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Kolumne PressschlagTransparent bei Razzia gefunden

Kolumne
von Johannes Kopp

Der Polizeieinsatz gegen die Ultras bei Eintracht Frankfurt scheint nur auf den ersten Blick irrational. Pyrotechnik ist ein willkommener Anlass.

Zündstoff: Eintracht-Fans brennen beim Pokalfinale in Berlin Feuerwerk ab Foto: dpa

U ltras sind in ihrer Mehrheit eigentlich nicht schwer zu verstehen. Sie lieben die großen Auftritte und ihre Freiheiten. Sie haben einen Faible für Machtdemonstrationen und halten sich für die letzte Instanz. Sie mögen Masseninszenierungen ihrer Heldenverehrung. Und sie neigen zur Pyromanie, weil sie gern überwältigende Bilder ihrer Leidenschaft produzieren, die sich im Internet zu wahren Klickmonstern auswachsen. Wie die Ultras von Zenit St. Petersburg, welche die Fahrt des Mannschaftsbusses am Donnerstag zum Stadion begleiteten und dabei einen Straßenzug spektakulär in Flammen aufgehen ließen.

Und die Polizisten sind in ihrer Mehrheit eigentlich auch nicht schwer zu verstehen. Sie lieben große Auftritte und ihre Freiheiten. Sie hat einen Faible für große Machtdemonstrationen und halten sich für die letzte Instanz. Und sie zündeln gerne, indem sie etwa einfach so tun, als ob sie die Ultras nicht verstehen. Das erweitert die eigenen Einsatzmöglichkeiten ungemein.

So war es auch beim Europa-League-Heimspiel der Eintracht Frankfurt gegen Schachtjor Donezk am Donnerstag. Eine Videobotschaft des Eintracht-Präsidenten Peter Fischer wurde zum Anlass genommen für einen Großeinsatz. Das Stadion müsse brennen, hatte Fischer vor dem wichtigen Rückspiel gesagt.

Mit Pyrospürhunden nahm sich daraufhin die Polizei die Ultras vor. Erfolglos. Es wäre das erste Mal im deutschen Fußball gewesen, dass ein Klubchef zugleich auch als Ultrachef aufgetreten wäre, und den Einsatzbefehl für eine große Pyrotechnikshow gegeben hätte. Der erste flammende Appell eines Vereinspräsidenten in der Geschichte des deutschen Fußballs war es im Übrigen nicht. Die Stimmung war dann beim Spiel auch prächtig, und die Eintracht erreichte mit einem berauschenden 4:1-Erfolg gegen die Ukrainer das Achtelfinale.

Aufwendig geplante Choreo abgesagt

Die Sicherheitskräfte mussten ihren Einsatz aber nicht mit leeren Händen beenden. Im Stadion, erklärte die Polizei in Frankfurt, habe man am Donnerstagabend einen Fan-Banner beschlagnahmt, auf dem Hessens Innenminister Peter Beuth geschmäht worden sei. Es „hatte einen Wortlaut auf unterstem, beleidigendem Niveau, das wir hier nicht wiedergeben wollen“, twitterte die Polizei. Transparent machten dagegen die Ultras über die sozialen Netzwerke das Ausmaß ihres Verbalverbrechens. Auf dem Spruchband stand: „Beuth, der Ficker fickt zurück!“ Es sei spontan aus Verärgerung aufgrund der vorherigen Ereignisse entstanden. Wegen des Polizeieinsatzes wurde außerdem eine aufwendig geplante Choreo abgesagt.

Es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie irrational im deutschen Fußball das Verhältnis zwischen Polizei und Ultras ist, und wie einfach Konflikte zu vermeiden wären. Dass dies nicht geschieht hat vermutlich mit anderen Interessen zu tun. Die Einsätze rund um die Bundesligastadien sind für die Polizei optimale Übungsgelegenheiten, um das ein oder andere einmal auszuprobieren.

Was die Eintracht sagt

Zur Wahrung eigener Rechtsansprüche hat Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt eine anwaltliche Untersuchung des Polizeieinsatzes vor dem Europa-League-Spiel gegen Schachtjor Donezk veranlasst. Dies teilten die Hessen am Freitag mit. Zudem übte der Verein in einer Pressemitteilung heftige Kritik an den polizeilichen Maßnahmen, die „nicht der Gefahrenabwehr“ gedient hätten und „weder geeignet, noch erforderlich, noch verhältnismäßig“ gewesen seien. Dass der Verein als in jeglicher rechtlicher Hinsicht in der Haftung stehender Veranstalter nicht mit einbezogen wurde, komme einem Eklat gleich. (dpa)

Beim Spiel zwischen Schalke und Düsseldorf Anfang Februar kam etwa erstmals die neu geschaffene Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) zum Einsatz. Eine Spezialeinheit in Nordrhein-Westfalen, die auch bei gewalttätigen Demonstrationen künftig ihren Wert unter Beweis stellen soll. Die Lobby der so genannten „Fußballchaoten“ ist zu gering, als dass bei derlei Experimenten die Proteste zu groß werden würden.

Wichtig ist dabei, dass die Gefahr, die von den Ultras ausgeht, stets thematisiert wird. Hessens Innenminister Beuth hat vergangenen Herbst erst Gefängnisstrafen für den Einsatz von Pyrotechnik im Stadion gefordert. Nach der Logik hätte man eigentlich vor der Partie in Frankfurt Eintracht-Präsident Fischer als ideellen Brandstifter verhaften müssen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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8 Kommentare

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  • Danke. Is mir ja ne fremde Welt.

    Aber das Trainingscamp illegal de Bullerei & Innen - scheint mir gut ausgeleuchtet.

    unterm——-Schland —

    Der Zwölf-Elf

    Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand:



    Da schlägt es Mitternacht im Land.







    Es lauscht der Teich mit offnem Mund



    Ganz leise heult der Schluchtenhund.







    Die Dommel reckt sich auf im Rohr



    Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.







    Der Schneck horcht auf in seinem Haus



    Desgleichen die Kartoffelmaus.







    Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast



    auf einem windgebrochnen Ast-







    Sophie, die Maid, hat ein Gesicht:



    Das Mondschaf geht zum Hochgericht.







    Die Galgenbrüder wehn im Wind.



    Im fernen Dorfe schreit ein Kind.







    Zwei Maulwürf küssen sich zur Stund



    als Neuvermählte auf den Mund.







    Hingegen tief im finstern Wald



    ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:







    Dieweil ein später Wanderstrumpf



    sich nicht verlief in Teich und Sumpf.







    Der Rabe Ralf ruft schaurig: »Kra!



    Das End ist da! Das End ist da!«







    Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand:



    Und wieder schläft das ganze Land.“







    Ja - So's End - hätten‘s gern.



    Die Öberschten Dam&Herrn.



    &



    Ha no - & VXXL-Wiedermal.Normal.

    Na Mahlzeit

    ——-



    www.textlog.de/17373.html

  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    Angesichts der nicht stattfindenden Polizeigewalt dieser Tage - glaubt man den Bürgermeistern, Innenministern und Polizeiführern der Republik - wünscht man sich als gewaltmonopolisierter Bürger deutlich mehr Realismus und weniger Ressourcenverschwendung für Vertuschungen und Rechtsbeugungen/ Rechtsbrüche durch die Polizeien.



    Clankriminalität, Gewaltexzesse von Rechten, Kleinkriminellen und eine zunehmende Verrohung des Umgangs mitteinander, wären Betätigungsfelder in denen auch mit Testosteron geladene Jungkrieger unter den Verwaltungsangestellten in Uniform, sowie an Kriegstaktik und -Ausrüstung interessierte Polizeiführer ihre Fetische zielführend ausleben könnten und dabei jede Menge Menschen gewaltmonopolisieren könnten.



    Stattdessen werden - zwar seit den 1960er Jahren gewohnt aber durch Ausrüstung und Masslosigkeit nun deutlich gefährlicher - zunehmend unzufriedene Bürger zum Ziel von repressiver Gewalt durch die von ihren Steuergeldern bezahlten und zu dem Schutz ihrer verfassungsgemässen Grundrechte vereidigte Polizeibeamte.



    In Zeiten von staatlich geschütztem, jahzzehntelangem Raub von Steuergeldern der Grossspender der Parteien, in Zeiten von staatlich geschütztem Betrug und der Gesundheitsgefährdung durch Produkte der Automobilkonzerne, in Zeiten der staatlich geschützen Vergiftung von Natur und Menschen durch chemische Industrie und Agraraindustrie, in Zeiten von einem staatlich gewollt repressiven Arbeitsmarkt zugunsten des 1% und künftigen Arbeitgebern der Politprotagonisten...erscheint es nicht zufällig, das die Polizeien diejenigen in der Bevölkerung gewaltmonoplolisiert, die sich diesen offenen Angriffen auf demokratische Grundwerte und auf Grundrechte nicht schweigend unterordnen.



    Bezieht man nun noch die offen rechtsextremen Strukturen und deren verfassungsfeindliche politische Aktivitäten in den Polizeien mit ein, wirkt auch die Untätigkeit gegenüber rechten Extremisten nicht mehr unverständlich. Sondern politisch gewollt. So sieht Realität aus.

    • @99140 (Profil gelöscht):

      „...erscheint es nicht zufällig, das die Polizeien diejenigen in der Bevölkerung gewaltmonoplolisiert, die sich diesen offenen Angriffen auf demokratische Grundwerte und auf Grundrechte nicht schweigend unterordnen.“

      Übrigens ist die Personalie Peter Beuth unweigerlich mit der Spionage-Software “Hessendata“ (Produkt: “Gotham“ der US-CIA-Firma Palantir) verbunden; damit spielt die hessische Polizei defacto Geheimdienst, was sie laut Verfassung nicht darf (Trennungsgebot).



      Diesen Auftrag hat Peter Beuth - ohne Ausschreibung - an Palantir direkt vergeben, „Der wahre Preis bleibt geheim...“, schreibt die Süddeutsche Zeitung (s.u.) hierzu; ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag wurde von den Oppositionsparteien einberufen.



      Über Hessendata sagt beispielsweise der Frankfurter/Main Polizeipräsident, Gerhard Bereswill, stolz: „...der hessische Datenschutzbeauftragte habe alles abgesegnet.“ Der Einsatz der hessischen Spionage-Software soll polizeilich sukzessive ausgeweitet werden.

      “Gotham am Main“ (Süddeutsche Zeitung, 18.10.18)

      www.sueddeutsche.d...-am-main-1.4175521

      “Palantir-Mitbegründer: 'Wir arbeiten mit fast jeder Demokratie im Westen'“ (heise online, 19.02.19)

      www.heise.de/newst...esten-4313226.html

  • taz-Zitat: “(...) Hessens Innenminister Beuth hat vergangenen Herbst erst Gefängnisstrafen für den Einsatz von Pyrotechnik im Stadion gefordert. (...)“

    Aufenthalts- und Betretungsverbote gegen Eintracht-Fans in Frankfurt/Main

    “(…) Die Frankfurter Strafverteidigerin Waltraut Verleih, die regelmäßig Fußball-Fans vertritt, sieht die Betretungsverbote kritisch: „Wie nicht ungewöhnlich, löst die Polizei Kommunikationsdefizite mit Gefahrenabwehrmaßnahmen in bedenklicher handwerklicher Qualität“, sagt sie. Oft würden in den Verfügungen falsche Behauptungen über Straftaten gemacht. Zudem prüfe die Polizei nicht, ob es auch ein milderes Mittel gebe, etwa eine Gefährderansprache. (...)“ (Frankfurter Rundschau, 07.02.19)



    Das Polizeirecht folgt - zur Gefahrenabwehr - dem “Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Wahl der Mittel“. “Gefährderansprachen“ sind hier ein geeignetes und ausreichendes Mittel (erste Wahl), weil sie nicht so (einschneidend) Grundrechtsintensiv sind wie Aufenthalts- und Betretungsverbote (Freiheit d. Person).



