: „Von uns kommt Druck“
Sommerinterview I: Die Fraktionschefinnen der Linken, Sabine Boeddinghaus undCansu Özdemir, über die nächste Bürgerschaftswahl und die ewige Opposition der Linken
Interview Sven-Michael Veit und Katharina Gebauer
taz: Frau Boeddinghaus, Frau Özdemir, haben Sie sich Ihren Sommerurlaub redlich verdient?
Sabine Boeddinghaus: Ja, definitiv. Wir machen eine wichtige Arbeit und tragen eine große Verantwortung innerhalb und außerhalb des Parlaments. Wir sind Ansprechpartner für viele Menschen. Initiativen, in denen unsere Themen verankert sind, bestätigen das.
Aber in Ihren politischen Schwerpunkten, soziale Stadtentwicklung und Armutsbekämpfung, ist seit der letzten Wahl nichts besser geworden. Wofür ist Die Linke eigentlich da?
Cansu Özdemir: Wir sind in der Opposition eine wichtige Kraft. Wir sitzen nicht nur im Parlament, sondern sind auch in den Stadtteilen unterwegs, um wirklich vor Ort zu sein. Obwohl wir nicht in der Regierung sitzen, haben wir dennoch Erfolge zu verzeichnen: Die Linke ist bei G20 stark für die Grundrechte eingetreten. Dadurch haben wir die Perspektive der Demonstranten und Demonstrantinnen in das Parlament gebracht, die Grundrechtsverletzungen erlitten haben. Ein weiterer Erfolg ist der Mindestlohn von zwölf Euro für städtische Beschäftigte.
Den hat doch die SPD eingeführt. Unterm Strich: Sie reden viel, aber bewirken wenig.
Boeddinghaus: Aber von uns kommt der Druck! Wir setzen diese Themen immer wieder auf die Agenda und geben da nicht nach. Und das zeigt Wirkung, wie etwa in der Wohnungspolitik. Die Anfragen, die wir stellen, packt Rot-Grün wenig später von sich aus auf die Agenda, weil klar ist: Es muss in unsere Richtung gehen. Ganz konkret hat Die Linke es in Gesprächen mit Rot-Grün geschafft, dass es eine Enquetekommission zur Kinder- und Jugendhilfe gibt. Hier fehlt vielleicht die breite Wahrnehmung, aber für die Betroffenen, die Jugendämter und die Sozialverbände hat diese Kommission, die zwei Jahre lang mit viel Expertise gearbeitet hat, einen sehr hohen Wert. Das sollte nicht kleingeredet werden. Dadurch ist das Thema Armut sichtbar auf die Tagesordnung gekommen.
Kommen wir zum Klima: Haben Sie das Thema verpennt?
62, verheiratet, fünf Kinder.Die Erziehungswissenschaftlerin ist seit 2015 Abgeordnete der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. Seitdem ist sie auch Co-Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion und deren bildungspolitische Sprecherin. Von 2004 bis 2008 war sie Abgeordnete der SPD.
Boeddinghaus: Nein. Die Grünen werden mit diesem Thema wahrgenommen, weil Klima das Profil der Partei ist. Wenn die Grünen mitregieren, zeigt sich, dass ihre Klimapolitik nicht sehr glaubwürdig und überzeugend ist. Die Linke verknüpft Klimapolitik mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit, etwa mit der Forderung nach kostenfreier Mobilität. Wir machen sehr wohl glaubwürdige Vorschläge in der Klimapolitik und sind hier in Hamburg eine starke Kraft. Unsere letzte Forderung ist die Beschäftigung mit dem Hamburger Flughafen, Stichpunkte Kurzstreckenflüge und Luftreinhalteplan, aber auch das hat Rot-Grün abgeschmettert. Hamburgs Klimaziele werden verfehlt, Naturschutzverbände fordern auch für Hamburg einen Klimanotstand.
Für die WählerInnen sind die Grünen glaubwürdig genug, das sieht man am Wahlergebnis.
Boeddinghaus: Das hat weniger mit einer überzeugenden Politik zu tun. Die komplexen Zusammenhänge des Grünen-Hypes werden sich erst zeigen. In diesem Umfeld haben die Grünen momentan das Image einer Wohlfühlpartei, in dem sie sich gut aufgehoben fühlen. Sie müssen sich nun aber auch der Herausforderung durch die Wahl stellen und glaubwürdig nachlegen. In Eimsbüttel machen sie neue, breitere Fahrradwege und werden dort entsprechend gewählt, andere Stadtteile vernachlässigen sie allerdings.
Die Linke bekam bei den Bezirkswahlen 11, bei der Europawahl 7 Prozent – Triumphe sehen anders aus.
Özdemir: Bei den Bezirkswahlen haben wir Stimmen dazugewonnen. Sie sehen also, dass wir in den Stadtteilen gute Arbeit leisten, unsere Positionen bezüglich der Europawahl war vielen jedoch nicht klar. Deshalb haben wir bei der Europawahl nicht gut abgeschnitten.
Wann wird Die Linke in Hamburg denn regierungsfähig sein, um ihre Ziele umzusetzen?
Özdemir: In Berlin, wo Rot-Rot-Grün regiert, sieht man, wie wichtige sozialpolitische Maßnahmen wie der Mietendeckel umgesetzt werden können …
… und in Bremen wurde nun eine rot-grün-rote Koalition geschlossen. In anderen Städten kann Die Linke was erreichen, warum in Hamburg nicht?
Özdemir: In diesen Städten ist die Bereitschaft von SPD und Grünen da, wirklich etwas zu ändern. In Berlin war das der Mietendeckel, in Bremen nimmt man die Kinderarmut in den Fokus. Die Linke ist aber kein Mehrheitsbeschaffer, um bestehende Politik fortzusetzen.
Sollte Rot-Grün im nächsten Jahr bei der Bürgerschaftswahl keine Mehrheit mehr haben – hilft dann die Linke?
Boeddinghaus: Die Linke wird sich auf keinen Fall dafür hergeben, eine Politik zu unterstützen, die sie seit Jahren kritisiert. Damit würden wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren. Es liegt also daran, ob SPD und Grüne ernsthaft eine soziale und ökologische Politikwende wollen.
30, ledig, keine Kinder. Die Studentin der Politikwissenschaften ist seit 2011 Abgeordnete der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit 2015 ist sie Co-Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Selbst für Senatorensitze würden Sie das nicht ein bisschen lockerer sehen?
Boeddinghaus: Sicher nicht!
Werden Sie beide für eine Doppelspitze kandidieren?
Boeddinghaus: Uns macht die gemeinsame Arbeit sehr viel Spaß, da sind wir auf einer politischen Wellenlänge. Wir stellen unsere Kandidatur zur Verfügung, der Parteitag im Herbst entscheidet dann.
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