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Digitalpakt verabschiedetHausaufgaben für die Länder

Der Bundestag hat dem Digitalpakt zugestimmt. Doch die eigentliche Arbeit beginnt erst. Die Länder müssen die Lehrer fortbilden.

Digitale Zukunft? Die insgesamt 5 Milliarden Euro des Digitalpakts sind wohl vor allem Symbolpolitik Foto: Imago / Photothek

Berlin taz | Am Ende ging es dann doch ziemlich schnell. Gerade mal 21 Minuten brauchte der Vermittlungsausschuss am Mittwochabend, um dem Kompromiss zur Grundgesetzänderung zuzustimmen. Damit ist auch endlich der Weg frei für den Digitalpakt, über den Schulen mit Laptops, WLAN und Lernplattformen ausgestattet werden sollen. Der Bundestag stimmte dem Kompromiss am Donnerstag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu.

Zuvor hatten Politiker von Bund und Ländern mehr als zwei Jahre miteinander gerungen – zuletzt über die verfassungsrechtlichen Grundlagen.

Was lange währte, scheint tatsächlich ganz gut geworden zu sein. Der nun gefundene Kompromiss bekommt jedenfalls von allen Seiten Lob: „Der Bund hat sich damit durchgesetzt, dass Finanzmittel zusätzlich gezahlt werden müssen, und er hat gewisse Kontrollrechte“, meint etwa der digitalpolitische Sprecher der Union, Tankred Schipanski, zur taz. Die Länder müssten nun Qualität, Transparenz und Vergleichbarkeit im Bildungswesen liefern.

Auch der Koalitionspartner SPD ist zufrieden. „Mit dem Digitalpakt kann der Bund nun die Schulen und die Schulträger unmittelbar unterstützen“, sieht der bildungspolitische Sprecher der SPD, Oliver Kaczmarek, wesentliche Wünsche der SPD umgesetzt. Er wertet den Pakt als Auftakt für mehr Kooperation von Bund und Ländern im Bereich Bildung.

Nicht nur „Kabel und Beton“ finanzieren

Auch die Opposition ist zufrieden. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, und FDP-Fraktionschef Christian Lindner bekundeten gleich nach der Sitzung des Ausschusses in einem gemeinsamen Statement ihre Zustimmung. Und sie klopften sich gegenseitig auf die Schultern: „Wenn Freie Demokraten und Grüne kooperieren, kann man Gutes bewirken“, versuchte Lindner Punkte bei den Grünen zu sammeln.

FDP und Grüne im Bundestag hatten sich zusammen dafür starkgemacht, dass der Bund auch Personal und nicht nur „Kabel und Beton“ finanzieren darf. Für einen begrenzten Zeitraum ist das nun laut Kompromiss möglich, so können etwa mit dem Geld aus dem Digitalpakt auch Systemadministratoren zur Wartung der neuen digitalen Infrastruktur befristet angestellt werden.

Im Vermittlungsausschuss hatten Bund und Länder darum gerungen, wie viel Einfluss der Bund im Gegenzug für finanzielle Hilfen an die Länder nehmen darf. Die vom Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung, wonach die Länder Finanzhilfen des Bundes in mindestens gleicher Höhe bezuschussen hätten müssen, hatte die Länder so geärgert, dass sie den Gesetzentwurf aus dem Bundestag im Bundesrat im Dezember ablehnten.

„Natürlich auch ein Stück Symbolpolitik“

Der nun gefundene Kompromiss sieht vor, dass der Bund Finanzhilfen „zusätzlich“ zur Verfügung stellt. Welchen Anteil die Länder beitragen, wird – wie bereits jetzt üblich – von Fall zu Fall ausgehandelt. Für den Digitalpakt gilt beispielsweise, dass der Bund 90 Prozent der Kosten trägt, nämlich 5 Milliarden Euro, die Länder steuern 10 Prozent bei. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, CDU, würde am liebsten sofort loslegen. „Jetzt können wir dafür sorgen, dass digitale Bildung in den Schulen ankommt“, meinte sie am Mittwochabend. Mitte März muss aber zunächst der Bundesrat zustimmen – ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit.

Dass über den Digitalpakt nun mit einem Schlag der beträchtliche Rückstand bei der Digitalisierung beseitigt wird, den deutsche Schulen etwa gegenüber den schwedischen aufweisen, ist indes nicht zu erwarten. Dazu ist auch die im ersten Moment imposante Summe von 5 Milliarden Euro zu gering, die wohlgemerkt über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt wird. Verteilt wird das Geld an die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach Einwohnerzahl und Finanzkraft.

Thüringen etwa stehen jährlich 27 Millionen Euro Digitalpaktgelder zu – bei einem Bildungsetat von 1,6 Milliarden Euro sind das nicht mal 2 Prozent. „Natürlich ist der Digitalpakt auch ein Stück Symbolpolitik“, sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow der taz. Aber er sei ein gutes Symbol und nehme die Länder in die Pflicht. „Wir werden uns anstrengen müssen, dass wir in den nächsten Jahren noch wesentlich mehr Geld drauflegen.“

80 Prozent der Lehrkräfte für digitale Fortbildung

Aber damit erschöpft sich die Verantwortung der Länder nicht. Diese müssen unter anderem dafür sorgen, „dass die Qualifizierung des Lehrpersonals entsprechend den Anforderungen des Digitalpakts sichergestellt ist“. So steht es im Entwurf der Verwaltungsvereinbarung zum Digitalpakt zwischen Bund und Ländern, die unterschriftsreif vorliegt.

