Ominöses Schreiben zu Uranfabrik: Atom-Gutachter bleibt Phantom
Der Umweltausschuss hatte gefordert, die Existenz des Autors einer fragwürdigen Stellungnahme zu belegen. Daraus wird nichts.
Damit wird ein Skandal, der den Ausschuss seit einem halben Jahr beschäftigt, vermutlich nie aufgeklärt. Kronenberg hatte im Oktober ein angeblich vom US-Atomwissenschaftler Panto verfasstes Schreiben an das Gremium geschickt. Darin wurde einem anderen Gutachten widersprochen, das die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) an den Ausschuss geschickt hatte. ICAN hatte gewarnt, das Uran aus Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau könnte auch militärisch genutzt werden. Die dort verwendete Zentrifugentechnologie sei „auch geeignet, atomwaffenfähiges Material herzustellen“, so die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation.
„Panto“ konterte nur wenige Stunden später, die Warnung von ICAN Deutschland sei sachlich falsch. Auch die Chefin von ICAN International, Beatrice Fihn, habe sich ihm gegenüber davon distanziert. Fihn bestreitet das. Schnell kamen deshalb Zweifel an der Existenz des Urhebers „Panto“ auf: So fand die taz trotz intensiver Recherchen keinerlei wissenschaftliche Veröffentlichungen des angeblichen Atomexperten.
Bei der IAEA gibt es keine Unterlagen über Panto
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), bei der er als Inspektor gearbeitet haben soll, teilte mit, dort gebe es keinerlei Unterlagen über einen Mitarbeiter namens Panto. Und an der im Briefkopf der Stellungnahme an den Bundestag genannten Adresse im US-Bundesstaat Tennessee hat nie ein Panto gewohnt.
Der ehemalige Urenco-Mitarbeiter Kronenberg, der zunächst selbst als Experte für die AfD auftreten sollte, steht deshalb im Verdacht, den US-Wissenschaftler erfunden und das Schreiben selbst verfasst zu haben. Als Konsequenz hatte die Vorsitzende des Umweltausschusses, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne), Kronenberg schriftlich aufgefordert, „verifizierbare Belege für die Existenz des Dr. Panto“ vorzulegen.
Sylvia Kotting-Uhl, Grüne
Doch die bleibt dieser in seiner siebenseitigen Stellungnahme an den Ausschuss schuldig. Mails und Telefonnachweise seien „leider“ gelöscht, reisefähig sei Panto nicht – und aus Datenschutzgründen könne er auch keine Ausweiskopie oder „Social Security Number“ von Panto zur Verfügung stellen, schreibt Kronenberg – der zudem keinen Anlass dafür sieht: „Ich frage mich aber ohnehin, warum er hier etwas beweisen soll.“ Kotting-Uhl sieht sich damit in ihren Zweifeln bestätigt: „Das Phantom Panto entstammt wohl dem Reich der Sagen und Legenden“, sagte sie der taz.
Seine Ankündigung, rechtlich gegen die Berichterstattung der taz vorgehen zu wollen, hat Kronenberg nicht umgesetzt. Stattdessen beschimpft er die Autoren nun in seinem Schreiben und stellt – ohne jeden Beleg – deren Recherchen in Frage. Auch die Ausschuss-Vorsitzende Kotting-Uhl greift er an. Ihr Büro habe mit der Weitergabe von Informationen an die taz gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, behauptet Kronenberg.
Zudem wirft er ihr vor, sie wolle mit „Panto“ einen „Experten diskreteren“ (sic!) – und beschimpft ihre Partei. „Nachdem die Grünen die weltweit führende Atomindustrie kaputt gemacht haben, versuchen sie nun die deutsche Autoindustrie kaputt zu machen“, schreibt Kronenberg. Er selbst empfiehlt dem Bundestag stattdessen, den Atomausstieg umzukehren. Durch das Abschalten der „fantastischen Reaktoren“ werde „Volksvermögen“ vernichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein