Kommentar von Heike Holdinghausen über den Hype ums Plastik: Die Alternativen sind oft nicht besser
Abfall ist zurzeit eines der großen Themen, es hält uns nachhaltig beschäftigt. Seit dem ersten erdölgetriebenen Konsumrausch in den 60er Jahren bewegt sich dieser Diskurs in Wellen durch die Republik. Aufgeregte Warnungen, wir würden im Müll ersticken, wechseln sich mit der entspannten Erzählung ab, Abfall sei jetzt Rohstoff und das Problem gelöst.
Welche Früchte wird der gegenwärtige Antiplastikhype tragen? Aktivitäten gibt es reichlich, Regulierungen ebenso, wie auch Kampagnen und Berichterstattung – der Antiplastikhype passt in den Zeitgeist. Politikerinnen und Politiker können sich als effektive Problemlöser zeigen, die Umweltverbände ihre Relevanz beweisen. Und anders als Klima- oder Artenschutz, die den Einzelnen mit ihrer Komplexität überfordern und häufig mit einer Empfindung der Ohnmacht zurücklassen, bietet Plastikmüll für die Verbraucher konkrete Handlungsmöglichkeiten. So lehrt es die Umweltpädagogik.
Nun ist es wirklich nicht schlecht, wenn ein Umweltthema es in den Bundestag, in die Nachrichtensendungen oder in die Projektwochen der Schulen schafft. Aber es ist fraglich, ob der derzeitige Plastikdiskurs die Welt wirklich besser macht.
Denn die infrage kommenden Alternativen, seien es Bambus, Papier oder all die Neuheiten aus Unkraut oder sonst welchen biogenen Stoffen, die das Plastik in massenhaft konsumierten Produkten ersetzen sollen, erweisen sich bei näherer Prüfung häufig nicht als nachhaltiger. Manchmal sind sie sogar schlechter.
Für die so schön ermächtigten Verbraucherinnen und Verbraucher ist das kaum überschaubar; die Umweltverbände geraten mit ihren Kampagnen für generelle Konsumvermeidung unter Griesgram-Verdacht. Und die Politik landet bei unerfreulichen Themen wie einer Ressourcensteuer und konsequenter Abfallvermeidung. Das klingt weniger nach smartem Management und mehr nach „verteuern“ und „verbieten“.
Bleibt am Ende aber die Hoffnung: Die Zeiten der Aufregung waren politisch häufig fruchtbar, sie brachten die Abfallgesetze oder das Ende der Müllkippe. Vielleicht verschafft uns der Hype um das Plastik jetzt den Einstieg in ein wirklich nachhaltiges Wirtschaften.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen