: Protest am Quds-Tag
In der City Westtrafen am Samstag zwei Demos aufeinander
An einer Kreuzung in der Berliner City West halten zwei Fahrradfahrer an. „Was ist das denn für eine angespannte Stimmung hier?“, fragt der eine. Besorgt schauen sie sich an, dann fahren sie weiter. Die Szene spielt am Samstagnachmittag zwischen zwei Demonstrationen, die sich unversöhnlich gegenüberstehen.
Auf der einen Seite der Radfahrer haben sich Hunderte Israelhasser zum sogenannten Al-Quds-Tag versammelt, an dem das iranische Regime jährlich zur „Eroberung Jerusalems“ aufruft. Sie schwenken palästinensische, iranische, syrische, libanesische und deutsche Flaggen und rufen „Free Palestine!“.
Auf der anderen Seite findet eine Gegendemonstration statt: Vor allem junge israelsolidarische Linke stehen dort, zeigen Israel-, Regenbogen- und Antifa-Fahnen und rufen „Lang lebe Israel!“. Viele Leute kennen sich, einige Gruppen sind extra aus anderen Städten angereist. Ungefähr 300 Menschen sind es insgesamt, während es auf der anderen Seite deutlich weniger geworden sind: „Über tausend“ Al-Quds-Tag-Teilnehmer zählt die Polizei, 2018 waren es noch 1.600 gewesen.
Immer wieder werden antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet: „Kindermörder Israel“, skandiert die Menge trotz entsprechendem Verbot in den Demonstrationsauflagen. Sogar Symbole von islamistischen Terrororganisationen werden gezeigt. Ein Mann hält stolz sein T-Shirt in die Kameras von Beobachtern. „Hamas – Al-Qassam Brigaden“ steht dort drauf. „Bruder“, bittet ihn ein Ordner, „zieh bitte dein Shirt aus, wir dürfen das leider nicht.“
Harter Job für die Polizei
Geht man vorab die Demoroute ab, fallen einem immer wieder Gruppen von jungen Antifaschisten auf, die sich am Straßenrand positioniert haben. Eine kleine Gruppe versucht sich sogar an einer Blockade. Sie haken sich ein und setzen sich auf die Straße, vor sich halten sie ein Transparent mit der Aufschrift „Individuelle Freiheit statt religiösem Wahn“. Sofort kommen über zehn Polizisten angerannt, nach weniger als einer Minute ist die Straße wieder frei. Insgesamt ist die Polizei mit 500 Einsatzkräften vor Ort, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu vermeiden. Dies gelingt auch, ist jedoch oft ein harter Job.
Ein paar hundert Meter weiter findet ein weiterer Gegenprotest statt. Ein bürgerliches Bündnis aus jüdischer Gemeinde, Deutsch-Israelischer Gesellschaft (DIG), der Kurdischen Gemeinde und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen hat zu einer Kundgebung aufgerufen. Hier ist es voller als üblich, über 800 Menschen sind vor Ort. Auf der Bühne werden Reden gehalten, unter anderem vom israelischen und amerikanischen Botschafter. Die erhöhte Aufmerksamkeit ist auch auf eine erneute Diskussion über die Sicherheit deutscher Juden zurückzuführen, die in den Tagen zuvor geführt wurde. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte Juden geraten, in Deutschland nicht jederzeit und überall eine Kippa zu tragen.
Frederik Schindler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen