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Studie über Primark in Sri LankaHarte Arbeit für billige Mode

Die Bedingungen in manchen Zulieferfabriken von Primark sind schlechter, als der Textildiscounter verspricht. Das belegt eine aktuelle Studie.

Viel einkaufen für wenig Geld geht nur, wenn andere viel arbeiten für wenig Geld Foto: dpa

Berlin taz | Die Textilkette Primark ist ein Phänomen. Viele Kleidungsstücke kosten fast nichts. Da gibt es „schwarze Kleider“ für 8 Euro oder „schwarz-beige Schlüpfschuhe“ für 6 Euro. Gleichzeitig erklärt das Unternehmen mit Sitz im irischen Dublin: „Das Wohlergehen der Arbeitskräfte ist uns wichtig. Wir erwarten gerechte Löhne und sichere Arbeitsbedingungen.“ Dass niedrige Preise und hohe Sozialstandards nicht unbedingt zusammenpassen, zeigt nun eine neue Studie, die der taz vorliegt. Die fast ausschließlich weiblichen Arbeiterinnen in den Fabriken von Sri Lanka erhalten demnach höchstens bei extrem langen Arbeitszeiten ausreichend Lohn, um die Lebenshaltungskosten für Familien decken zu können.

Die Studie im Auftrag der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Münster erscheint zum 50-jährigen Jubiläum der Eröffnung der ersten Primark-Filiale in Irland. Untersucht wurden unter anderem die Arbeitsverhältnisse in mehreren Fabriken, in denen das Unternehmen fertigen lässt.

Während der staatliche Mindestlohn für Frauen in Sri Lanka knapp 80 Euro monatlich beträgt, bekommen die Arbeiterinnen in den Primark-Fabriken 100 oder 120 Euro. Allerdings liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Familien in Sri Lanka nach staatlichen Erhebungen bei rund 150 Euro monatlich, die gewerkschaftliche Organisation Asia Floor Wage Campaign nennt fast 300 Euro.

So viel müssten die Primark-Arbeiterinnen also eigentlich verdienen, um vernünftig leben zu können. „Ich würde diese Arbeit keinem empfehlen. Unsere Löhne sind so niedrig, wir können nicht einmal genug Lebensmittel kaufen“, berichtete eine der befragten Beschäftigten.

Wenn die Frauen trotzdem ausreichende Gehälter erzielen wollen, müssen sie laut Studie sehr lange Arbeitszeiten in Kauf nehmen. Einige würden 60 Stunden pro Woche schuften, wobei die maximale Beschäftigungszeit gesetzlich auf 57 Stunden beschränkt ist. Teilweise kommen auch bis zu 80 Stunden vor. „In keiner der untersuchten Fabriken wird der Verhaltenskodex eingehalten, den Primark seinen Herstellern auferlegt“, sagte Isabell Ullrich von der Christlichen Initiative Romero.

Unzureichende Bezahlung und zu lange Arbeitszeiten seien an der Tagesordnung, weil in den Fabriken meist keine Gewerkschaften aktiv sind, die die Interessen der Beschäftigten vertreten. Ein Unternehmenssprecher räumte „eine kleine Anzahl von Problemen an drei Standorten“ ein. Diese werde man angehen und die „Fortschritte überwachen“. Grundsätzlich seien die Arbeitsbedingungen aber okay.

Problemfall „schnelle Mode“

Ullrich macht für die Missstände unter anderem das Geschäftsmodell der „schnellen Mode“ („fast fashion“) verantwortlich. Primark bringt teilweise im Wochenrhythmus neue Kleidungsstücke heraus, um seiner jungen Kundschaft im schnellen Wechsel günstige Produkte anzubieten. Die entsprechenden Aufträge müssen die Lieferanten kurzfristig abarbeiten. Überstunden am Abend nach den regulären Schichten oder zusätzliche Einsätze an Wochenenden sind dann nötig. „Durch ihr Einkaufsverhalten entsteht eine kurzfristige und unstete Auftragslage in den Fabriken und hoher Zeit- und Preisdruck“, schreiben die Kritiker*innen.

Interessanterweise ist der Billiganbieter Primark Mitglied im Textilbündnis, das Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) initiierte. Neben Unternehmen wie Adidas, KiK oder Otto arbeiten darin Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und kritische Organisationen mit, darunter die Kampagne für Saubere Kleidung, der die Christliche Initiative Romero angehört. Unter dem Druck der Politik soll das Bündnis die Zustände in den Produktionsländern verbessern. Auch die langfristige Durchsetzung existenzsichernder Löhne gehört zu den Zielen. Von den versprochenen Verbesserungen ist bei den Beschäftigten der Fabriken in Asien, Afrika und Lateinamerika bisher allerdings fast nichts angekommen.

