Kommentar Festnahme Julian Assange: In dieser Sache trifft es den Falschen
Assange ist kein Vorkämpfer der Transparenz – aber ins Gefängnis gehört er auch nicht. Ein Verfahren in den USA könnte ihm erneut eine Bühne bieten.
Sieben Jahre Aufenthalt des Wikileaks-Gründers Julian Assange in Ecuadors Botschaft in London sind vorbei, und so hatte Assange sich das Ende sicher nicht vorgestellt. Am Donnerstag wurde er in den Räumen der Botschaft festgenommen, nachdem ihm Ecuadors Regierung das Asyl entzogen hatte. Jetzt droht ihm die Auslieferung in die USA.
„Niemand steht über dem Gesetz“, erklärte die britische Premierministerin Theresa May. Sie meinte damit aber nicht all jene, gegen die 2010 nach der Wikileaks-Veröffentlichung der Daten über Verbrechen im Irak- und Afghanistan-Krieg hätte ermittelt werden müssen – und nie ermittelt wurde –, sondern Julian Assange. Dem werfen die USA jetzt vor, Whisteblower Chelsea Manning beim Hacken ebenjener Daten geholfen zu haben. Ihm drohen laut US-Justizministerium bei Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.
In der linksliberalen Öffentlichkeit hat Assange in den letzten Jahren viele Sympathien verspielt. Insbesondere seine mehr oder weniger deutliche Wahlkampfhilfe für Donald Trump genau wie immer mal wieder geäußerte Verschwörungstheorien zur europäischen Flüchtlingskrise erweckten den Eindruck, hier habe sich jemand in seiner Geltungssucht völlig verrannt. Und der Umgang von Wikileaks auch mit erkennbar sensiblen Daten schien im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen nicht mehr wirklich verantwortungsbewusst.
All das aber ist politische Verhandlungssache, kein Fall für die Justiz. Ja, Assange hätte sich besser schon 2012 gestellt und in Schweden wegen der Vorwürfe der Vergewaltigung befragen lassen, statt sich in die Botschaft einer Regierung zu flüchten, die gerade selbst dabei war, in Ecuador Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken und Proteste zu kriminalisieren.
Kein glaubwürdiger Vorreiter für Transparenz
Was Wikileaks geleistet hat, trug wesentlich zur Aufklärung der Öffentlichkeit bei. Genau die gleiche Öffentlichkeit allerdings, die es nicht vermochte, politische Konsequenzen zu erzwingen. Dennoch: Es gibt Informationen, die zu veröffentlichen auch Regelbrüche rechtfertigt. Dafür gehört Julian Assange nicht ins Gefängnis, genauso wenig, wie Chelsea Manning je hätte einsitzen dürfen.
Aber ein glaubwürdiger Vorreiter für Transparenz und für die demokratische Kontrolle der Macht ist der Selbstdarsteller Julian Assange ganz sicher nicht oder nicht mehr. Der Prozess über die Auslieferung und, wenn diese denn vollzogen wird, das Verfahren in den Vereinigten Staaten werden ihm noch einmal eine mächtige Bühne bieten. Eine, die er eigentlich heute nicht mehr verdient hat.
Leser*innenkommentare
ophorus
Der Mann hat Kriegsverbrechen aufgedeckt, und nun soll ER statt der Kriegsverbrecher vor Gericht.....
RJR
Mein Kopf weiß, dass es grundfalsch und skandalös ist, dass man ihn jetzt in Haft nimmt, ihm wird schließlich kein Verbrechen vorgeworfen. Aber der Gedanke, dass er wahrscheinlich einen gewissen Anteil am Wahlsieg Trumps hatte, macht es schwer, sich darüber richtig aufzuregen. Dass Wikileaks einfach vorbehaltlos "die Guten" waren ist schon eine Weile her. Nein, das rechtfertigt eine mögliche Auslieferung natürlich nicht.
Frohwalt Newcastle
@RJR Assange hat nichts mit Trumps Wahlsieg zu tun. Aber genau das sollst du denken: "Assange prinzipell gut, ABER..."
Trump ist ein Symptom!
Tomasz Regel
Soso, sobald es sich mit Zweifeln zur Flüchtlingskriese äußert verliert er seine Glaubwürdigkeit. Wir lieben den Verrat, aber nicht den Verräter ( sobald er etwas sagt, dass uns nicht passt).
94023 (Profil gelöscht)
Gast
@Tomasz Regel Ich glaube, ohne arrogant wirken zu wollen, dass die meisten Menschen, nicht ahnen, dass sie massiv an der Nase herumgeführt werden. Sie verstehen die globalen politischen Zusammenhänge und Strategien nicht, sondern nur die offensichtlichen Geschehnisse. Seit Menschengedenken werden Informationsasymmetrien genutzt, um Macht zu gewinnen bzw. zu erhalten. Der Medizinmann oder Prediger von einst, ist der Politiker oder der Philanthrop von heute.
Rinaldo
Stellungnahme des füheren ecuatoreanischen Aussenministers Guillaume Long unter Rafael Correa, in der er die Verhaftung Assange verurteilt:
1. La entrega de Julian Assange, arrastrado por la policía británica luego de ingresar a nuestra misión diplomática para poder removerlo, es una vergüenza nacional y un error histórico que dejará una profunda huella en el Ecuador por mucho tiempo.
2. Ecuador acaba de violar el principio de "no devolución" del asilado, un principio fundamental de protección de los DDHH consagrado en el derecho internacional. Ecuador acaba de violar la opinión 54/2015 del Grupo de Trabajo sobre Detenciones Arbitrarias de las Naciones Unidas.
3. Ecuador acaba de violar la Opinión OC-25/2019 de la Corte Interamericana de DDHH y la Resolución MC-54-19 de la CIDH de marzo de 2019 que obliga al Ecuador a "no deportar, devolver, expulsar, extraditar o remover de otro modo" a Assange de nuestra embajada.
4. Esta decisión traerá, evidentemente, mucha cola jurídica para el Estado ecuatoriano. Más allá de ello, será recordada por las futuras generaciones de ecuatorianas y ecuatorianos como un acto de servilismo, de vileza y de degradación ética del poder político en nuestro país.
94023 (Profil gelöscht)
Gast
@Rinaldo Völlig richtig, es ist eine Schande, dass ein so grandioser Mensch wie Assange verfolgt wird. Ecuador hat sich dem verlogenen Establishment angeschlossen und die genannten Gesetze gebrochen. Zynisch betrachtet, ist es aber nur ein konsequentes Handeln in unserer pervertierten Zeit, in der Krieg als Frieden, Freiheit als Sklaverei und Unwissenheit als Stärke proklamiert werden. Viva Assange!
Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch
Mannings "Leaks" führten zu der Ermordung von dutzenden Afghanen, die z.B. als Dolmetscher mit der US Armee zusammenarbeiteten durch die Taliban aber Assange ist hier der Böse, weil er Wahlkampfhilfe für Trump, einen vehementen Gegner des Irak- und Afghanistankrieges machte ?