CDU-Chefin spricht am Aschermittwoch: Gegenattacke von der Neuen
Annegret Kramp-Karrenbauer entschuldigt sich beim Politischen Aschermittwoch nicht für ihren Toilettengag. Stattdessen haut sie nochmal drauf.
Die Vorlage lieferte ihr CDU-Parteikollege Werner Kuhn, der sie gegen 18 Uhr auf die Bühne bat. Bereits in seiner Moderation des vergangenen Politischen Aschermittwochs war Kuhn mit derbsten Sprüchen über Geflüchtete aufgefallen: „Wer Gastrecht bricht in unserem Haus, der fliegt achtkantig wieder raus! Man sollte ihn in Ketten legen, ab in die Heimat: Straße fegen!“ Ungeachtet dessen durfte er auch dieses Jahr wieder durch die Veranstaltung führen und bat AKK mit flachen Reimen auf die Bühne: „AKK drum sei ein Schatz. Komm hoch zu mir – hier ist dein Platz! Der ganze Saal ist jetzt perplex, erklär uns doch den ‚Unisex‘.“ Damit bezog er sich auf Kramp-Karrenbauers Büttenrede vergangenen Donnerstag vor dem baden-württembergischen „Stockacher Narrengericht“. Ihre Witze über Intersexuelle hatten heftige Kritik ausgelöst. Sie hatte sich über „Toiletten für das dritte Geschlecht“ mit den Worten lustig gemacht, dass diese für die Männer seien, „die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette.“
Zu der Kritik geäußert hatte sich Kramp-Karrenbauer seitdem nicht – bis jetzt. Gleich zu Beginn ihrer gut 40-minütigen Rede ging sie in die Offensive und beklagte sich selbst als Opfer übertriebener politischer Korrektheit. „Hättet ihr euch mal lieber die ganze Veranstaltung angeschaut“, rief sie unter tosendem Applaus des Publikums ihren KritikerInnen entgegen. Es sei in ihrer Rede nie um das „dritte Geschlecht“ gegangen, sondern um „die Frage nach Emanzen, nach Machos und um das Verhältnis zwischen Mann und Frau“.
Sie mache sich Sorgen über die Tradition von Karneval und Festnacht, wo man „nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen“ müsse. Die Reaktion auf ihren missglückten Witz nahm Kramp-Karrenbauer als Aufhänger für einen Rundumschlag gegen all diejenigen, die von einer CDU-Vorsitzenden und potenziellen Kanzlerkandidatin forderten, nicht ausgerechnet über Minderheiten Witze zu machen.
„Es ist alles ein Wahnsinn, was wir hier erleben“, sagte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf zwei Kindergärten in Hamburg, die den Kindern „Indianer oder Scheich“ als Kostüm verboten hatten. Sie wünsche sich ein Land, in dem Kinder einfach Kinder sein könnten, ohne dass man ihnen „mit drei Jahren schon sagt, dass sie kultursensibel sein müssen“.
Wenig Verständnis für rassistische Diskriminierung
Wenig Verständnis hatte Annegret Kramp-Karrenbauer also auch für die Anliegen von kulturellen Minderheiten und People of Color in Deutschland, bei der Kostümierung nicht mehr rassistisch oder durch kulturelle Aneignung klischeehaft dargestellt werden zu wollen. Stattdessen, so die CDU-Chefin, zeige die Debatte, dass es in Deutschland anscheinend keine „wirklichen Probleme“ mehr gebe.
Etwas versöhnlichere Töne schlug Kramp-Karrenbauer dagegen an, als sie auf die bevorstehende Europawahl zu sprechen kam. Die sei keine normale Europawahl, sondern es gehe jetzt um die Frage, „was wir in Deutschland, was wir in Europa für wichtig halten, was wir für Werte haben“. So habe Europa geholfen, dass Deutschland wiedervereinigt sei und es keinen eisernen Vorhang mehr gebe.
Während sie die aufgehobenen innereuropäischen Mauern lobte, sodass „wir ohne Grenzen zwischen unseren Nachbarländern sicher und frei leben können“, forderte sie im nächsten Atemzug direkt den gemeinsamen Schutz der Außengrenzen. Dabei warf sie auch den anderen Parteien vor, niemand von ihnen hätte „Ideen und die Kraft, sich für Europa wirklich einzusetzen“.
Laute Kritik am Koalitionspartner
Vor allem gegen den Koalitionspartner SPD teilte Kramp-Karrenbauer mehrmals aus. Während der Rede wurde ihre Stimme immer lauter. Als sie gegen Finanzminister Olaf Scholz austeilte, überschlug sie sich geradezu. Ihm warf sie vor, immer nur dann die Bundesschatulle zu zücken, wenn es um die Finanzierung von Vorschlägen seiner Partei gehe, hingegen könnten „die mit den schwarzen Ministerien bluten“.
Die ablehnende Haltung der SozialdemokratInnen zu Rüstungsexporten in Länder wie Saudi-Arabien strafte sie ab: Wenn man sich einmal dazu entschieden habe, eine Rüstungsgüter-Industrie im Land zuzulassen, dürfe man diese nicht anschließend wieder hintertreiben.
Von der Basis der ChristdemokratInnen erhält sie an diesem Abend jubelnden Applaus und zum Ende sogar Standing Ovations. Ob ihre Taktik, ihr hartes, konservatives Profil zu schärfen, auch bei den WählerInnen ankommt, wird sich in den kommenden zwei Monaten zeigen: Neben der Europawahl stehen dieses Jahr in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auch drei wichtige Landtagswahlen an.
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