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Die Kluft in Belgiens Politikwird wohl noch tiefer

Bei den Parlamentswahlen in Belgien deutet sich eine Rückkehr des Vlaams Belang an. Die Rechtsextremen legen in Flandern stark zu. Weil die Wallonie nach links tendiert, wird eine gemeinsame Regierung äußerst schwierig

Die ohnehin komplizierte Regierungsbildung könnte nach diesen Wahlen noch einmal komplizierter werden

Von Tobias Müller, afp

Bei den Parlamentswahlen in Belgien zeichnet sich eine deutliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse ab. Nach den ersten Ergebnissen wird die flämisch- nationalistische Partei N-VA erneut die stärkste Kraft, wird allerdings wohl unterhalb der angestrebten 30 Prozent liegen. Dahinter folgt der rechtsextreme Vlaams Belang, ein Bündnispartner der europäischen Nationalisten-Fraktion um Marine Le Pen vom Rassemblement National (früher Front National) und Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega. Mit gut 20 Prozent der Stimmen auf flämischer Seite winkt ihm ein Zuwachs um 15 Prozent im Vergleich zu 2014.

Auch die Regionalparlamente in Flandern, der Wallonie, der Hauptstadtregion Brüssel und das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurden am Sonntag neu gewählt. Für gut acht Millionen Belgier besteht Wahlpflicht. Hochrechnungen verzögerten sich, die meisten Angaben lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Die Prognosen sahen die flämische Nationalisten-Partei N-VA im Norden zuvor weit vorne. Auch im landesweiten Vergleich würden die bürgerlichen Nationalisten die meisten Abgeordneten nach Brüssel schicken. Dennoch drohten im Vergleich zu 2014 Stimmverluste, vornehmlich an die Konkurrenz rechts außen: Die rechtsextreme Partei Vlaams Belang könnte deutlich zulegen – Umfragen zufolge auf satte 15 Prozent der Stimmen in Flandern.

In der französischsprachigen Wallonie und in der Hauptstadtregion Brüssel spielen rechte Parteien hingegen kaum eine Rolle. Sozialisten, Liberale und Zentrumspolitiker haben dort seit 2014 ebenfalls Zuspruch eingebüßt, jedoch zugunsten von Kommunisten und Grünen. Letztere könnten landesweit als große Gewinner aus der Wahl hervorgehen. In der Hauptstadtregion lagen die Umweltschützer in Umfragen zuletzt sogar an erster Stelle.

Die politische Landschaft in Belgien ist unter anderem wegen der sprachlichen Unterschiede stark fragmentiert. Fast alle Parteien beschränken sich auf ihr jeweiliges Sprachgebiet.

Die Grünen hatten angekündigt, nach der Wahl erstmals eine zweisprachige Fraktion im Parlament zu bilden. Gemäß der aktuellen Umfragewerte würde dann nur die N-VA über mehr Abgeordnete verfügen. Weil die flämischen Nationalisten und die Grünen eine Zusammenarbeit miteinander ausgeschlossen haben, reduziert sich die Zahl der denkbaren Regierungskonstellationen dadurch erheblich.

Unter anderem hatte der amtierende Ministerpräsident, der wallonische Liberale Charles Michel, für eine Neuauflage seiner ursprünglichen Regierungskoalition mit den Nationalisten der N-VA sowie den flämischen Liberalen und Christdemokraten geworben. Allerdings war dieses Vierer-Bündnis erst im Dezember am Streit um den UN-Migrationspakt zerbrochen.

Wegen ihrer plötzlichen und kompromisslosen Ablehnung des nicht bindenden UN-Vertrags war die N-VA allgemein für diesen Bruch verantwortlich gemacht worden. Für eine Mitte-rechts-Regierung wird an den Flamen aber kein Weg vorbeiführen. Den aktuellen Prognosen zufolge wäre allerdings mindestens eine weitere Partei für eine derartige Konstellation nötig, wobei der rechtsextreme Vlaams Belang dafür nicht in Frage kommt.

Zudem hat die N-VA, die in ihrem Grundsatzprogramm weiterhin die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien anstrebt, erstmals Anspruch auf den Posten des Regierungschefs erhoben. Der ehemalige Innenminister Jan Jambon, der in Sachen Abspaltung als Hardliner gilt, strebt offiziell die Nachfolge Michels an. Einen Separatisten als obersten politischen Vertreter des ganzen Landes können sich aber selbst die Flamen Umfragen zufolge mehrheitlich nicht vorstellen.

Links der Mitte hat sich der wallonische Sozialist und ehemalige Regierungschef Elio di Rupo in Stellung gebracht. Er will eine „möglichst progressive“ Koalition schmieden.

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