piwik no script img

„Wir müssen am Schluss obenauf sein“

Edmund Stoiber verschießt das Pulver der Union zu früh, findet Hessens CDU-Fraktionschef und Koch-Intimus Franz Josef Jung. Es gibt Vorbehalte im Westen gegen den Osten, sagt Koch, „nur dürfen wir als Politiker sie nicht schüren“

taz: Herr Jung, der Begriff Union entbehrt nicht der Ironie in diesen Tagen. Man schlägt vereint aufeinander ein, der CDU-Fraktionschef in Mecklenburg hat Edmund Stoiber zur unerwünschten Person erklärt. Was ist da schief gelaufen?

Franz Josef Jung: Missverständnisse, ganz viele Missverständnisse. Edmund Stoiber hat eindeutig Lafontaine und Gysi gemeint. Und das Thema ist doch auch brandaktuell! Am 13. August war der Jahrestag des Mauerbaus. Eine Linkspartei, die letztlich Nachfolger der Honecker-SED ist, hat kein Recht, Deutschland zu regieren. Genau darum geht es.

Pardon, das sind doch keine Missverständnisse. Edmund Stoiber und Günther Oettinger würdigen im Tagesrhythmus die Menschen aus dem Osten Deutschlands herab.

Unsinn. Die Union ist die Partei der Einheit. Deswegen sollten wir die Diskussion um Ost und West auch nicht künstlich ausweiten. Es muss uns als Union darum gehen, den Menschen zu zeigen, dass die rot-grüne Negativspirale gestoppt werden muss.

Gehört Hessen zu den Südstaaten, in denen der Verdruss über die Milliardentransfers in den Osten offensiv im Wahlkampf angesprochen wird?

Wir in Hessen machen uns dieses Thema nicht zu Eigen.

Aber ist es nicht so, dass selbst nach allen Dementis bei den Leuten im Westen etwas hängen bleibt – die sich aufregen, dass der Osten des Landes am Westtropf hängt?

Es gibt solche Stimmungslagen, keine Frage. Nur dürfen wir als Politiker sie nicht schüren.

In der Union wird derzeit um zwei Strategien gerungen. Zugespitzt gesagt: die Stoiber’sche Methode Angriff; und der Merkel’sche Schlafwagen zur Macht. Welche ist die richtige?

Es wäre falsch, Frau Merkel irgendetwas Einschläferndes zu unterstellen. Die CDU hat ein mutiges Wahlprogramm. Ich glaube, es hat noch nie so viel Mut zu unbequemen, aber wichtigen Aussagen gegeben. Denken Sie an die Gesundheitsprämie oder die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Nur müssen wir mit diesen Themen am Schluss des Wahlkampfs obenauf sein. Abgerechnet wird am 18. September.

Was heißt das?

Die Union hatte 14 Tage vor dem Wahltermin schon viele Wahlen gewonnen, aber nicht am Ende. Dorthin muss sich aber alles konzentrieren, anstatt das Pulver bereits jetzt zu verschießen. Deswegen werden wir auch keine Abschlusskundgebung haben, sondern bis zum Wahlabend für den Wechsel durcharbeiten.

Stoiber spaltet ja sogar die Union: Er macht Ministerpräsidenten wie Roland Koch an, dass sie zu viel Urlaub machen.

Da wissen Sie mehr als ich. Roland Koch ist bereits sehr aktiv im Wahlkampf, und das bundesweit. Er bringt vollen Einsatz – zum richtigen Zeitpunkt.

Welche Themen gehen unter, die für die Union wichtig sind?

Zum Beispiel die Frage, dass Europa eine wunderbare politische Idee ist. Die wir aber auf keinen Fall überfrachten sollten, indem wir die Türkei als Vollmitglied in die Europäische Union aufnehmen. Das ist eine Sorge der Menschen, die wir endlich offensiver aufgreifen sollten. Dazu kommt das Versagen der Bundesregierung beim Abbau der Arbeitslosigkeit. Unter dem Strich ist das Land unter Rot-Grün ärmer geworden.

Inzwischen verliert die Union sogar ihre Kernkompetenz Wirtschaft. Frau Merkel ist da nicht sattelfest bei brutto/netto. Und einen Wirtschaftsprofi gibt es im Kompetenzteam der Union auch nicht.

Ich habe gerade einen Wahlkampfauftritt von Angela Merkel in Kassel erlebt. Trotz strömenden Regens kamen da über 3.000 Menschen. Die kommende Kanzlerin der Bundesrepublik hat ihre Sache hervorragend gemacht. Das gilt auch künftig.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen