Mobilitiäts-App „Jelbi“: Und app geht's!
Eine App namens Jelbi soll alle, die kein eigenes Auto wollen, unkompliziert von A nach B leiten. Von der BVG bis zum Leihrad sind rund 20 Anbieter dabei.
Die BVG hat so richtig was auffahren lassen – im wahrsten Sinne des Wortes: In einer der riesigen Omnibus-Werkstatthallen an der Weddinger Müllerstraße parkt am Montagvormittag ein Dutzend Pkws unterschiedlicher Car- und Ridesharing-Anbieter vor einem E-Bus-Prototyp des landeseigenen Unternehmens. In der ersten Reihe stehen Leihräder in allen Farben und Formen sowie einer der orangefarbenen E-Roller, die jetzt jeden Sommer durch die Stadt sirren.
Dabei kann die Prominenz am Rednertisch gar nichts Handfestes bieten: Verkehrssenatorin Regine Günther, BVG-Chefin Sigri Nikutta und ihr Finanzvorstand Henrik Haenecke sowie Snezana Michaelis, Geschäftsführerin der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, sind gekommen, um eine App vorzustellen, die es noch gar nicht gibt. Aber wenn sie in ein paar Monaten heruntergeladen werden kann, soll sie eine kleine Revolution im Nahverkehr lostreten: die ultimative Vernetzung aller Angebote. Ein „Meisterstück“, wie Nikutta findet.
Ihr Corporate Design und einen Namen hat die Anwendung immerhin schon: Jelbi. Was erst mal irgendwie niedlich und smart klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein kleiner Rückfall aufs Icke-Dufte-Stulle-Niveau: „Von Berlinerisch ‚Jelb‘ für ‚Gelb‘“ leite sich Jelbi ab, bekommt man erklärt. Gelb, weil das die Farbe der BVG ist, die das Kooperationsprojekt von mehr als 20 Partnerunternehmen angeschoben hat. Programmiert wird die App vom Softwareentwickler Trafi, der eine vergleichbare Mobilitätsplattform bereits für die litauische Hauptstadt Vilnius geschneidert hat.
„Wir tun alles dafür, dass Sie sich ohne eigenen Pkw weiterbewegen können“, verkündet Henrik Hänicke und spannt einen großen Bogen: Bei der Gründung der BVG zum 1. Januar 1929 habe der damalige Gesamtberliner Verkehrsstadtrat Ernst Reuter den Einheitsfahrschein durchgesetzt – was dem vorherigen Tarifwirrwarr von U-Bahn, Tram und Bus nachhaltig ein Ende bereitete.
Die große Vereinfachung
Jetzt gehe es wieder um eine solche Vereinfachung: Statt 18 Mobilitätsapps oder noch mehr reiche künftig mit Jelbi eine einzige, um von A nach B zu kommen, egal ob im Doppeldecker, im Taxi oder auf dem Mietrad. Der Algorithmus kombiniere alles unter verschiedenen Gesichtspunkten – der Schnelligkeit, dem Preis, aber beispielsweise auch der Bereitschaft, bei schönem Wetter auf ein Zweirad zu steigen. Bezahlt wird ebenfalls über die App, das Geld fließt dann den jeweiligen Partnerfirmen zu. Bis Ende 2021 ist Jelbi vorerst gesichert.
Und dann? „Wir können uns nicht vorstellen, dass es nicht weitergeht“, sagt Hänicke. Im Gegenteil: Die Plattform sei offen für alle, weitere Anbieter willkommen. Tatsächlich fällt auf den zweiten Blick ins Auge, dass die großen Free-Floating-Carsharer, hinter denen Autokonzerne stehen, fehlen: Weder car2go (Mercedes) noch DriveNow (BMW) sind bis jetzt mit von der Partie, dabei bieten sie zusammen gut 2.500 Pkws in der Stadt an und wollen in Kürze als Joint Venture gemeinsam auftreten. Ob sie bei Jelbi einsteigen, ist völlig offen, aber nicht unerheblich für die bestmögliche Vernetzung aller, die kein eigenes Auto mehr wollen.
Dass Snezana Michaelis von der Gewobag mit von der Partie ist, obwohl Immobilien (!) ihr Geschäft sind, hat einen einfachen Grund: Die landeseigene Gesellschaft mit Häusern und Siedlungen in den meisten Bezirken steht bereit, um dem „Offline-Zwilling“ von Jelbi Raum zu geben: den sogenannten „Mobilitätshubs“. Vorstellen muss man sie sich als Parkplätze an Gewobag-Wohnanlagen in U- oder S-Bahn-Nähe, auf denen Fahrzeuge des Car- oder Bike-Sharing auf NutzerInnen warten.
Der erste „Hub“ (vom englischen Wort für „Radnabe“ im Sinne einer zentralen Verteilerstelle) wird schon am U-Bahnhof Prinzenstraße gebaut, die nächsten beiden sollen am U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz und der Kreuzung LandsbergerAllee/Petersburger Straße entstehen.
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