Und im Fach „Qualifizierung“ erwartet die Länder ein Berg von Hausaufgaben wie Fachleute voraussagen. „Die größte Herausforderung ist nun die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte“, sagt etwa Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn. Die Professorin für Schulpädagogik forscht seit Jahren zur Medienkompetenz von Lehrerinnen und Lehrern. Sie betreut den deutschen Teil der internationalen Vergleichsstudie International Computer and Information Literacy Study, ICLIS, die den Einsatz digitaler Medien an Schulen untersucht.

Was sie beobachtet: Rund 80 Prozent der Lehrkräfte wünschen sich eine Fortbildung, wie sie digitale Medien im Unterricht einsetzen. Doch nur eine Minderheit belege tatsächlich einen entsprechenden Kurs. Was, so Eickelmann, auch daran liege dass es schlicht nicht genügend Angebote gebe: „Im internationalen Vergleich ist Deutschland da Schlusslicht.“ Eickelmann warnt davor, die Schulen nur mit IT-Geräten auszustatten, aber medienpädagogisch nicht ausreichend zu begleiten.

Eine bundesweite Bestandsaufnahme zur Lehrerfortbildung, die der einstige Hamburger Schulrat Peter Daschner im Herbst 2018 veröffentlichte bestätigt Eickelmanns Befürchtungen: Die Bundesländer haben das Thema Lehrerfortbildungen in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt. Während die Länder ihre Ausgaben für Schulen von 2002 bis 2015 um ein Drittel erhöhten, sanken die Ausgaben für Fortbildungen laut Daschners Studie im gleichen Zeitraum um 10 Prozent. „Es gibt Fortbildungen im Digitalen, aber nicht in dem Maße, wie man es braucht“, sagt Daschner. Und es fehle an passenden Angeboten.

Schlüsselkompetenz „Digitales Lernen“

Eine rühmliche Ausnahme bei der digitalen Fortbildung bildet Hessen. Seit 2013 – so früh wie in keinem anderen Bundesland – können sich Grundschulen zu sogenannten „Internet-Abc-Schulen“ qualifizieren lassen. Dafür hat die hessische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk im Auftrag des Kultusministeriums ein mehrstufiges Konzept erarbeitet: Zunächst nehmen mindestens zwei Lehrkräfte einer Schule an einem zweitägigem Seminar teil. Dort werden die Module besprochen, die sie später im Unterricht mit den Dritt- und Viertklässlern durchnehmen sollen: Wie funktioniert das Internet? Wie recherchiert man im Netz? Welche Gefahren lauern dort? Zusätzlich muss die Schule einen Elternabend zum Projekt durchführen und die Eltern einbinden.

Mittlerweile können sich 413 Grund- und Förderschulen Internet-Abc-Schulen nennen. 102 weitere Schulen kommen in diesem Schuljahr dazu.

Die SchulleiterInnen müssen außerdem schriftlich erklären, dass sie digitales Lernen neben Schreiben, Rechnen und Lesen als vierte „Schlüsselkompetenz“ anerkennen. „Dass wir die Schulleiter zu diesem Selbstverständnis verpflichten, ist ein wichtiger Bestandteil für den digitalen Wandel“, sagt Sandra Bischoff, die das Projekt bei der Landesmedienanstalt Hessen leitet.

Mittlerweile können sich 413 Grund- und Förderschulen „Internet-Abc-Schulen“ nennen. 102 weitere Schulen kommen in diesem Schuljahr dazu. „Damit sind fast die Hälfte der hessischen Grundschulen qualifiziert“. Ähnliche Qualifizierungen für Grundschulen gibt es laut Bischoff auch im Saarland, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Thüringen. „So weit wie wir ist aber niemand“, ist sie sich sicher.

Dennoch erkennt Bischoff auch in Hessen noch dringenden Handlungsbedarf: „Bei der technischen Ausstattung sind die Grundschulen noch längst nicht auf dem Stand.“ Da, so hofft sie, kommen mit dem Digitalpakt endlich technische Geräte und schnelles Internet an die Schulen. Einen großen Malus gibt es auch in Hessen, wie Bischoff einräumt: „Bisher melden sich die Schulen nur dann bei uns, wenn sie Interesse an der Fortbildung haben.“

Das ist in den meisten Bundesländern so. Zwar sind LehrerInnen in allen Bundesländern gesetzlich verpflichtet sich fortzubilden, doch nur Bayern, Bremen und Hamburg haben diese Verpflichtung konkretisiert. Und so lautet ein weiterer Befund aus Daschners Studie: Ob und wie LehrerInnen ihre Fortbildungspflicht wahrnehmen bleibt, meist Privatsache.

Die Länder müssen also noch viel Stoff nacharbeiten. Bischoff von der Landesmedienanstalt Hessen meint daher: Selbst wenn das Ministerium die Schulen nun zu Fortbildungen verpflichten würde, dürfte es noch „viele Jahre“ dauern, bis ein Großteil der Lehrkräfte im Land wirklich fit für den digitalen Unterricht sind.

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