: Die Alten lassen die Jungen im Stich
Mit leuchtenden Wangen hält sie das Anti-Atomkraft-Schild in die Höhe, in der Hand der Jutebeutel statt der Plastiktüte. Sie studiert einen „Männerberuf“, sagt sie, und heiraten wird sie spät oder nie. Das war vor 30 Jahren.
Heute steht wieder eine junge Generation auf der Straße. Leider können die Erwachsenen nicht dazukommen. „Ich finde das schon gut, aber“, heißt es. Doch Familie, Beruf und Haushalt halten sie gefangen, bis es kein Zurück mehr gibt. Manch ein CDU-Politiker mag in Melancholie versinken und an die eigene „wilde Jugend“ denken, wenn er die „Fridays For Future“-Demonstrationen sieht. Vergessen scheint aber, wie unfair es schien, dass alle, die die Macht haben etwas zu ändern, weit weg sind – räumlich, geistig und altersmäßig.
Vergessen scheint auch, dass die Forderungen, die damals gestellt wurden, genauso wenig eine Laune waren wie heute. Dass sie radikal klingen mögen, ist wohl dem geschuldet, dass die Erwachsenen lange nichts getan haben, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Doch statt sich der Forderungen anzunehmen, diskutiert man im Bundestag und in den Medien darüber, ob die Streiks in der Schulzeit liegen dürften und ob die Schüler*innen ernst zu nehmen seien.
Wie würden sich die Mitarbeiter*innen eines Konzerns fühlen, wenn so auf ihre Streiks reagiert würde? Laut Umfragen interessieren sich 24,4 Prozent gar nicht und nur 5,3 Prozent der Jugendlichen stark für Politik. Da scheint es logisch, dass es kein Wahlrecht für unter 18-Jährige gibt.
Auf der anderen Seite befördert dieser Ausschluss auch die Politikverdrossenheit. Wenn man eh nicht mit entscheiden kann, warum sich dann informieren? Auch im Bundestag sind junge Menschen kaum repräsentiert, dort liegt der Altersdurchschnitt bei 48,7 Jahren. Diese Abgeordneten entscheiden tagtäglich über die Zukunft der Jugend.
Letztendlich mussten die Jugendlichen zu den gleichen Mitteln greifen, wie ihre Eltern damals: auf die Straße ziehen. Damit sie gehört werden und nicht klanglos wie andere Klimaproteste vorüberziehen. Die Jugendlichen tun das in der Schulzeit. Gehört werden sie von der Politik als die „Schüler*innen-Demos“. Darin steckt noch immer der Charakter einer Demonstration von Unerfahrenen. Es kostet Kraft, der Jugend Zugeständnisse zu machen, denn oft sind es Eingeständnisse an sich selber, etwas falsch gemacht zu haben. Es ist aber an der Zeit, die Jugend nicht vor den Toren der Politik stehen zu lassen, sondern ihnen Mitbestimmung zu geben. Denn es geht um ihre Zukunft.
Nele Ketels
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