: „Die Ausgrenzung ist alltäglich“
Aaron ist ein Trans*-Mann, Aktivist und heißt im wahren Leben anders. Unserem Autor, einem cis-schwulen Mann, berichtet er von Ausgrenzungserfahrungen in der queeren Community, deren Räume beide nutzen
Protokoll Cornelius Runtsch
Ich bin 21 Jahre alt und Auszubildender im zweiten Ausbildungsjahr hier in Bremen. Durch meinen Beruf bewege ich mich hauptsächlich als Trans*-Mann in der cis-heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. In meiner Freizeit halte ich mich hauptsächlich in queeren Räumen auf, vor allem in denen der Trans*- und Enby-Community.
Ursprünglich komme ich aus einer Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Als ich 16 Jahre alt war, bin ich zum ersten Mal mit der queeren Szene in Berührung gekommen. Das erfolgte aber hauptsächlich über die linke Szene, in der ich mich zu dieser Zeit politisiert hatte. Dies war auch die Zeit meines „Coming-ins“, also die Zeit, in der ich gemerkt habe, dass ich irgendwie nicht hetero bin und auch nicht das Geschlecht erfülle, das mir bei der Geburt zugeteilt wurde.
In meiner Heimatstadt bin ich auch das erste Mal zu einer Beratungsstelle gegangen, die vornehmlich schwul-lesbisch geprägt war. Diese Erfahrung war vermutlich mein erster Community-Kontakt, und sie war sehr positiv. Mit 17 Jahren habe ich mich dann in meinem linken und queeren Freund*innenkreis als trans* geoutet. Als ich allerdings dann auch anfing, auf queere Partys oder auf CSDs zu gehen, kam es zunehmend auch zu unangenehmen und ausgrenzenden Erfahrungen.
Viele haben es beispielsweise nicht hinbekommen, mich mit meinem neuen Namen und den männlichen Pronomen anzusprechen. Das war sehr ernüchternd für mich. Vieles hat aber auch damit zu tun, wie Cis-Personen mich lesen und welches Geschlecht sie auf mich projizieren. Als ich beispielsweise mit Hormonen angefangen hatte und dann meine Stimme tiefer wurde und sich mein Äußeres veränderte, war es auf einmal viel einfacher für die Leute, „er“ zu benutzen.
Letztlich bestand aber auch zu Teilen ein großer Unwille, sich an meinen neuen Namen und die neuen Pronomen zu gewöhnen, und viele „misgenderten“ mich einfach, ohne groß darüber nachzudenken.
Queere Partys sind nochmal ein Thema für sich. Ich gehe grundsätzlich kaum auf große, kommerzielle Gaypartys, weil das nicht Teil meiner persönlichen Szene ist. Manchmal bin ich aber doch auf Soli-Partys, die sehr schwul-lesbisch gecodet sind. Die Probleme sind dort eigentlich immer die selben: eine schwierige Toilettensituation aufgrund von eindeutig bezeichneten Räumen für sogenannte Männer und Frauen und eine generelle trans*feindliche und cis-sexistische Stimmung, die ich durch Gesprächsfetzen aufschnappe.
Ich frage mich da immer, was solche Leute auf einer queeren Party eigentlich zu suchen habe. Außerdem beschleicht mich dann auch oft eine Angst, was wäre, wenn mir auf diesen Partys etwas unangenehmes passieren würde. Könnte ich dann die Organisator*innen ansprechen? Sind sie sensibilisiert genug?
Meine prägendste Erfahrung in der queeren Community war mit einem älteren, cis-schwulen Typ in einer Bar, der mitbekommen hatte, dass ich ein Trans*-Mann bin. Zuerst fing er an, mich anzubaggern, womit ich mich schon grundsätzlich unwohl fühlte. Dass ich versuchte, ihm mein Desinteresse zu signalisieren, interessierte ihn auch nicht. Schnell wurde dann klar, dass er mich als Fetisch gesehen hatte. So sagte er mir zum Beispiel, dass er super scharf drauf sei, seinen Schwanz mal in eine Vagina zu stecken – aber eben bei einem Mann wie mir. Der war total auf dieses „eine Loch“ versessen.
Leider ist diese Form der Ausgrenzung durch Cis-Personen in der LGBTIQ-Community eher der unangenehme Regelfall als die Ausnahme. Heutzutage bin ich selbst in der Situation, dass ich als Cis-Mann gelesen werde, bin also in einem Modus den wir „Stealth“, also „Schleichmodus“ nennen. Deswegen reden auch viele Schwule, Lesben und Bisexuelle aus dem Mainstream in meiner Anwesenheit ganz frei von der Leber weg, und ich bekomme mit, was alles gesagt und gedacht wird.
Manchmal ist die Ausgrenzung ganz offen trans*feindlich, manchmal ist sie einfach unreflektiert und gar nicht böse gemeint, und manchmal ist sie sehr subtil. Im Großen und Ganzen begreife ich die Ausgrenzung von uns Trans*-Personen innerhalb der LGBTIQ-Community als strukturell.
Meiner Erfahrung nach gibt es auch Unterschiede, wie lesbisch-bisexuelle Frauen und schwul-bisexuelle Männer mich ausgrenzen. Bei letzteren ist eine eindeutige Fixierung auf einen Cis-Penis vorherrschend, also die Frage, ob ein Mann wie ich einen Penis oder eine Vagina hat. Durch die starke Sexualisierung der schwul-bisexuellen Community werde ich als Trans*-Mann, der keinen „richtigen“ Cis-Penis besitzt, als nicht vollwertig angesehen.
Lesbisch-bisexuelle Frauen können auf eine akademische, radikalfeministische Art ausgrenzend sein. So wurde mir beispielsweise schon an den Kopf geworfen, dass ich lediglich ein Trans*-Mann sei, weil ich mir die männlichen Privilegien der patriarchalen Gesellschaft erschleichen wolle und dadurch das Frausein an sich verraten hätte.
Es gibt allerdings auch strukturelle Ausgrenzungen unter Trans*- und Enby-Menschen selbst. Viele dieser Menschen haben den ansozialisierten Cis-Sexismus sehr internalisiert und verhalten sich auch dementsprechend. Ich persönlich finde das scheiße, und deswegen vertrete ich andere Politiken und gehe in Solidarität mit all meinen Trans*-Geschwistern.
Es gibt aber eben auch die anderen Trans*-Menschen, die diesen Cis-Sexismus nicht hinterfragen und sich diesem Narrativ hingeben. Diese Menschen grenzen dann auch andere Trans*-Personen aus, die cis-normative Geschlechterrollen nicht erfüllen können oder wollen. Enbys müssen sich zusätzlich noch den Vorwurf gefallen lassen, nur „Transtrender“, also keine „richtigen“ Trans*-Personen zu sein.
Man fragt sich vielleicht nun, was denn das Problem ist, dass lesbische, schwule und bisexuelle Person mit uns Trans*-Menschen haben? Ich würde sagen, dass der Knackpunkt die Cis-Norm ist – also dass Cis-Geschlechtlichkeit „normal“ ist, und Trans*-Geschlechtlichkeit die Abweichung davon. Da fehlt einfach in der Community das Bewusstsein, dass trans* sein etwas ganz Natürliches ist.
Deswegen ist der Themenkomplex „Trans*feindlichkeit“ ein allgemeines Cis-Problem und kein dezidiert queeres Problem. Die meisten ausgrenzenden Kommentare und Anfeindungen kann man sowohl in der cis-heteronormativen Mehrheitsgesellschaft als auch in der cis-queeren Community hören. Allerdings gibt es eben auch Fälle, die ganz spezifisch in der LGBTIQ-Community auftreten.
Am Ende des Tages würde ich mich aber immer noch lieber im lesbisch-schwulen Mainstream aufhalten als in der cis-heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. Ich würde mich allerdings freuen, wenn im lesbisch-schwulen Mainstream Trans*-Menschen mehr mitgedacht werden würden. Gerade wenn es um Trans*-Themen gehen soll, ist es unerlässlich, dass unsere Organisationen mit eingebunden werden und dass mit uns und nicht über uns geredet wird. So kann man vielleicht auch auf lange Sicht der strukturellen Trans*feindlichkeit in der queeren Community etwas entgegensetzen.
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