Primark ist auch Mitglied bei der Organisation Act, in der eine Gruppe globaler Konzerne wie H&M und Inditex mit dem internationalen Gewerkschaftsbund Industriall kooperiert. Ziel ist es, erstmals gemeinsame Tarifverhandlungen in einem Produktionsland – Kambodscha – zu führen. Wenn das funktioniert, könnten von diesem Mechanismus später auch die Beschäftigten in Sri Lanka profitieren.

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7 Kommentare

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  • Hat sich mal jemand gefragt, ob in Deutschland die zahnmedizinischen Fachangestellten (auch meist weiblich) eine Familie von ihrem Gehalt (1500-2200€brutto) ernähren könnten? Das könnten sie nicht! Trotz qualifizierter Ausbildung. Ist das nicht der größere Skandal?

  • Ich finde es großartig, welche Infrastruktur sich um diesen Klamottenberg gebildet hat: das Upcycling LAB. :)

    Der e.V.-Cradle To Cradle ist jährlich auf einer großen Messe in Berlin vertreten. Die Jungs und Mädels dort schaffen es mit ihrem Engagement, dass zB die Lufthansa zur Qualitätsverbesserung der Luft auf vollständig kompostiertbare Materialien und Farben gesetzt.

    Oder Nike, mit ihrem ersten vollständig kompostierbaren Turnschuh. Es geht, wenn man will.

    Hier findet ihr den e.V.: c2c-ev.de/

    Hier findet ihr die Messe/Kongress, zu der sich mal ein Blick lohnt: www.c2c-congress.org/

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    So richtig es ist sich Primark vorzuknöpfen, so falsch ist es die Firma zum Prügelknaben zu machen.

    Die anderen, die besseren, die hochpreisigeren Marken sind nicht besser:

    www.dandc.eu/de/ar...desch-oft-schlecht

    Das sehr oft an Primark das Exempel statuiert wird, hat etwas klassistisches.

    Primark bietet nicht nur Teenies die Möglichkeit ihr Taschengeld möglichst erfolgreich zu verbraten.

    Auch Flüchtlingen, Hartz-IV-Empfängern und anderen Armen, die nicht fünf Jahre auf ein Öko-Outfit sparen wollen oder können, haben hier die Chance, sich für kleines Geld so einzukleiden, dass man ihnen die Armut nicht ansieht.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Es ist schon richtig, dass sich Bevölkerungsschichten mit wenig Geld dort einkleiden können und das man so ihnen nicht die Armut ansieht. Da hat keiner der Betroffenen Lust drauf.



      Es ist aber eine bodenlose Unverschämtheit, dass dafür die arme Bevölkerung in den Herstellungsländern ausgebeutet wird. Bis zu 80 Stunden Arbeiten um auf einen Lohn zu kommen, der gerade mal so die Grundbedürfnisse deckt, ist Sklaverei! Mal davon abgesehen das die Kleidung von Primark absolut minderwertig und schnell nach ein paar mal waschen ausgeleiert ist. Also wieder los und neu kaufen. Das stört viele Leute überhaupt nicht, weil sie am liebsten ständig neue Outfits hätten. Die Armut bei uns, wird erträglicher für die Betroffenen gemacht in dem die Armen in den Herstellungsländern die in unerträglichen Verhältnissen leben, ausgebeutet werden. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt!!!!

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Andreas J:

        Natürlich sind die Zustände in den Fabriken in denen die Textilien hergestellt werden menschenverachtend.

        Ich wollte lediglich darauf aufmerksam machen, dass die Fahnenstange zwei Enden hat.

        Am einen Ende befinden sind Primark, kik und lidl. Und am anderen beispielsweise Boss und adidas.

        Die Schweinerei bleibt dieselbe. Egal oder der Pullover 5 oder 500 Euro kostet, ob der Sneaker drei oder vier Streifen hat.

  • Das passt zu dem Artikel, der vor ein paar Tagen im Berlin-Teil der taz zu lesen war, dass die Berliner Stadtmission unter Altkleiderspenden erstickt:



    www.taz.de/Sozialu...tkleider/!5596867/



    Unterhalb aller Standards produzierte Ware billig kaufen, zweimal tragen und dann "großzügig" spenden.

    Man kann mittlerweile viel Fair-Trade-Kleidung kaufen, sogar Sneaker, es gibt also keine Ausrede mehr. Ist halt teurer, aber dann muss man das Teil eben öfter tragen.

    Übrigens, Wolfgang Siedler: auch junge Männer kaufen gerne und unreflektiert bei Primark und Konsorten.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Danke für den Bericht. Es ist wichtig, die Zustände der Produktionsprozesse von Textilien immer wieder in unser Gedächtnis zu rufen. Primark bedient übrigens - statistisch hinterlegt - junge bis mittelalte europäische und amerikanische Frauen, die völlig unreflektiert auch noch das zehnte BilligschnäppchenwegwerfTshirt kaufen. Das ist deren Marktsegment.



    Auf Nachfrage (z. B. Markt in WDR/NDR 3) finden das fast alle befragten Kundinnen „echt beklemmend“ - und entschwanden dann mit den wundervollen Papiertüten in der City.