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Kommentar Vorgehen gegen AfD-BeamteGesinnung ist nicht kontrollierbar

Johanna Roth
Kommentar von Johanna Roth

Es bringt nichts, Beamte mit AfD-Mitgliedschaft unter Generalverdacht zu stellen. Mit einem „Berufsverbot“ täte man den Rechten einen Gefallen.

Man muss sie daran messen, wie sie handeln: Auch im Polizeidienst könnten Beamte mit AfD-Parteibuch sein Foto: imago-images/Paul Sander

A uch wenn es verlockend einfach erscheint: Dienstrechtliche Konsequenzen für alle Beamten mit AfD-Mitgliedschaft sind nicht das Mittel der Wahl im notwendigen Kampf gegen rechte Umtriebe. Dass das Innenministerium nun von einer entsprechenden Überlegung Abstand nimmt, ist deshalb richtig.

Zum einen muss man sich fragen: Was, wenn es andersherum wäre? Beziehungsweise war es das ja schon: Das, was in den Jahren nach 1972 praktiziert wurde, ist für Linke noch heute traumatisch, nicht zuletzt, weil die Rehabilitierung der vom Radikalenerlass Betroffenen erst vor wenigen Jahren begonnen wurde. Demokrat*innen, die sich zu Recht darüber empören, genau wie über Erdoğans „Säuberungen“ des türkischen Staatsapparats, können nicht ernsthaft Berufsverbote für AfDler fordern. Zumal es immer noch um die Mitgliedschaft in einer Partei geht, die – Stand jetzt – weder verboten ist noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sondern im Bundestag sitzt.

So wütend Letzteres macht: Pauschale Gesinnungskontrolle ist moralisch kaum zu rechtfertigen. Der Idee von Berufsverboten liegt zudem der Irrtum zugrunde, dass sich Gesinnung überhaupt kontrollieren ließe. Sympathie für die AfD und deren rassistische und demokratiefeindliche Programmatik äußert sich ja auch längst nicht nur durch ein Parteibuch.

Natürlich würden auch bei einem neuen, auf die AfD zugeschnittenen Radikalen­erlass weiterhin Leute in Behörden, Gerichten und Schulen sitzen, die rechtes Gedankengut teilen (während die anderen, die mit Parteibuch, eine nie da gewesene Klagewelle losträten und in den Verhandlungspausen fleißig am Opfermythos häkelten oder sich gar noch stärker radikalisierten). Das lässt sich nicht verhindern. Dass diese Leute ihr Amt durch politische Einflussnahme missbrauchen, dagegen schon.

Umso dringender muss das Innenministerium seine Ankündigung einlösen, mehr Augenmerk auf das „konkrete Verhalten“ der Beamten zu legen. Da gibt es ja durchaus einiges nachzuholen: Ein Thüringer Staatsanwalt, der kein AfD-Mitglied ist, etwa konnte jahrelang von rechter Gesinnung offenbar deutlich eingefärbte Arbeit betreiben. Erst als kürzlich herauskam, dass er seit 16 Monaten überaus fantasievoll versucht hatte, das „Zentrum für Politische Schönheit“ wegen dessen Anti-Höcke-Aktion zu kriminalisieren, wurde er teilweise von seinen Aufgaben entbunden (und die Ermittlungen eingestellt).

„Berufsverbot“ ist übrigens ein gern genutztes Wort im AfD-Vokabular. Politisch unliebsame Entscheidungsträger*innen kaltzustellen ist der Rechten größter Traum. Er sollte es auch bleiben.

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Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
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6 Kommentare

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  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Ist das jetzt, so wie einige Aufreger der jüngsten Zeit, die nächste Phantom-Diskussion? Die nächste "Sau", die durch das mediale Dorf getrieben wird?

    Anzeigen kann jeder jeden, aber wieviele dann eröffnete Verfahren gab es in den letzten Jahren gegen Beamte, die der AfD nahe stehen, gar deren Mitglied und in der Partei ähnlich dem immer gern als kaum noch überbietbares Negativbeispiel genannten Björn Höcke aktiv sind?

    Und wieviele dieser Verfahren, soweit es sie gab, endeten mit der Entfernung des Beamten aus eben diesem Beamtenstand?

    Eine Versetzung dürfte dabei schon das Maximum sein, sich über viele, viele Jahre, viele Instanzen hinziehen, soweit der Beamte dem widerspricht.

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @90857 (Profil gelöscht):

      Fast wie bestellt, wird hier berichtet

      www.taz.de/Berufsv...lizisten/!5587231/

      dass das Mitglied einer vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuften Partei noch jahrelangem Rechtsstreit durch die Instanzen nun seinen Beamtenstatus verliert.

  • Auch wenn die Ansichten und Forderungen der AfD vielen Menschen, so wie mir, nicht schmecken, gilt jedoch auch für deren Mitglieder Art 4.1 GG.



    Mit einem pauschalen Berufsverbot stellte man sich doch eher auf die Stufe eines autoritären Staates mit dem wir weiß Gott schon zu viel gemeinsam haben.

    In einer wehrhaften Demokratie sollte man solche Knetbirnen doch auf argumentativer Ebene genug aushebeln können.



    Wann wird eigentlich die CDU zum Beobachtungsfall des BfV?

  • Zustimmung zum ersten Teil. Solange eine Partei nicht verboten ist (und sogar im BT sitzt), halte ich ein "Berufsverbot" für unzulässig, sofern die Parteizugehörigkeit das einzige Indiz ist. Sofern weitere "Umtriebe" dazu kommen, kann ein einzelfallbezogenes Verbot kommen, wie bei dem Richter in Bayern (Nürnberg?), der ja dann seine Position freiwillig geräumt hat. Die Klagewelle wäre m.E. zweitrangig, wenn es sich um eine verbotene Organisation handeln würde.

  • Politische Ansichten und Gesinnungen können sich immer ändern, daher ist ein Berufsverbot abzulehnen. Lieber mit guten Argumenten die Kollegen überzeugen.

  • AfD-Mitgliedschaft mag vielleicht kein relevantes Kriterium sein, aber eindeutige Anzeichen rechtsradikaler Gesinnung sollten auch ohne dezidierte AfD-Mitgliedschaft ein sofortiger Ausschlussgrund für die Tätigkeit in Sicherheitsorganen sein.

    Sobald ein Polizist in den Verdacht geraten würde, mit den Linken zu sympathisieren wäre es ja auch kein Thema, ihn sofort aus dem Dienst zu entfernen (mit den üblichen Tricks).