Regierungsbildung in Bremen: Die Keks-Connection
Nach der Bürgerschaftswahl in Bremen haben die Grünen die Spitzenkandidaten von CDU und SPD zu ersten Sondierungsgesprächen getroffen.
Nachdem die SPD eine große Koalition von vornherein ausgeschlossen hat, sind in Bremen nach der Bürgerschaftswahl vom vergangenen Sonntag rechnerisch zwei Dreierbündnisse möglich. einerseits Rot-Grün-Rot, andererseits „Jamaika“, also CDU-Grüne-FDP.
Man habe „ja schon im Wahlkampf viele Gemeinsamkeiten festgestellt“, floskelte die Grünen-Frontfrau Maike Schaefer am Mittwoch, „aber auch viele Unterschiede“ – und darüber „konstruktiv gesprochen“. Ähnlich inhaltlich auch die Aussagen am Himmelfahrtstag: Begonnen hatten die Parteien mit dem wechselseitigen Abtasten bereits aufgrund der von den Hochrechnungen prognostizierten Resultaten.
Wegen der komplizierten Auszählung lag am 30. Mai nur ein vorläufiges Ergebnis vor. Bei den für eine Senatsbildung bedeutenden Fragen gab es seit der Montagnachmittag veröffentlichten letzten Hochrechnung keine nennenswerten Abweichungen mehr. Vor allem war schon klar, dass die FDP mit 5,95 Prozent den Wiedereinzug ins Parlament schaffen würde. Alleine nämlich hätte ein schwarz-grünes Bündnis kaum eine Sitzmehrheit zusammenbekommen – und die Vollkornkekse hätten in der Dose bleiben können.
Ebenso war bereits klar gewesen, dass die SPD in ihrer einstigen Hochburg mit mehr als acht Prozentpunkten Verlust im Vergleich zur letzten Bürgerschaftswahl nur als zweiter Sieger hinter der CDU landen würde: Stand Donnerstag, 18.15 Uhr, hat die SPD magere 24,94 Prozent gegenüber auch nicht üppigen 26,66 Prozent der Union. Die größten Schwankungen gab es beim Linken-Ergebnis, das nicht in allen Hochrechnungen zweistellig modelliert worden war: Am Abend kamen die Linken auf 11,32 Prozent. Auch die AfD dürfte sicher ins Parlament gelangen: Sie lag zuletzt bei 6,13 Prozent.
Schon früh hatte sich hingegen das am Wahlabend noch frenetisch bejubelte Grünen-Landesergebnis von 17,6 Prozent abgezeichnet, aus dem am Donnerstagabend 17,42 Prozent geworden waren: Dass es für die Partei reichen würde, um sich als Senatsmacherin zu gerieren, stand also fest. Nüchternen Beobachtern war aber auch da schon klar, dass die Differenz zum Bundestrend, zu den Resultaten in anderen Städten und zum Europawahl-Ergebnis zu groß sein dürfte, um nicht auch ins Grübeln zu geraten: In Hannover und in Hamburg sind die Grünen schließlich stärkste Kraft geworden. Und mit 22,7 Prozent waren die Grünen bei der Europawahl auch im Lande Bremen noch auf Platz zwei gelandet, knapp hinter Sozialdemokraten mit 24,5 und noch vor der CDU mit 21,9.
Klar, mitregieren kostet meist Zustimmung – gerade wenn ein aus dem Lot geratener Haushalt zu regulieren ist: Bremen dürfte das einzige Bundesland sein, in dem der Rechnungshof fehlende Investitionen und den Sanierungsstau angemahnt hatte. Bremerhavens Stadtregierung hingegen ist eine große Koalition, und entsprechend haben die Grünen dort bei der Bürgerschaftswahl rund dreimal so viel zugelegt wie in Bremen-Stadt. Andererseits: Die Europawahl-Stimmen müssen ja auch irgendwohin verschwunden sein. Und tatsächlich haben sowohl CDU als auch Linke bei der Bürgerschaftswahl besser abgeschnitten als bei der zum Europaparlament. Wer von beiden hat den Grünen da die Streusel vom Kuchen geklaut? Hätte eine Koalitionsaussage in die eine oder die andere Richtung diese Wählerwanderung verhindert?
Darüber gibt es keine Erhebung. Und die Mischungen der Parteipräferenzen in den Wahlbüchern – in Bremen haben alle Wahlberechtigten fünf Stimmen, die sie frei auf Listen und KandidatInnen verteilen können – gehören zu den Analysen, die erst nach Pfingsten vorliegen werden.
Beide wären hilfreich, wenn es bei Koalitionsfragen wirklich um so etwas wie den Wählerwillen gehen würde, ein reichlich leerer Begriff: In Wirklichkeit geht es eher um den Willen zur Mehrheit, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und vor allem die Befindlichkeit des Spitzenpersonals: Angesichts des Wahlkampfflirts mit der Union hatte die Grünen-Spitzenkandidatin bereits den Spitznamen Jamaike Schaefer verpasst bekommen. Spätestens beim taz Salon zur Wahl waren die Differenzen zwischen Rot-Rot und Grün offen ausgebrochen.
Trotzdem: „Mein Herz schlägt links“, hatte Schaefer danach im Interview betont. Ob Rot-Grün-Rot möglich sei, hänge „insbesondere daran, ob die Linke in der harten Realität begrenzter Mittel ankommen will und ob ein wirksamer Klimaschutz für sie mehr als nur ein wahltaktisches Lippenbekenntnis ist“.
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