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Die WahrheitNicht vom selben Gendersternchen

Susanne Fischer
Kolumne
von Susanne Fischer

Sprachwissenschaftelnde werden zu Anstoßnehmenden, wenn gendergerechtes Formulieren jeden öffentlichen Text vermurkst.

L iebe Zwangsbeglückende, alle mal bitte herhören, als Feministin und Ewiggestrigende würde ich es vorziehen, mein Leben ungegendert in Ruhe beenden zu können. Und zwar frühestens in zwanzig Jahren. Wenn ihr so lange vielleicht noch mal warten könntet?

Als gelernte Sprachwissenschaftelnde weiß ich nämlich, dass das grammatische Geschlecht nichts mit dem Schniedel und der Muschi zu tun hat, auch nicht damit, ob man beides hat oder nichts von beidem oder sich noch nicht entschieden hat. Oder mit den Genen oder Chromosomen und Chromosom*innen.

Aber ihr, ihr wisst es nicht und wollt es nicht hören, obwohl ihr alle auch mal zur Schule Gehende gewesen seid. Und während ich sonst sehr froh bin, gottsfroh praktisch, oder nein, gott*innenfroh, dass wir Germanisten, oder wie ihr sagen würdet, Germanist*inn*ende, nirgendwo regieren, weil wir üble Besserwissende und Anstoßnehmende sind, Nörgelnde und Oberlehrende, wäre ich jetzt gerade sehr dankbar für ein kleines Fitzelchen Weltherrschaft.

Neulich las ich in einem christlichen Magazin – nein, es war nicht Christ und Hund, auch nicht Christ*in und Hu*ünd*in – einen langen Artikel über Verkehrspolitik. Dort schrieb das politisch korrektelnde Autorendenwesen tatsächlich über Auto Fahrende, Radelnde und zu Fuß Gehende, statt über Autofahrer, Radler und Fußgänger. Einknicken tat es nur bei dem Wort „Verkehrspolitiker“, denn die sind böse und dürfen deswegen männlich sein. Dabei wäre jeder Satz durch die Wendung „Verkehrspolitik Betreibende“ gewiss noch viel schöner geworden.

Da draußen, wo es um die Macht und die wirklichen Probleme geht, sinkt der Frauenanteil im Bundestag, gibt es kaum eine von uns in den Vorständen großer Firmen, bekommen wir nirgends dasselbe Geld für dieselbe Arbeit. Und alle so: Och nö, langweilig, ich kümmer mich mal lieber um das Sternchen. Weil ohne bin ich beleidigt. Apropos: Vorstand, das bin ich auch, das ist ein Amt, und ich finde es lächerlich, dass ich irgendwo lesen musste, ich sei Vorständin. Ist das ein Vorstand mit rosa Schleife dran oder was?

Sprache kann etwas sehr Schönes sein, aber nur, wenn man lieb zu ihr ist. Oh, ich habe „man“ geschrieben, wahrscheinlich wähle ich auch AfD. In Gesetzen und Verordnungen ist Sprache jetzt schon Murks, und eine ähnlich unangenehme Form von Vermurksung muss neuerdings Zeitungsartikel und jede Form von öffentlichem Text ungenießbar machen? Das macht mich als Leser krank, und nein, „Lesende“ sind wir nur in dem Augenblick, wo wir eben genau das tun. Ein Buch hat Tausende von Lesenden? Na, danke.

Gespannt warte ich nun nur noch darauf, ob der Sundermeiernde seinen schönen, verdienstvollen Verbrecher Verlag in „Verbrechende Verlag“ umbenennt. Wahrscheinlich wird es dazu aber nicht kommen, Verbrecher sind ja böse und dürfen deshalb männlich bleiben.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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18 Kommentare

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  • ... kaum tauchen Frauen zumindest in der Sprache auf (Leserinnen und Leser), wird gendergerecht alles "neutralisiert" - eine Schelmin, die ...

  • Da hier so viele Vorschreiber den neuen Vorschriften mit Sternchen und "ende" Lob zollen (und bei denen ich hoffe, es handelt sich lediglich um Ironie, die ich nicht in der Lage war zu verstehen), sah ich mich tatsächlich gedrängt mich hier zu registrieren.

    Ihr Text war erwartungsgemäß grauenvoll zu lesen. Danke dafür! Normalerweise danke ich den Menschen nicht für einen grauenvollen Stil, aber dieser Text bekommt von mir fünf Sternchen und zwar ohne „innen“ dahinter. Danke, dass Sie es so offensichtlich machen, was das Problem mit den Menschelnden ist, die einen solchen Wahnsinn fordern.

    Als eine noch recht junge Frau, die auch noch an einer Universität Student ist (ich verbitte mir ausdrücklich von irgendwem oder irgendwenin „Studentin“ oder gar „Studierende“ genannt zu werden – das empfinde ich als beinahe ehrverletzend), werde ich mit diesem Blödsinn vermutlich noch lange zu kämpfen haben und mich sogar manchmal diesem Diktat unterwerfen müssen.

    Immer wieder fühle ich mich dadurch nahezu beleidigt oder auch in Schubladen gesteckt, ich fühle nicht wirklich so, denn ich bin eine starke, selbstbewusste Frau und weiß daher solche Dinge zu ignorieren. Was passiert denn, wenn ich plötzlich nicht mehr „Student“ sondern „Studentin“ sein muss – ich werde auf ein Geschlecht reduziert. Ich kann nicht studieren, wenn ich kein Geschlecht dazu habe? So empfinde ich das. Ich bin zufällig eine Frau, ja, ich bin auch gerne eine Frau (okay, zumindest dann, wenn ich gerade keine periodischen Rückenschmerzen und weitere Symptome habe ;-)), aber ich kann auch Student sein unabhängig davon ob ich eine Frau bin. Ich möchte nicht das meine Leistungen, mein Beruf ect. indirekt davon abhängig gemacht werden, dass ich ein bestimmtes Geschlecht habe. Mit der ausdrücklichen Betonung des Geschlechtes wird das Geschlecht immer wichtiger. Man wird am Ende als Bewerber also nicht eingestellt, weil man gut im Job ist, sondern weil man eine Bewerberin ist.

    *Fortsetzung folgt.

    • @Marion:

      Fortsetzung:

      Wie wenig Selbstbewusstsein muss eine Frau haben, wenn sie beständig darauf bestehen will, unbedingt auch überall Frau genannt zu werden? Kann man nicht ein guter Mensch und gleichzeitig eine Frau sein? Kann man nicht Student und Frau sein? Kann man nicht Arzt und Frau sein? Kann man nicht Frau und gleichzeitig Wissenschaftler sein? Wieso ist es euch so wichtig, dass alle Welt weiß, dass ihr Frauen seid? Ist es wirklich so ungewöhnlich für euch, dass eine Frau auch Wissenschaftler, Arzt, Astronaut sein kann? Denn wenn ihr es so betont, habe ich immer das Gefühl, als wäre es für euch noch etwas besonderes, für mich ist es aber völlig normal und damit nicht besonders hervorhebenswert und so sollte es meiner Ansicht nach auch sein – bei mir erzeugt es also eher das Gegenteil von dem, was ihr vorgeblich damit erreichen wollt. Ihr tut damit so, als wäre es was besonderes eine „Ärztin“ vor sich zu haben. Sorry, nein ist es nicht. Es ist völlig normal, dass ein Arzt auch eine Frau sein kann. Und verzeiht mir liebe männliche Ärzte, ich weiß, es gibt euch, aber wenn ich von einem Arzt rede, habe ich eine kleinere Frau mittleren Alters mit ersten grauen Haaren als Bild im Kopf.

      Ich möchte aber allen, die es genauso empfinden wie ich, ein wenig Hoffnung schenken. Ich zitiere also aus dem „Leitfaden für den Wahltag“ zur Europawahl am 26. Mai 2019:

      „Vorbemerkung:



      Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit und Lesbarkeit wird in diesem Leitfaden auf die Verwendung der sog. „Paarformen“ verzichtet. Stattdessen wird die grammatikalisch maskuline Form verallgemeinernd verwendet. Diese Bezeichnungsform umfasst gleichermaßen alle Personen, die damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen sind.“

      Es gibt sie also noch – die vernünftigen Menschen!

  • Ich habe ein Vorurteil gegenüber Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern: Dass sie in der Lage sind, mit Phantasie und Engagement Vorschläge zu machen, wie man die Existenz unterschiedlicher Geschlechter sprachlich deutlich machen kann, ohne sie auf das grammatikalische Maskulin zu verengen.



    Wer Sprachwissenschaft betreibt, weiß doch sehr genau, wie die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst und die Realität prägt.

    Und genau bei der Genderthematik stehen immer mehr Literat*innen auf, die sich dieser Aufgabe verweigern, albern rumnölen und auch noch stolz darauf sind?

    Wer, wenn nicht sie, sollte die Aufgabe bewältigen können?







    Wer, wenn nicht sie sollte Vorbild sein können?

    Nicht jede Literatin betreibt dies auch als Wissenschaft. Nicht jeder Literaturwissenschaftler ist automatisch aus Literat.

    Aber sie sollten sich der Aufgabe stellen und Vorschläge machen und zeigen, wie es positiv geht!

    Faulheit zählt nicht, und Phantasielosigkeit stünde im krassen Widerspruch zum Berufsfeld.

    • @Bernd Kehren:

      Danke! Das war auch mein erster Gedanke. Gerade Menschen, die sich hauptberuflich mit Sprache beschäftigen, sollten es doch besser wissen und aktuelle Studien kennen. Natürlich ist es eine Umstellung, natürlich ist es erst einmal anstrengend, aber auch das vergeht und dann wird es ganz normal, aber der Prozess wird sich unnötig verlängern, wenn sich diejenigen dagegen stellen, die es eigentlich besser wissen müssten.

  • Gähn. Ich frage nicht mal, ob das Kunst sein soll oder wegkann. Evtl. etwas interessanter ist das hier:

    scilogs.spektrum.d...der-gendersprache/

    Wie die Ablehnung des Genderns medial produziert wird.

  • Ich widerspreche. Wenn Inhalte fehlen, dann muß die Sprache es richten. Wichtigkeit kann mangels Anderem auch durch Normen und Vorschriften manifestiert werden. Insofern ist Gendersprech gradezu ein Symbol für links-grüne Politik!

    • @Wellmann Juergen:

      Wie meinen^¿*Mann Wat für'ne Welle?

  • Frau Fischer, ich danke Ihnen von Herzen. Sie sprechen mir aus der Seele.

  • ;)) Liggers.

  • Schade nur, dass hier nicht hinterfragt wird, was der generische Maskulinum für Folgen hat. Wie verschiedene Forschungen zeigen hat Sprache doch die Macht Realität zu erzeugen und ist damit mit Grund für die kleine Frauenquote in den vermeintlichen Männerberufen. Wie soll sich auch ein junges Mädchen vorstellen Ärtztin zu werden wenn es dauernd nur von Ärzten und Krankenschwestern hört. Meiner Meinung nach kann man über Grenzen des genderns sprechen (Bürger*innensteig muss meiner Meinung nach nicht sein) aber aus der Sprache und neuen Literatur sollte es nicht mehr weg denkbar sein.

    • @Step_veg:

      Frauen sind bei den Medizinern in der Mehrheit, das ist somit ein schlechtes Beispiel. Das Hindernis des Makulinum ist entweder "ueberwunden" worden, oder es liegt in der Natur der Sache (Medizin), dass Frauen mehr Interesse an diesem Bereich haben. Ich glaube an Letzteres..kenne mich aber nicht mit der Forschung aus.

    • @Step_veg:

      Der Mensch (sorry, aber Blinde mal ausgenommen) ist in erster Linie ein Augen-Tier. Hat ein junges Mädchen auch nur ein einziges Mal mit eigenen Augen gesehen, dass eine Frau als Arzt arbeitet, kann man ihm erzählen, was man will. Es wird nie wieder glauben, nur Mäner könnten Ärzte sein. Es hat nämlich Spiegelneuronen - und (hoffentlich) auch eine eigene Vorstellung davon, wer/wie/was es selbst ist.

      • @mowgli:

        Und dennoch zeigen Experimente, dass es eben nicht so ist. Natürlich hat ein Kind Augen und kann damit i.d.R. auch sehen, dennoch werden gewisse Berufe weiterhin mit Männern verknüpft und das sollte man nicht einfach missachten und behaupten "aber die haben doch wohl schonmal eine Ärztin gesehen".

  • was sagt denn der Linke und die Linkin dazu ?

    • @schoenerrhein:

      Die Linkenden fühlen sich gelinkt.

  • War das jetzt an die Redakteurenden des eigenen Hauses gerichtet?

  • Sehr verehrte Damen, deren Lebensabschnittsbegleitwesen, Liebe Tiere!



    .



    Auch ich, Du, er Sie,es, wir, ihr, sie, bin der Meinung, vielleicht, auch öfter nicht, oder doch, dass Die Sprache viel zu wichtig ist, dass man Sie der persönlichen, unregulierten Genderrei überlassen darf.



    In Memoria, der alten Lady Mrs. Duden, die uns vor Jahrhunderten eine klare, eindeutige Linie für unsere Texte gegeben hat, fürs Schreiben möchte ich hier betonen, nicht fürs Reden, schlage ich vor, wieder in allen Textproduktionen, nicht nur hier, die "Saetzerin" wieder einzuführen!



    Jeder Text, der dann in die Öffentlichkeit kommt, also schwarz/weiß etwas länger lebt als das gesprochenen Wort, dessen Verstöße gegen die "nicht Diskriminierungrichtlinien" ja, "dem höheren Wesen, das wir teilweise verehren sei Dank", sofort in der, durch Klimawandel immer mehr bewegten Atmosphäre vergehen, muss erst auf die "aktuelle, im Moment angesagte" Sprachweise herangeführt werden, bevor Sie in die "weite Welt hinein" darf.



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    Lasst uns, wenn es auch noch nicht mit Sprache passt, wenigstens "Schreibe" absolut diskriminierungsfrei nutzen.



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    Bis das Wirklichkeit wird, müssen die alten Gifttexte in den "dazu gehörenden Schrank". Erst wenn die gefiltert sind, dürfen die wieder in Freiheit!



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    Gruss Sikasuu



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    Ps. Allein der "Beschäftigungshub", den dieser Vorschlag bringt, macht die Umsetzung des o.a. Vorschlags alternativlos. Vergl. dazu auch den wegweisenden Text von Henrieke Theodora Böll, "Doktorin D(m)urkes gesammeltes Schweigen!"



    de.wikipedia.org/w...ammeltes_Schweigen