Sri Lanka diskutiert Konsequenzen: Anschläge werden Wahlkampfthema
Nach den Selbstmordangriffen mit Hunderten Toten warnt Sri Lanka vor neuen Anschlägen. Politiker lasten ihren Gegnern Versäumnisse an.
Am Vorabend hatte Staatspräsident Maithripala Sirisena in einer Fernsehansprache verkündet, die Führungen der Polizei und anderer Sicherheitskräfte schnell auszutauschen, nachdem Warnungen des indischen Geheimdienstes und des stellvertretenden Polizeichefs vor Anschlägen auf Kirchen und andere Ziele nicht weitergeben worden seien.
Sirisena ist zugleich Verteidigungsminister und behauptete, auch selbst keine Warnungen erhalten zu haben. Manche Beobachter halten dies aber für sehr unwahrscheinlich. Zuvor hatte bereits Premierminister Ranil Wickremesinghe gesagt, die Warnungen nicht erhalten zu haben. Präsident und Premier sind politisch und inzwischen auch persönlich verfeindet. Im Oktober hatte Präsident Sirisena über Wochen vergeblich versucht, Wickremesinghe zu entlassen. Da bis Jahresende 2019 ein neuer Präsident gewählt werden muss, treffen die Anschläge jetzt ein Land im Vorwahlkampf und auf Politiker, die offensichtliche Versäumnisse möglichst ihren Gegnern anlasten wollen.
Acht Personen vor IS-Flagge
Vizeverteidigungsminister Wijewardene bezeichnete es am Mittwoch als „großen Fehler“, dass wichtige Informationen über islamistische Attentatspläne nicht weitergegeben worden seien. 58 Verdächtige seien inzwischen im Zusammenhang mit den Anschlägen festgenommen worden. Wijewardene machte auch einige Angaben über die mutmaßlichen Attentäter. Demnach sprengten sich neun Personen, acht Männer und eine Frau, am Sonntag in drei Kirchen und drei Luxushotels, in einem Wohnviertel und in einem Gasthaus in die Luft. Sie sollen bis auf eine Person identifiziert worden sein, stammten alle aus verschiedenen Regionen Sri Lankas und gehörten der oberen, gebildeten Mittelschicht an. Einer soll in Großbritannien und Australien studiert haben. Über Verbindungen zur Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) sei den Behörden nichts bekannt.
Am Dienstag hatte der IS die Anschläge für sich reklamiert. Eine mögliche Verbindung der von den Behörden beschuldigten lokalen Gruppe National Thowheed Jamath (NTJ) zum IS wird nach Regierungsangaben untersucht. Inzwischen publizierte der IS ein Foto, das acht Personen vor einer IS-Flagge zeigt und vor den Anschlägen aufgenommen worden sein soll. Bis auf eine Person, die eine Kalaschnikow hält und nach sri-lankischen Medienberichten den radikalislamischen Prediger Zahran Hashim zeigen soll, sind alle vermummt. Hashim gilt als Führer der 2014 gegründeten Gruppe NJT, stammt aus der Stadt Batticaloa und ist auch als Mohamaed Zahran oder Moulavi Hasmin bekannt.
Über einen Ableger des IS in Sri Lanka war den Behörden bislang nichts bekannt. Sie wussten aber sehr wohl, dass eine verhältnismäßig kleine Gruppe lokaler Muslime zur Unterstützung des IS nach Syrien gezogen war. Die meisten von ihnen sollen dort bei Kämpfen getötet worden sein. Die Regierung traut der beschuldigten Gruppe NJT nicht zu, die komplexen Anschläge ohne auswärtige Unterstützung durchgeführt zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes