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Rückblick auf das Heute

Die Ausstellung „Zeit der letzten Brachen“ von Lars Preisser ist eine Reflexion über den Umbau der Stadt. Zu sehen in Berlin-Hellersdorf

Von Katrin Bettina Müller

Das scheint alles sehr lange vorbei. Ratternde Projektoren, analoges 8- und 16-mm-Filmmaterial. Hat diese Filmdosen jemand ausgegraben bei archäologischen Forschungen, wurden die Filme falsch gelagert? Denn der Bildtransport hängt, einzeln ruckeln sie vorwärts statt 24 Bilder in der Sekunde, graue und dunkelblaue Schleier legen sich über den Blick. Aus einer weit zurückliegenden Vergangenheit scheinen die Bilder zu kommen, die Lars Preisser in seiner Ausstellung „Zeit der letzten Brachen“ in Berlin-Hellersdorf zeigt.

Einem künstlichen Alterungsprozess hat Preisser seine Aufnahmen unterworfen, die erst 2016/17 entstanden sind, aber nun in eine fast romantisierende Ferne gerückt werden. Was man sieht, in mehreren Film- und Diaprojektionen, stumm und mit Untertiteln versehen, sind Stadtlandschaften Berlins: Brandmauern, Schutthaufen, Zäune, Hinterhöfe, Gestrüpp, Mülltonnen, Graffiti, Werbung und Folien, die Baustellen abdecken, große Wandbilder, Mauern, die noch die Spuren des abgerissenen Nebenhauses zeigen. Zwei oder drei der Orte, die hier in dem flackernden Projektionslicht mit Geheimnis aufgeladen scheinen wie aus einem expressionistischen Stummfilm, hat man vielleicht sogar eben, bei einer Busfahrt längs der Potsdamer Straße, passiert. Jetzt ist man nach einer langen Fahrt in Hellersdorf angekommen und blickt von der Peripherie auf das Zentrum zurück.

Es ist ein melancholischer und nachdenklicher Monolog, fast ein Trauergesang, den Preisser in sparsamen Textzeilen und in seinen Bildern entwickelt. An Brachen, die bebaut werden, an Baulücken, die geschlossen werden, an Fassaden, die sich ohne Unterbrechung nebeneinander abwickeln, macht er eine Reflexion der Stadtentwicklung fest. Die Lücke, die Pause, die Leere werden bei ihm zu philosophischen Orten, notwendig im Prozess des Denkens. „Die Brachfläche ist die Befreiung von vorgeschriebenen und definierten Räumen“, und sieht mit dem Zubauen der Lücken Potenziale verschwinden, deren Verlust das Denken selbst gefährdet, ihm die Freiheit des Umherschweifens nimmt und es nur noch in vorgegebene Richtungen marschieren lässt. Unterschwellig geht es auch um Gentrifizierung und die Verdrängung von sozialen Milieus und kulturellen Nischen, die einer hochpreisigen Verdichtung der Stadt geopfert werden.

Es ist freilich von einem eigenen Witz, für diese Ausstellung nach Hellersdorf zu fahren, wo die station urbaner kulturen einen kleinen Ausstellungsraum hat, in einer verkehrsberuhigten Zone zwischen neuen Wohnbauten. Hier wird eher Idylle und Park geprobt, über weite Flächen zwischen den Häusern weht ein kalter Wind. Der Verlust von Lücken und Brachen ist ersichtlich weniger ein Problem als das Fehlen von kulturellen Angeboten.

Die station urbaner kulturen ist hier seit 2014 als eine Außenstation der nGbk (neue Gesellschaft für bildende kunst) angesiedelt, eine Kontaktstelle des Kunstvereins mit der Welt der Großsiedlungen und Vororte. Von Kreuzberg aus, wo die nGbk, die in diesem Jahr ihr fünfzigjähriges Bestehen feiern kann, seit Langem in der Oranienstraße Büros und Ausstellungsräume hat, scheint Hellersdorf manchmal ferner als Istanbul.

station urban kulturen, Auerbacher Ring 41, Eingang Kastanienboulevard, Berlin-Hellersdorf. Do. + Sa. 15–19 Uhr, bis 1. Juni

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