    Was die hessische “Beuth-Polizei“ derzeit in Frankfurt/Main praktiziert folgt eher dem Grundsatz: “Mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Derartige “Unverhältnismäßigkeit“ darf es nach deutschem Polizeirecht nicht geben – das lernt jede/r Polizeischüler/in im ersten Ausbildungsjahr.

    • @Thomas Brunst:

      Nur leider ist "Unverhältnismäßigkeit" polizeilicher Maßnahmen ein völlig unsanktioniertes Fehlverhalten, mehr als ein bisschen "so geht das nicht" im schlimmsten Fall muss kein Polizeiführer befürchten. Wenn man vom stinkenden (Fisch-)Kopf ausgeht, wird sie sogar mit Aufstieg zum Vizekanzler belohnt.

      • @undnix:

        Das ist richtig! Und leider hat ein verwaltungsrechtlicher Widerspruch der Betroffenen Fans gegen diese polizeiliche Maßnahme (Verwaltungsakt) auch “keine aufschiebende Wirkung“, selbst wenn diese sich später als unrechtmäßig herausstellt.



        Übrigens soll es schon die ersten T-Shirts von Eintracht-Fans mit “Der Ficker fickt zurück“ geben. Die Rache der Fans, welche durch Artikel 5 Grundgesetz (Meinungs- und Pressefreiheit) abgedeckt ist.

  • Wer den Aufruf des Präsidenten liest, ahnt sofort, dass dieser nicht die hellste Lampe im Waldstadion ist; da muss man seinen AfD Nonsens gar nicht kennen. Er kennt jedenfalls seine sog. "Fans" offensichtlich nicht, die in der europäischen Liga der Problemzuschauer ganz oben mitspielen.

    Warum entgleisen eigentlich die Zuschauer nicht in schöner Regelmäßigkeit bei Leichtathletik, Formel 1 oder Skispringen?

    • @Trango:

      @Trango

      Dann haben Sie aber viele Übertragungen von Skispringen und Formel 1 verpasst.

      Da wird seit 2-3 Jahren mindestens genau so viel Pyro gezündelt (wie übrigens auch bei Open-Air-Konzerten).

      Scheinbar wirkt die Propanganda von Beuth und Konsorten in Sachen Fußballfans als Sündenbock.

      Ich möchte hier nicht Pyro in Fußballstadien gutheissen aber der Fußball wird zur Zeit benutzt um seine Ziele durchzudrücken:

      Veranstalter zahlen selbst für die Sicherheit.

      Mehr Videoüberwachung.

      "Robustes" Vorgehen gegen Demonstranten (auch gegenüber Unbeteiligten).

      Zur Aktion im Frankfurter Stadion:

      Wie auf youtube zu sehen wurden zwei völlig Unbeteilige beim Polizeieinsatz schwer verletzt (Bruch des Lendenwirbel, Armbruch).

      Zu den Kosten von Polizeieinsätzen ist noch anzumerken, dass die Fußball Bundesliga den Städten, Land und Bund pro ca. Jahr 2 Millarden Euro einbringen. Die Kosten für die Sicherheit betragen ca. 500 Mio. Euro pro Jahr (Quelle: McKinsey, markforschung.de etc.)

      Open-Air Konzerte werden gerne von "Fußball-Hassern" besucht. Das Frankfurter Stadion mit seinen schönen Konzerten von Grönemeyer und Co. wurde übrigens zu ca. 95% von Eintracht Frankfurt finanziert (160 Mio. Euro Baukosten, 10 Mio. Euro Stadionmiete die Eintracht Frankfurt zahlt).