Debatte um sexualisierte Gewalt: Zu Hause ist es am gefährlichsten
Es ist gut, dass gerade über sexualisierte Gewalt geredet wird. Doch die Anlässe dafür sind trügerisch. Die meisten Femizide geschehen in Beziehungen.
Der feuchte Traum von Feminist*innen ist jetzt Wirklichkeit: Es wird flächendeckend über sexualisierte Gewalt diskutiert. Allerdings machen das die einen, weil sie das Problem bekämpfen möchten, während es den anderen darum geht, Frauenfeindlichkeit für rassistische Zwecke zu missbrauchen sowie ihre eigene Misogynie unsichtbar zu machen: zwei Fliegen auf einen Schlag.
Gerade erst ist das Urteil gegen Ali B. gefallen, der die 14-jährige Susanna B. vergewaltigte und ermordete und nun lebenslänglich ins Gefängnis muss. Zwei anderen Fälle, die die Öffentlichkeit zurzeit einigermaßen beschäftigen, nämlich die Gruppenvergewaltigungen in Mülheim und Freiburg, kommen erst noch vor Gericht. Bei diesen Schreckensmeldungen mögen viele dazu neigen, die Gefahr lediglich in fremden Männern auf der Straße zu erkennen. Doch laut einer aktuellen UN-Studie ist das eigene Zuhause immer noch der gefährlichste Ort für Frauen, und zwar weltweit.
Demnach wurden 2017 rund 87.000 Frauen getötet, mehrheitlich von Männern in ihrer eigenen Familie. Auch aus der Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu „Partnerschaftsgewalt“ geht hervor, dass in Deutschland männliche Täter im selben Jahr 147 Frauen töteten, mit denen sie in einer Beziehung waren. Ein Viertel aller Frauen in Deutschland gaben an, mindestens einmal Gewalt in Partnerschaft erlebt zu haben. Davon erlitten 64 Prozent Körperverletzungen. Fast die Hälfte von diesen Betroffenen lebten im selben Haushalt mit dem Täter.
Seit der Reform des Sexualstrafrechts von 2016 reicht ein Nein aus, um eine Vergewaltigung als solche gelten zu lassen – keine Ausreden mehr. Das ist ein Lichtblick in der Bekämpfung der Vergewaltigungskultur und ermutigt Betroffene, anzuzeigen, weil ihre Chancen für Gerechtigkeit nicht mehr so gering scheinen. Dass die Zahl der Anzeigen seit 2017 steigt, muss also nicht unbedingt an mehr Taten liegen, sondern hat auch mit dieser Gesetzesänderung zu tun.
Gewalt gibt's auch in Liebesbeziehungen
Die flächendeckenden gesellschaftlichen Diskussionen weltweit über sexualisierte Gewalt sowie #MeToo führen auch zu einer wichtigen Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Problem. Das macht Mut.
Allerdings sollten wir auch viel mehr über Gewalt innerhalb von Liebesbeziehungen und Familien sprechen. Denn dort kommt es leider nach wie vor zu den meisten Femiziden.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass 64 Prozent der Frauen in Deutschland von ihrem Partner verletzt wurden. Diese Stelle ist nun korrigiert.
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