: Wenn der Club nicht reinkommt
300 Besucher oder 300 Quadratmeter: Der Musikclub Molotow fordert, für den Neustart im Paloma-Viertel dieselben Kapazitäten wie in den Esso-Häusern zu bekommen. Doch im Neubau gelten andere Regeln
Von Marinus Reuter
Nur die Perspektive einer sozialen Verträglichkeit hat den Abriss der Esso-Häuser für die Politik vertretbar gemacht. Im Jahr 2014, noch als Leiter des Bezirksamts Mitte, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) zur taz: „Es geht um Aufwertung, Gentrifizierung und Verdrängung und die Frage, wer kann da in Zukunft wohnen.“
In den Esso-Häusern mietete damals auch der Musikclub Molotow seine Räume und wartet seitdem darauf, im neuen Gebäude am alten Ort Bands und Besuchern wieder eine Bühne zu bieten. „Ich würde das Molotow auch wieder so betreiben, wie es früher war“, sagt der Betreiber Andreas Schmidt. Für ihn ist der Neuanfang kein Grund, seinen Club komplett neu auszurichten.
Die höheren Kosten in den geplanten Neubauten des Paloma-Viertels machen es für den Clubbetreiber aber schwer, an die Zeit in den Esso-Häusern anzuknüpfen. Denn im Neubau gelten andere Regeln als in dem abgerissenen 1960er-Jahre-Bau.
Deswegen war die Forderung des Molotow, im Neubau die gleichen Kapazitäten wie in den Esso-Häusern zum alten Preis zu erhalten.
Mit Kapazitäten meint Andreas Schmidt die Anzahl der Eintrittskarten, die er verkaufen darf: „Das Molotow war ein 300er-Club und soll auch einer bleiben.“ Die Bayrische Hausbau, der Eigentümer und Investor des Paloma-Viertels, ist hingegen der Meinung, dass sich ihre Vereinbarung auf die Quadratmeterzahl bezieht. Von der „gleichen Fläche zum alten Preis“ sei die Rede gewesen, sagt ihr Kommunikationschef Bernhard Taubenberger.
300 Besucherplätze oder 300 Quadratmeter, das ist für den Betrieb eines Musikclubs ein großer Unterschied. Um weiterhin die Berechtigung für Veranstaltungen mit 300 Personen zu erhalten, müsste das Molotow im Neubau aus rechtlichen Gründen über 700 Quadratmeter mieten. Die Sicherheitsauflagen in einem Neubau sind eben andere und der offen konzipierte Komplex mit Dachgarten braucht darüber hinaus Personal, um sicherzustellen, dass niemand auf den Flächen zu Schaden kommt. Die Betriebskosten würden explodieren und damit auch die Eintrittspreise.
„Bei uns gibt es einen Clubabend mit einer Liveband für fünf Euro und das Bier ist nach wie vor günstig“, sagt Schmidt, der „das Angebot weiterhin niedrigschwellig halten“ will. Auch Taubenberger versteht das, nennt das Konzept des Clubs aber „nicht wirtschaftlich“.
In Frage steht, ob die soziale Mischung der Esso-Häuser und ihrer Nutzer unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch im Paloma-Viertel zu erhalten ist. Erst Anfang April hatte die Stadt angekündigt, in das Projekt einzusteigen – um eine Schlappe zu vermeiden. Denn zu den Marktpreisen, die die Bayrische Hausbau verlangt, wäre eine Nutzung der Wohnflächen als Sozialwohnungen nicht möglich.
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