Andreas Speit Der rechte Rand: Welch rechte Schriften in den Regalen schlummern
Mit einem Klick schickt einem die örtliche Bibliothek die ganze Palette ressentimentgeladener Schriften Thilo Sarrazins nach Hause. Gerade in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern, ist es eigentlich ein sinnvolles Angebot, dass Leser*innen Literatur und Sachbücher online bestellen können – die Frage ist nur, welche. Eine Kleine Anfrage der Linken im Schweriner Landtag offenbart: Die Bibliotheken haben neben Sarrazin auch Verlage mit harter rechtsextremer Literatur und äußerst unwissenschaftliche Publikationen im Angebot.
„Das ist besorgniserregend“, sagt Eva-Maria Kröger, die kulturpolitische Sprecherin der Linken. „Rechtspopulistische und unwissenschaftliche Verlage haben in öffentlichen Bibliotheken nichts zu suchen.“ Auch unter Verantwortlichen und Mitarbeitern der Bibliotheken ist es umstritten, ob solche Bücher in den Regalen stehen sollen. Schließlich würden die Positionen dieser Autoren so weiter verbreitet, gar normalisiert. Zudem würden die einschlägigen Verlage mit staatlichen Geldern unterstützt, wenn die Bibliotheken die Bücher kauften. Das Gegenargument: Die Bücher seien ohnehin auf dem Markt und würden in der Gesellschaft diskutiert. Zudem halte es möglicherweise einzelne Interessierte ab, die Bücher selbst zu kaufen, wenn sie sie leihen könnten.
Kröger ist im Online-Angebot der Bibliotheken Mecklenburg-Vorpommerns auch auf Neuerwerbungen aus dem Leopold-Stocker-Verlag gestoßen. Dort sind zahlreiche Autoren aus dem rechtsextremen Spektrum vertreten. Etwa der FPÖ-Politiker Andreas Mölzer, der gegen „Umvolkung“, „Schmelztiegel verschiedenster Rassen“ und „Landnahmen fremder Völker“ agitierte. Und auch David Irving, der den Holocaust als eine „Legende“ und Auschwitz als eine „Attrappe“ bezeichnete. Auch Wolf Hess, der Sohn von Rudolf Hess, der ebenfalls in rechtsextremen Kreisen aktiv ist, veröffentlichte hier das Buch „Rudolf Hess: Ich bereue nichts“.
Ebenfalls im Regal: Neuerscheinungen des Europa-Verlags: Dort tummeln sich Autoren, die sich im neu-rechten Milieu, der „Bibliothek des Konservativismus“ oder dem „Institut für Staatspolitik“ bewegen – unter anderem Ingrid Freimut, die von Szene-Medien wie „PI-News“ als „neue Sarrazin“ gefeiert wird.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Aus der Antwort der Landesregierung wird deutlich, dass es keine Zahlen über diese Neuanschaffungen gibt. „Da sind andere Landesregierungen wesentlich informierter und sachkundiger“, kritisiert Kröger, die diese Bücher gänzlich aus dem Angebot streichen will. Es sei Aufgabe des Landes, die Bibliotheken für das Problem pseudowissenschaftlicher, verschwörungstheoretischer und neurechter Literatur zu sensibilisieren.
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