Nach Wedel-Berichterstattung: Betroffene im Streit mit der „Zeit“
Jany Tempel warf Regisseur Dieter Wedel in der „Zeit“ vor, sie vergewaltigt zu haben. Nun fordert sie von der Zeitung finanziellen Rückhalt ein.
Die Veröffentlichung des Zeit-Artikels befeuerte die Diskussion über Männer in Machtpositionen und sexuelle Übergriffe in Deutschland, weitere Frauen meldeten sich ebenfalls mit schweren Vorwürfen gegenüber dem Regisseur zu Wort. Zwar hatte die Zeit geschrieben, dass die Anschuldigungen verjährt seien. In Tempels Fall stellte sich das jedoch als falsch heraus. In der Folge nahm die Staatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen Wedel auf. Nun ist Tempels Anwalt Alexander Stevens gegen die Zeit vor Gericht gezogen und fordert von der Zeitung die anfallenden Kosten für das Verfahren ein.
Vergangene Woche wandte sich Tempel noch einmal an die Öffentlichkeit. Ihr offener Brief trägt den Titel „512 Tage Schweigen“. Darin berichtet sie, wie es ihr seit dem Gang in die Öffentlichkeit ergangen ist. Sie erzählt über Dankbarkeit für ihren Mut, aber auch über Angriffe. Über das nachlassende Interesse an den Betroffenen, die ihr Schweigen gebrochen haben, und über Fehler auf ihre Kosten. Insbesondere: Der Verjährungsfehler.
Doch nicht verjährt
Laut Zeit-Anwalt Jörg Nabert waren die Informationen über die Verjährung der Anschuldigungen auch lediglich zur Einordnung strafrechtlicher Vorwürfe im Artikel eingeholt worden. „Frau Tempel hat eine Verjährung nie als Bedingung kommuniziert. Es gab dazu auch keine Zusicherung und keine rechtliche Beratung. Die Zeit hatte da keine Fürsorgepflicht, weil Frau Tempel bereits von einem Anwalt betreut wurde“, erklärt Nabert gegenüber der taz.
Schon als Tempel sich erstmals an die Zeit wandte, habe sie das mit dem Rechtsbeistand getan. Im Ermittlungsverfahren gegen Wedel wird Tempel nun von Strafverteidiger Alexander Stevens unterstützt. Er sieht das anders und sagte der taz am Dienstag: „Sie hat in der Gewissheit, dass es wegen der Verjährung zu keinem Strafverfahren gegen Wedel mehr kommen kann, mit der Zeit zusammengearbeitet und auf diese Auskunft vertraut.“
Die Staatsanwaltschaft München nahm jedoch Ermittlungen gegen Wedel auf. Für Tempel bedeutete das: „All das, warum Betroffene eben doch lieber schweigen.“ So beschreibt sie die anstrengenden Anhörungen, den Schmerz, das Erfahrene immer wieder erzählen zu müssen, und das nicht immer wohlmeinende Interesse der Öffentlichkeit in ihrem Brief. Es bedeutete auch: Anwaltskosten für die Beratung durch Stevens. Rund 30.000 Euro für die bisher angefallene anwaltliche Beratung will Stevens von der Zeit einklagen.
Tempel hat ihm dafür ihren Anspruch abgetreten, tritt also nicht selbst als Klägerin auf. Das hat nicht nur den Zweck, sie aus Opferschutzgründen aus Gerichtssälen und Öffentlichkeit herauszuhalten, sondern heißt laut Stevens auch, dass Tempel auch dann nicht auf den Kosten sitzen bleibt, wenn die Zeitung die diese nicht ersetzen sollte. Was sie Stevens Ansicht nach aber müsste.
Streit um die Anwaltskosten
„Die Zeit hat Frau Tempel versichert, sie von etwaigen Ansprüchen von Herr Wedel wegen der Berichterstattung freizustellen und auch etwaige Anwalts- und Gerichtskosten zu übernehmen“, so Stevens. „Selbst wenn dabei nicht explizit von einem Strafverfahren gesprochen worden sein sollte, hat sie sich als juristische Laiin natürlich darauf verlassen, mit der Zeit im Rücken in jedem Fall anwaltlich abgesichert zu sein.“ Die Zeit dagegen will Tempel lediglich zugesichert haben, die Kosten für die Abwehr eines Unterlassungsanspruchs Wedels zu tragen.
Eine Kostenübernahme in einem Strafverfahren, von dem ja auch nicht ausgegangen worden war, ist nach Darstellung der Zeit nie vereinbart worden. Auch das zuständige Landgericht Hamburg befand den von Stevens vorgetragenen Anspruch vergangenen Freitag als nicht hinreichend begründet und setzte den Verkündungstermin für den 28. Juni an. Stevens hat nun zwei Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Nachdem er bisher nur auf Grundlage des Email-Schriftverkehrs zwischen Tempel und der Zeit argumentiert hatte, möchte er dazu nun auch die Aussage einer anonymen Zeugin anführen.
Wie Anwälte überhaupt übersehen konnten, dass Tempels Fall noch nicht verjährt war, ist allemal erstaunlich. Und es stellt sich die Frage nach der besondere Verantwortung der Zeitung gegenüber ihrer Informantin, die sich aus diesem Fehler und aus der Berichterstattung ergibt. Bei einem Strafverfahren anfallende Kosten zu übernehmen, so Nabert, komme für die Zeitung jedoch prinzipiell nicht in Frage.
Nabert erklärt: „Auch wenn es bei 24 Belastungszeuginnen unwahrscheinlich ist, wissen wir nicht, ob Wedel vielleicht unschuldig ist. Deshalb können wir uns auch nicht durch die Zahlung der Kosten für Tempel auf eine Seite schlagen.“ Stevens findet das paradox, immerhin sei die Zeitung ja auch bereit gewesen, Tempels Verteidigung gegen eine Klage Wedels zu bezahlen.
Ermittlungen gegen Wedel dauern an
Weil es in der Berichterstattung um unbewiesene Anschuldigungen ging, war die Zeit für die Veröffentlichung der Recherche auch kritisiert worden. Wedels eidesstattliche Versicherung steht der von Tempel und anderen Frauen gegenüber, so wurde es auch im Zeit-Artikel dargestellt. Stevens selbst hatte damals, unter anderem in einem Kommentar für den Stern, das Aussetzen der Unschuldsvermutung für Wedel kritisiert und Männerfeindlichkeit beklagt.
Ob es tatsächlich zu einem Prozess gegen Wedel kommen wird, ist noch offen. Wie die Münchner Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erklärte, dauern die Ermittlungen momentan noch an. Man gehe aber davon aus, sie noch dieses Jahr abzuschließen.
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