piwik no script img

Pep Guardiola und Mauricio PochettinoRichtungsweisende Nächte

Am Dienstag empfängt Tottenham Hotspur Manchester City in der Champions League. Beide Trainer haben demselben Mann sehr viel zu verdanken.

Bielsa soll Guardiola in einer durchquatschten Nacht vom Trainerdasein überzeugt haben Foto: dpa

Mauricio Pochettino weiß, wie man Pep Guardiola schlagen kann. Der Trainer von Tottenham Hotspur wird sich gewiss an seinen ersten Erfolg als Coach überhaupt erinnern. 2009 war er gerade als Trainer des Tabellenletzten Espanyol Barcelona verpflichtet worden, da schlug er Guardiolas FC Barcelona mit 2:1. Der gewann bald darauf die Champions League. Den Pott will er nun mit Manchester City holen. Eine Hürde auf dem Weg dahin: Mauricio Pochettinos Tottenham. Heute steigt in London das Viertelfinalhinspiel.

Die beiden Trainer haben etwas gemeinsam. Sie haben dieselbe Schule besucht – zu verschiedenen Zeiten. Es ist die Schule von Marcelo Bielsa. Dem argentinischen Trainer haben beiden einen entscheidenden Anteil ihrer taktischen Kenntnisse zu verdanken. Beide verbindet aber auch eine persönliche Erfahrung mit ihren Lehrmeister: Sowohl Guardiola als Pochettino haben mit Bielsa eine Nacht verbracht, die die Richtung ihres Lebens entscheidend beeinflusst hat.

In den 80er Jahren leitete Bielsa das Training der Jugendmannschaften der Newell’s Old Boys in seiner Heimatstadt Rosario. Um neue junge Spieler aufzustöbern, die sein Team verstärken können, hatte er eine Karte Argentiniens in 70 Abschnitte geteilt. Dann hat er sich auf den Weg gemacht, um sich persönlich die vermeintlichen Talente anzuschauen. Zu jenen Spielern, die er unbedingt nach Rosario bringen wollte, zählte der damals 13-jährige Mauricio Pochettino.

Er machte sich auf den Weg nach Murphy und stand mitten in der Nacht vor der Tür der Pochettinos. Er stellte sich vor und bat sie, den Sohn zu wecken. Er musste unbedingt die Beine des Jungen überprüfen. Erschrocken schleppte sich der kleine Pochettino aus dem Bett und unterzog sich der Inspektion.

Ein angeblich 13-stündiges Gespräch

Das seien die Beine eines echten Fußballspielers, meinte Bielsa. Der Junge solle unverzüglich zu den Newell’s Old Boys wechseln. Den Rest der Nacht brauchte Bielsa, um die Familie zu überzeugen. Seine nächtlichen Bemühungen waren schließlich von Erfolg gekrönt: Mauricio Pochettino zog in die Nachwuchsabteilung der Newell’s Old Boys ein und wurde zu Bielsas Lieblingsschüler. Zusammen gewannen sie 1991 und 1992 Titel.

Knapp 20 Jahre nach jener Nacht in Murphy war Pep Guardiola dran. Sein letztes Jahr als Profi hatte der Katalane in Katar verbracht, wo er bei Al-Ahli neben dem früheren argentinischen Nationalspieler Gabriel Batistuta kickte. Ihm vertraute Guardiola an, dass er Trainer werden will. „Dann musst du zuerst zu Marcelo Bielsa“, riet ihm Batistuta. Im Frühling 2005 reiste Guardiola dann auf die andere Seite der Welt, um den damaligen Nationaltrainer Argentiniens zu besuchen.

Die beiden Trainer sind durch die Schule von Marcelo Bielsa gegangen

Das Treffen ist in die Fußballgeschichte eingegangen: Ähnlich wie weiland Sigmund Freud und Carl Gustav Jung sollen sich Bielsa und Guardiola gut 13 Stunden lang ohne Pause unterhalten haben. Es ging um taktische Fragen, die beiden sahen sich Videos aus Bielsas umfangreicher Sammlung an und Spieler aus aller Welt wurden bis ins kleinste Detail analysiert. „Dieser Mann ist der beste Trainer der Welt“, lautete die Schlussfolgerung, zu der Guar­diola bei Sonnenaufgang gekommen war. Nach dieser Nacht war Pep überzeugter denn je: er wollte Trainer werden.

Heute entspricht weder das System von Manchester City noch das von Tottenham genau Bielsas Spielphilosophie: Natürlich lässt Guardiola nicht mit Manndeckung verteidigen und bisweilen mangelt es Pochettinos Team an Intensität. Und trotzdem: eine Nacht mit Bielsa hat sichtbare Spuren hinterlassen bei der Arbeit beider Trainer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!