Hungern und auch frieren

In Bremen werden seltener Strom und Wasser abgestellt als früher. Einen Härtefallfonds für Betroffene wird es aber auch weiterhin nicht geben, Verbote schon gar nicht

Kerzenlicht ist nicht immer romantisch Foto: Julian Stratenschulte/dpa

VonJan Zier

Die Zahl der Wasser- und Energiesperren im Land Bremen ist seit 2015 um fast ein Viertel gesunken. Das vermeldet der „Runde Tisch“, ein Bündnis, zu dem neben dem Energieversorger swb Behörden, Ämter, Jobcenter und Hilfsorganisationen gehören. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Gas-, Wasser- und Stromsperren 2018 von 6.369 auf 5.581 gesunken – also um 12,4 Prozent.

Bei der swb spricht man von „tollen Zahlen“ und einem Erfolg der 2015 gestarteten Kampagne „Zappenduster!“, zu der neben der Website www.sos-stromsperre.de auch Faltblätter in fünf Sprachen, die kostenlose Telefon-Hotline 0800/8765430 und Energiebudgetberatungen gehören. Von Januar 2017 bis Dezember 2018 habe es 283 solcher Gespräche gegeben, so die swb. In diesem Jahr will der „Runde Tisch“ verstärkt auf Präventionsmaßnahmen setzen und mit Wohnungsbaugesellschaften kooperieren, die bisher nicht Teil der Initiative sind.

Insgesamt gab es 1.800 weniger Sperreinsätze als noch vor drei Jahren, so die swb. Droht eine solche Sperre, können inzwischen auch MitarbeiterInnen der am Runden Tisch vertretenen Ämter und Einrichtungen diesen Prozess vorerst stoppen. Kurz bevor Strom oder Wasser tatsächlich gesperrt werden, kommt ein „Gelber Schein“, eine letzte Zahlungsaufforderung, deren Kosten mittlerweile von 40,56 auf 15,71 Euro reduziert wurden. Und die Mahnung kostet jetzt drei Euro statt früher 4,50 Euro.

Für Michael Runge, Projektleiter beim Beschäftigungsprojekt „Förderwerk Bremerhaven“, ist das Problem ein viel grundsätzlicheres: Die Betroffenen hätten oft viele Probleme zugleich, aber schlicht kein Geld: „Hartz IV reicht einfach nicht aus.“ Und wer am Existenzminimum lebe, könne sich trotz finanzieller Hilfen kaum wasser- und energiesparende Neugeräte leisten. Für die Anschaffung eines Kühlschrankes gibt es 61 Euro als Zuschuss zu Sozialleistungen im Rahmen einer Erstausstattung, 25 Euro von der swb und 150 Euro im Rahmen der Aktion „Stromspar-Check“. Diese Zuschüsse müssten „sinnvoll zusammengeführt“ und „insgesamt erhöht“ werden, so Runge. Und gerade betroffene Haushalte hätten oft einen „überdurchschnittlich hohen Energieverbrauch“, der auf „ineffiziente Geräte“ zurückzuführen sei, so Runge.

In Bremen gab es 2018 insgesamt 4.212 Strom- und Wassersperren, in Bremerhaven 1.369. 2017 waren es 4.872 in Bremen und 1.479 in Bremerhaven. 2014 5.536 beziehungsweise 1.679.

In Hamburg wurde 2017 rund 9.600 Haushalten der Strom abgestellt, in Schleswig-Holstein 14.400.

Bundesweit wurde 2017 fast 344.000 Haushalten wegen offener Rechnungen der Strom abgestellt. Das waren rund 14.000 Stromsperren mehr als noch 2016.

Die Linkspartei hat sich immer wieder für ein Verbot von Strom- und Wassersperren mindestens für die Winterzeit eingesetzt, nach dem Vorbild von Frankreich und Belgien. Zwar verpflichte die EU die Mitgliedstaaten, die Stromversorgung „schutzbedürftiger“ VerbraucherInnen sicherzustellen – dennoch sei nichts passiert, so Die Linke. 2016 starb ein 19-Jähriger aus Gambia an Kohlenmonoxidvergiftung, weil er nach einer Stromkappung durch die swb versucht hatte, Wasser auf einem Holzkohlegrill in seiner Wohnung zu erhitzen.

Die Grünen fordern seit Langem einen Härtefonds nach hannoverschem Vorbild. Der 150.000 Euro-Etat wird dort vom Energieversorger getragen und dient der Unterstützung Bedürftiger, denen Sperren drohen. Einen solchen Fonds gibt es in Bremen nicht – weder swb noch Senat wollten die finanzielle Deckung übernehmen.