piwik no script img

Neues WertschöpfungskettengesetzSchnittmuster für eine bessere Welt

Hiesige Unternehmen sollen strengere Sorgfaltspflichten für die Beschäftigten in ausländischen Zulieferfabriken einhalten. Es drohen hohe Strafen.

Oktober 2015: Entwicklungsminister Müller beim Besuch einer Textilfabrik in Gazipur (Bangladesch) Foto: imago/Michael Gottschalk/photothek.net

Berlin taz | Der Druck auf deutsche Unternehmen steigt, die Menschenrechte von Beschäftigten im Ausland zu schützen. Das Bundesentwicklungsministerium von Gerd Müller (CSU) hat dazu den Entwurf eines Wertschöpfungskettengesetzes erarbeitet. Der Text mit Datum des 1. Februar liegt dieser Zeitung vor.

Das Vorhaben ist unter anderem eine Reaktion auf die Katastrophen in den asiatischen Fabriken Rana Plaza und Ali Enterprises, bei denen vor Jahren Hunderte Arbeiter*innen starben. „Die Position der Klä­ger*innen im KiK-Fall wäre mit einem solchen Gesetz besser gewesen“, sagte Miriam Saage-Maaß von ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights). Die Organisation hatte im Namen von Opfern auf Schmerzensgeld gegen den Textildiscounter KiK geklagt – und verloren.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist es ein Anliegen, die Zustände in den weltweiten Zulieferfabriken zu verbessern. Darüber, ob der Entwurf das richtige Mittel ist, herrscht in seinem Haus allerdings Dissens. Die Befürworter*innen hoffen auf die Unterstützung der Spitze ihres Ministeriums und von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Beide Ministerien veranstalten zusammen mit der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Bärbel Kofler, demnächst eine Konferenz, bei der der Entwurf eine Rolle spielen dürfte.

Der Entwurf enthält ein neues Gesetz für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen sowie geplante Änderungen unter anderem im Handelsgesetzbuch. Es wird genauer definiert, welche Pflichten hiesige Firmen für ihre Ableger und Auftragnehmer im Ausland haben. Dabei geht es um soziale und ökologische Standards, die in diversen internationalen Abkommen niedergelegt sind, aber heute oft nicht durchgesetzt werden.

Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte

Grundsätzlich müssten Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik dann stärker darauf achten, dass beispielsweise die Fabrikgebäude in Ostasien sicher gebaut sind und nicht zusammenbrechen, die Beschäftigten dort existenzsichernde Löhne erhalten, die maximal zulässige Arbeitszeit nicht überschritten und die Umgebung nicht durch giftige Chemikalien verseucht wird.

„Kommt das Gesetz durch, wäre es ein wesentlicher Fortschritt zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Natio­nen für Wirtschaft und Menschenrechte“, sagte Christian Scheper, Wissenschaftler am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Entwicklungs- und Bürgerrechtsorganisationen fordern ein solches Gesetz seit Jahren.

Es wäre ein wesentlicher Fortschritt zur Umsetzung der Menschenrechte

Laut Textentwurf sollen die Firmen interne Analysen durchführen, wo die menschenrechtlichen Risiken in ihren Produktionsketten liegen. Sie müssen Vorsorge leisten, dass die Risiken nicht eintreten. Jedes Unternehmen bräuchte einen „Compliance-Beauftragten“, der oder die dafür sorgt, die Sorgfaltspflichten einzuhalten.

Ausländischen Beschäftigten soll ein Beschwerdemechanismus in der jeweiligen Firma zur Verfügung stehen. Hinweisgeber müssen geschützt werden, sie sollen keine Nachteile erleiden. Das Ganze gilt vornehmlich für „große“ Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Konkret genannt werden im Gesetzentwurf unter anderem die Branchen Landwirtschaft, Energie, Bergbau, Textil-, Leder- und Elektronikproduktion.

Bußgelder und Freiheitsstrafen

Die Gewerbeaufsicht, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sollen die Regelungen gegenüber den Firmen durchsetzen und kontrollieren. Als Sanktionen werden Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro, Freiheitsstrafen und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge im Inland angedroht.

Fraglich erscheint allerdings, ob und wie das Gesetz den Zugang ausländischer Ar­beitnehmer*innen zur bundesdeutschen Justiz verbessert. Nach wie vor würden „viele Konstellationen nicht zivilrechtlich geltend gemacht werden können“, sagte Juristin Saage-Maaß, etwa „die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen und ausbeuterische Arbeitsbedingungen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ein guter Artikel von Hannes Koch, danke dafür.

    Manchmal dauern die Dinge in der Verwaltung eines Landes der Freien sozialen Marktwirtschaft eben etwas länger, ohne jemanden in unseren bisherigen oder unserer amtierenden Bundesregierung etwas unterstellen zu wollen.

    Wo es jetzt schon mal als Startsignal für die Grunderneuerung und einen Politikwechsel der Volksparteien, ein gutes Kita Gesetz gibt, warum soll es dann nicht auch ein gutes Bürgergeld oder Wertschöpfungskettengesetz geben.

    Es ist doch wohl auch ganz selbstverständlich für die vom Volk gewählten Vertreterinnen der sich ihrer Tradition bewussten und verantwortlich handelnden christlichen und sozialen Volksparteien unseres Landes, dass ihre Regierungspolitik, ohne wenn und aber, nicht nur den Schwerpunkt auf den ökologischen Fußabdruck, sondern auch auf den menschlichen Abdruck, den wir im Leben der Anderen hinterlassen setzen.

    Eine politische Entwicklung die eigentlich keine Wünsche der Wählerinnen mehr offen und uns wohl demnächst auch auf ein chancengleiches gutes Bildungsgesetz zur freien Entfaltung der Persönlichkeit hoffen lässt.

  • Das Ganze ist doch ein recht zahnloser Tiger. Als betroffenes Unternehmen würd ich einfach den Hauptsitz in ein anderes EU-Land verlagern und die entsprechenden Geschäfte und Märkte nur noch als Franchise laufen lassen. Damit umgeht man das Ganze recht einfach ohne viel öffentlichen Wirbel. Im Zweifel spart man dann auch noch einen Batzen Steuern und der einzige Verlierer wäre die Bundesrepublik.

  • Diese nationale Idee greift zu kurz: Wer in der EU Handel treibt oder den Handel vermittelt, soll für die Wertschöpfungskette haften.

    Das als EU-Regel eingeführt wäre ein Pfund, welches den gesamten Wettbewerb einschließt. Außerdem ist eine EU-Verordnung überstaatlich und kann damit nicht unbedingt in einem ISDS -Verfahren einem einzelnen Staat umgehängt werden.

    • @J_CGN:

      Wie soll ich für etwas haften, auf das ich keinen rechtlichen oder mittelbaren Durchgriff habe?

      • @Andi S:

        Das Mindeste ist die Wertschöpfungsketten dann zum Regress zu verpflichten.

        Den muss sich die haftende Entität dann zurückholen. Es lässt sich damit die Verantwortung zwar immer noch durchleiten, jedoch ist hier erstmal jemand greifbar. Damit wird der notwendige Druck erzeugt.