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Das Bundesamt greift durch

Schwarze werden nicht nur häufiger von der Polizei kontrolliert als andere Personengruppen, sie werden auch gnadenlos nach Italien zurückgeschickt, wenn sie auf ihrer Flucht dort angekommen sind: Wie es ihnen dort geht, ist egal, weshalb sie geflohen sind, auch 43–45

Soll abgeschoben werden, weil das Bundesamt für Flüchtlinge es will: Ben Bakayoko aus Gifhorn Foto: Ann-Kathrin Just

Von Benno Schirrmeister

Abschiebungen sind etwas sehr Normales geworden. Allein im vergangenen Jahr sind fast 24.000 Abschiebungen vollzogen worden, also 65 am Tag. Umso wichtiger ist es, sich zu fragen, was sie bedeuten, sowohl auf individueller Ebene – bei den „Fällen“ von Momodou B. und Godstime O. in Bremen, bei Ben Bakayoko in Gifhorn. Aber eben auch auf einer symbolischen Ebene, jenseits von Realpolitik und vermeintlichen Sachzwängen: Was tut ein Staat, wenn er Menschen abschiebt?

Norddeutschland ist ein guter Ort, um die staatliche Praxis des Abschiebens als koloniale zu begreifen. Sie bedient sich, das eine lässt sich ja kaum ohne das andere denken, ganz offensichtlich anti-schwarz-rassistischer Muster: Selbst wenn die Polizei wirklich nicht rassistisch sein will, wird, wer Schwarz ist, häufiger polizeilich kontrolliert, weil es etwas mehr bedarf als des bloßen Willens, um seit Jahrhunderten internalisierte Schemata zu überwinden. So weit, so allgemeingültig.

Der Norden Deutschlands aber ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert ein wichtiger Schauplatz des Prozesses, der bis heute Flucht- und Wanderungsbewegungen auslöst: Am Kolonialismus, also der Aneignung von Reichtümern des globalen Südens, und der Abwertung von Menschen zur Gewinnung billiger Arbeitskräfte hat man hier lange vor seiner in Deutschland späten und kurzfristigen Verstaatlichung partizipiert.

Hinter den großen Vermögen, die in Hafenstädten wie Emden, Altona, Flensburg die Bürger angehäuft haben, steht meist deren Teilnahme teils am dänischen, teils am niederländischen und teils am englischen Überseehandel mit Menschen, Zuckerrohr und Rum. In Hamburg und Bremen bestehen ab Anfang des 17. Jahrhunderts Zünfte der Baumseidenmacher: Hier ist man gut betucht, baut prächtige Villen, pompöse Rathäuser und grandiose Konzertsäle, weil Schwarze Menschen als Sklaven in Plantagen am anderen Ende der Welt Baumwolle pflücken.

Die Spuren hat niemand verwischt, die Beute vererbt sich und ist gut verzinst. Ja, es fließt weniger Blut, die rohe physische Gewalt nimmt, auch wenn es sich anders anfühlt, seit Jahrhunderten ab. Aber das einmal hergestellte Ungleichgewicht wird sich nicht von allein oder gar durch eine unsichtbare Hand wieder einrenken.

Das Verbrechen des Kolonialismus hört nicht auf, Opfer zu produzieren, bloß weil es sich jetzt Welthandel nennt. Wer sich aufmacht, um nicht in dieser Umverteilungslogik zerrieben zu werden, wird zum Repräsentanten der Opfer in dem Maß, in dem er aufhört, eines zu sein. Wer aber kein Opfer ist, nicht als Verfolgter anerkannt werden kann, wird abgeschoben: Dem Täter ist das Opfer nur erträglich, wenn es seine Rolle annimmt, still ist und sich fügt.

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