Ehemaliger Profiboxer über Amateure: „Die Qualität ist deutlich besser“
Der legendäre Chemiepokal der Amateurboxer, einst in Halle beheimatet, wird nun in Köln ausgetragen. Der fünfmalige Sieger Henry Maske bedauert das.
taz: Herr Maske, Sie haben den legendären Chemiepokal in Halle fünfmal gewonnen: 1983, 1984, 1985, 1986 und 1989. Was verbinden Sie mit diesem internationalen Amateurbox-Turnier?
Henry Maske: Das war unser erstes Turnier in der DDR, das internationale Größe erreicht hat. Nicht das einzige, im Herbst gab es ein weiteres. Aber der Chemiepokal war so wichtig für uns alle, weil die Ergebnisse dort die Nominierungsgrundlage waren für die folgenden internationalen Höhepunkte. Für mich begann 1983 genau bei diesem Turnier mein internationaler Weg.
Da waren Sie 19 Jahre alt.
Ja. Und wir hatten national eine wahnsinnig spannende Auseinandersetzung im Mittelgewicht. Wir waren vier Boxer und es war noch nicht klar, wer der Mann für die Zukunft sein würde. Im Vorfeld war ich bei den DDR-Meisterschaften schon im Viertelfinale rausgeflogen. Man hat mich dann trotzdem zum Chemiepokal mitgenommen …
… und da haben Sie dann mal eben gewonnen.
Im zweiten Kampf galt es, einen Olympiasieger zu schlagen, einen Kubaner. Dass ich das schaffe, damit rechnete niemand. Aber ich habe es geschafft. Im Halbfinale und Finale ging es dann gegen die Kollegen aus der DDR. Ich habe mich durchgesetzt – das war für mich der Grundstein meiner internationalen Karriere. Obwohl der Sieg über den Kubaner damals medial sehr unterschiedlich bewertet wurde. Es gab Journalisten, die fragten, wie jemand den Kampf gewinnen könne, der drei Runden nur rückwärts läuft.
Schon damals hing Ihnen diese Ansicht über Ihren Boxstil nach?
Na ja gut, warum hätte ich mir von so einem sehr breitschultrigen, gut aufgestellten Kerl eine physische Auseinandersetzung aufzwingen lassen sollen? Das wäre ja eine Dummheit gewesen. Ich bin keiner, der permanent auf der Flucht ist, sondern ich gebe dann den Raum frei, wenn nötig. Damit kam der Kubaner damals überhaupt nicht zurecht. Und andere auch nicht. Ich habe in meiner Karriere nur gegen einen einzigen Kubaner verloren.
Henry Maske, 55, feierte als Amateur in den 1980er Jahren große Erfolge. Olympiasieger wurde er 1988. Legendär wurden die Profikämpfe gegen Graciano Rocchigiani. Heute betreibt Maske zehn McDonald’s-Filialen.
Ángel Espinosa. Der galt stets als Ihr großer Angstgegner.
Das war er auch. Wir hatten ja damals mit der DDR viele Trainingslager auf Kuba, da gab es harte Duelle, und ich habe nicht eines verloren. Aber Alcides Sagarra, langjähriger Erfolgscoach der Kubaner, hat Espinosa speziell für mich aufgebaut.
Bei Ihrem Olympiasieg 1988 in Seoul fehlten die Kubaner, doch bei der WM 1989 in Moskau haben Sie im Finale Pablo Romero besiegt. Er galt als großer Favorit, aber Sie haben ihm den Titel-Hattrick versaut.
Ich kämpfte im Halbschwergewicht. Espinosa war im Mittelgewicht geblieben und wurde nicht Weltmeister. Er verlor auf eine Art gegen einen Russen, dass ich vielleicht auch noch den Mut gefunden hätte, ihn zu schlagen und meine große Hürde zu überwinden. Aber das ist alles hypothetisch …
… weil danach Ihre große Profikarriere begann.
Ja, da kam der Mauerfall und es gab viele Veränderungen.
Auch für den Chemiepokal in Halle, der seit der Wende ums Überleben kämpft. Nun wird er von Mittwoch bis Samstag als „Cologne Boxing World Cup“ in Köln ausgerichtet. Ist das die Rettung des Traditionsturniers oder das Ende einer Legende?
Ich würde sagen zweites. Es geht nicht, was nicht geht. Dieser Chemiepokal hat sich in Halle ab 1970 wahnsinnig toll entwickelt. Jetzt sind die finanziellen Hürden zu hoch geworden, leider. Köln hat sich nun entschieden, hier etwas Ähnliches zu veranstalten. Aber man kann nicht diesen Chemiepokal hier einfach weitermachen. Für mich sind das zwei verschiedene Turniere.
Die großen Kubaner Teófilo und Félix Savón, der Ukrainer Vitali Klitschko oder aus Deutschland Sie, Axel Schulz oder Sven Ottke – alle haben den Chemiepokal mal gewonnen. Gehört ein Sieg in Halle zu einer anständigen Boxer-Biografie dazu?
Auf jeden Fall. Die Kubaner kamen immer mit einer vollen Staffel, die Sowjetunion auch, die Polen, die Rumänen, die Bulgaren und so weiter. Dann gab es die Bundesrepublik, die Engländer, die Franzosen, die Niederländer, die Dänen – von überall kamen sie her. Manchmal gab es bis zu vier Kämpfe für einen Boxer in einer Woche, das war schon viel, das hatte eine Brisanz.
Wie sehen Sie das Amateurboxen heute?
Ich fand die Qualität bei den letzten Weltmeisterschaften deutlich besser als davor. Durch die etwas veränderten Wertungsrichtlinien ist die Verteidigungsbereitschaft wieder deutlicher in den Blickpunkt gekommen. Die Kombination von Kraft und Technik und Durchhaltevermögen ist im Boxen die Grundlage des Erfolgs, das hat man wieder gut gesehen, es ging nicht mehr nur um Punktehascherei. Man konnte sehen, wie die Leute auch mal einen Schritt zurück gehen, aus der Linie heraustreten, den Kampf führen. Das ist für mich das, was unseren Sport ausmacht.
Hierzulande hat schon länger kein deutscher Amateur mehr für Furore gesorgt.
Das ist festzustellen, ja. Ich finde das sehr traurig und schade. Ich glaube, dass es Deutschland guttun würde, wenn wir im Boxen eine breite Basis aufstellen könnten. Aber es fehlt an Akteuren. Es braucht einen langen Atem, um im Boxsport erfolgreich zu sein. Allem Anschein nach ist heute der Atem bei vielen nicht lang genug.
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