Kommentar: Du bist nicht wirklich Deutschland!

Am Samstag boxt Luan Krasniqi live im ZDF. Denn Boxen bringt Quote - unabhängig von der sportlichen Relevanz.

"Löwe" nennen sie Luan Krasniqi, vielleicht wegen seines Brusthaars. Vor allem aber heißt er so, weil Männer wie er einfach solche Namen brauchen: Dariusz Michalczewski hieß "Tiger", Henry Maske "Gentleman". Denn Profiboxer, die nur kurze Hosen, aber keine Kampfnamen tragen, passen bestenfalls zu Eurosport.

Wenn am heutigen Samstag in Hamburg der Deutsche Luan Krasniqi zum Schwergewichtskampf gegen Tony Thompson (USA) zu einem Nichttitelkampf antritt, ist das sportlich zwar nicht so wichtig, aber Krasniqi brachte dem ZDF zuletzt 6,39 Millionen Zuschauer. Das ist, vergleicht man es mit den Quoten von Eurosport, unverdient viel.

Profiboxen wurde in den Neunzigerjahren zum Fernsehevent, als RTL Maske- und Axel-Schulz-Kämpfe zeigte. Der Sender arbeitete damals auch am Image des Sports mit. Die Goldkettchenträger des Milieus wurden auf Plätze außerhalb des Kamerabereichs verbannt. Die Boxer marschierten zu für sie komponierter Musik ein. Stars wie Meat Loaf traten vor Kämpfen auf und machten klar: Hier gibt es großen Sport - man muss nur daran glauben.

Boxen eignet sich für solche Inszenierungen. Es ist das archaische Faust-gegen-Faust durchtrainierter, halbnackter Männer, die sich körperlich zu dominieren versuchen. Das hat eine sexuelle Komponente, die zum späten Samstagabend passt.

Es fehlt dann nur noch eines für große Fernsehevents: die nationale Karte - und da hatten Maske oder Schulz gegenüber Männern wie Krasniqi einen Vorteil. Die Zuschauerquote, für die sie sorgten, war entsprechend noch besser. Als in den Neunzigern Maske und Graciano Rocchigiani boxten, kämpften Ossi und Wessi das Zusammenwachsen des Landes aus. Als der blonde Axel Schulz 1995 gegen den schwarzen US-Amerikaner George Foreman um die Schwergewichts-WM boxte, repräsentierte er Deutschland. RTL hatte über 18 Millionen Zuschauer.

Die aktuellen deutschen Weltklasseboxer aber taugen weniger zur nationalen Identifikationsfigur, egal ob Luan Krasniqi oder der gebürtige Pole Dariusz Michalczewski. Weltmeister Felix Sturm heißt, wie gerne betont wird, eigentlich Adnan Catic. Weltmeister Arthur Abraham hat seinen armenischen Namen Awetik Abrahamjan eingedeutscht. Das hilft ihnen zwar, Schulz oder Maske sind sie trotzdem nicht. Sie sind jedoch gut genug, um für eine leidlich gute Quote zu sorgen, daher werden auch ihre Kämpfe gezeigt. Sie sollen das Interesse wach halten, bis ein neuer Max Schmeling, ein Maske oder wenigstens ein Schulz in den Ring steigt. Und: Das funktioniert.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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