ESC und die Ukraine: Kein Auftritt in Tel Aviv
Nach dem Streit um die Siegerin des nationalen Vorentscheids Maruv sagt Kiew seine Teilnahme ab. Ex-Gewinnerin Ruslana hält das für falsch.
Doch auch „Freedom Jazz“ und „Kazka“, die bei der Vorentscheidung den zweiten und dritten Platz belegt hatten, lehnten ab. Man habe sehr lange gearbeitet, um die Vorentscheidung zu gewinnen, erklärte „Kazka“ auf ihrer Facebook-Seite. Die Gruppe wolle mit ihrer Musik Menschen vereinen, nicht Zwietracht säen. „Einen Sieg um jeden Preis“ wolle man jedoch nicht.
Das ukrainische Show-Geschäft, so Surab Alasanija, Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, auf seiner Facebook-Seite, sei in einer Zwickmühle. Trotz eines fünf Jahre anhaltenden militärischen Konfliktes hätten ukrainische KünstlerInnen mit dem Show-Business des „Aggressor-Staates“ sehr enge Beziehungen. „Für einen Teil der Gesellschaft ist dies akzeptabel, bei einem anderen Teil der Gesellschaft stößt dies jedoch auf Empörung und Ablehnung.“
Gleichzeitig räumt der öffentlich-rechtliche Sender ein, die Regeln nicht klar genug vor der Auswahl bekannt gegeben zu haben. In Zukunft müssen diese vor dem Auswahlverfahren bekannt sein, schreibt der Sender in einer Erklärung. Dabei gelte es, „den Kontext zu berücksichtigen, in dem die ukrainische Gesellschaft heute lebt: die Besetzung eines Teils des Territoriums durch einen Aggressor-Staat und den schon fünf Jahre anhaltenden Krieg für die Unabhängigkeit“.
Gesicht des Landes
Ruslana Lyzhychko, die 2004 als erste Ukrainerin den ESC gewonnen hatte, ist wütend über den Rückzug der Ukraine vom diesjährigen Contest. Auch 2004 hätten zwei Teilnehmer der Ausscheidung das Angebot abgelehnt, für die Ukraine an der Eurovision teilzunehmen, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite. Es gehe hier nicht nur um eine Teilnahme an einem Wettbewerb. Es gehe um das Gesicht des Landes. „Die Absage ist ein Schritt zurück.“
Verwunderlich erscheint vielen, dass ausgerechnet Surab Alasanja die Absage an Maruv und den Rückzug von dem diesjährigen Contest rechtfertigt. Alasanja war am 31. Januar 2019 als Chef des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes fristlos gefeuert worden. Unter anderem auch deswegen, weil er nicht ausreichend über Präsident Pedro Poroschenko – am 31. März finden in der Ukraine Präsidentenwahlen statt – berichtet haben soll.
Nur dank eines Aufschreis in der Öffentlichkeit und einiger Medien wurde sein Vertrag im Februar bis zum Mai verlängert. Alasanja, der sich im Konflikt beim Song-Contest zwischen Politik und Showgeschäft auf die Seite der Politik gestellt hatte, dürfte im Mai, wenn es um eine mögliche Vertragsverlängerung geht, nicht mehr auf eine Unterstützung durch Kollegen im Showgeschäft setzen.
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