sind vernünftig. Aber die wechselseitige Blockade im Kongress wird weiterhin verhindern, dass irgendetwas davon umgesetzt wird. So bleibt beides Fiktion: Obamas Skizze von der solidarischen Gesellschaft genauso wie das Teufelsbild, das die Republikaner von ihm zeichnen.
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