Krawalle in Frankreich: Jetzt wird die Schuldfrage gestellt

Der Tod zweier von der Polizei verfolgter Jugendlicher löst Zusammenstöße in Grenoble aus. Das erinnert an Unruhen in der Pariser Banlieue.

Polizeipatrouillie am Sonntag Abend in Grenoble

Polizeipatrouillie am Sonntagabend in Grenoble Foto: afp

Paris taz | Seit dem Tod von zwei von Polizisten verfolgten Jugendlichen am Samstag kommt Grenoble nicht zur Ruhe. Die nächtlichen Straßenschlachten mit den Ordnungskräften weiteten sich in den darauf folgenden Nächten vom Quartier Mistral auf andere Viertel der Stadt in den Alpen im Südosten Frankreichs aus.

Im Verlauf der heftigen Konfrontationen waren Dutzende von Autos verbrannt worden. Die meist sehr jungen Bewohner des Stadtteils hatten protestiert, weil sie die Polizei für den Tod des 17-jährigen Adam und des 19-jährigen Fatih verantwortlich machen.

Eine Untersuchung soll abklären, was am Samstag genau geschehen ist und namentlich, ob die Polizei in irgendeiner Weise eine Schuld trägt. Auf Twitter war am Mittwoch zu diesem Zweck ein Zeugenaufruf zu sehen. Für die Justizbehörden geht es zunächst einmal um die Aufklärung eines Verkehrsunfalls.

Am Samstag versuchten Polizeibeamte nach 21 Uhr zuerst vergeblich, zwei Jugendliche für eine Kontrolle anzuhalten, die ohne Helm auf einem Motorroller ohne Nummernschild fuhren. Es soll sich um eine gestohlenes Motorrad handeln. Wenig später nahm ein Polizeifahrzeug die Verfolgung auf.

An die Wand gedrückt

Die Flucht durch die Straßen von Grenoble endete mit einem schweren Zusammenstoß, als der Motorroller einen Reisebus rechts zu überholen versuchte. Der Busfahrer hatte in diesem Moment das mit Blaulicht und Sirene nahende Polizeifahrzeug bemerkt und wollte ihm das Überholen erleichtern. Dabei wurde das Motorrad mit den beiden Jugendlichen auf der rechten Seite an die Wand gedrückt.

Auf einer Pressekonferenz betonte der Staatsanwalt, Eric Brillant, zu keinem Zeitpunkt habe das Polizeifahrzeug den Roller berührt oder in sonst einer direkten Weise den Unfall verursacht.

Eine Untersuchung soll klären, ob die Polizei in irgendeiner Weise eine Schuld trägt

Das hat aber andere Jugendliche im Quartier Mistral nicht überzeugt oder beruhigt. Für sie sind die Polizisten wegen der Verfolgungsjagd schuld am Tod von Adam und Fatih. Noch am selben Abend kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf ein 16-Jähriger am Auge schwer verletzt wurde.

Die Mutter des Jugendlichen hat eine Strafanzeige wegen Körperverletzung eingereicht. Ob er bei den Zusammenstößen von einem Hartgummigeschoss der Polizei getroffen wurde, wie sie behauptet, steht noch nicht fest.

Weitere Eskalation

Der Vorfall führte zu einer weiteren Eskalation. Auch Jugendliche in anderen Stadtteilen protestierten mit Sachbeschädigungen gegen die „Polizeigewalt“. Laut der Lokalpresse wurden bei diesen Krawallen von Hochhausdächern Molotowcocktails auf die Ordnungskräfte geworfen. Zwei verletzte Beamte der Ordnungspolizei CRS mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Am Mittwoch waren nach einer etwas ruhigeren Nacht in mehreren Vierteln von Grenoble noch die Wracks der ausgebrannten Autos zu sehen. Am Nachmittag war ein Schweigemarsch für die beiden toten Jugendlichen geplant, an dem auch der grüne Bürgermeister Eric Piolle teilnehmen wollte. Bei einem Besuch im Quartier Mistral hatte er die Bewohner zur Ruhe gemahnt.

Was seit dem Samstagabend in Grenoble passiert ist, weckt tragische Erinnerungen an frühere ähnliche Ereignisse, die ebenfalls schwere Krawalle zur Folge hatten. 2005 hatte eine Polizeipatrouille in Clichy-sous-Bois bei Paris wegen einer banalen Personenkontrolle zwei Jugendliche verfolgt, die auf ihrer Flucht von einem Stromschlag getötet wurden.

Das löste eine landesweite Welle von gewaltsamen Unruhen in der sogenannten Banlieue aus und verdeutlichte die latente Spannung zwischen ausgegrenzten Jugendlichen in den Vororten und der von der Polizei verkörperten Staatsmacht.

An der Lage der Banlieue-Jugendlichen hat sich wenig geändert. Frankreich aber hat permanente Angst vor einer Neuauflage landesweiter Krawalle in den Vorstädten.

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