EU-Untersuchung zum Flugverkehr: Mehr Flüge, Krach und Emissionen
Flugzeuge sind sparsamer und leiser geworden. Der europäische Luftverkehr belastet die Umwelt aber immer stärker. Das zeigen neue Daten.
Die Zahl der Flüge werde bis 2040 innerhalb der EU um 42 Prozent, die Emissionen von Kohlendioxid und Stickoxid um mindestens 21 Prozent beziehungsweise 16 Prozent steigen, heißt es im Europäischen Umweltbericht zur Luftfahrt. Den Report haben die Europäische Agentur für Flugsicherheit, die Europäische Umweltagentur und die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) veröffentlicht.
Der Luftverkehr trägt erheblich zur Erderwärmung bei. Dem Bericht zufolge war er im Jahr 2016 für 13,4 Prozent des Ausstoßes im Verkehrssektor und für 3,6 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der 28 EU-Staaten verantwortlich.
Dennoch ist die Zahl der zurückgelegten Flugkilometer von 2014 bis 2017 um 20 Prozent auf 1,6 Milliarden Kilometer gestiegen. Die Kohlendioxid-Emissionen erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 10 Prozent auf 163 Millionen Tonnen, der Stickoxid-Ausstoß um 12 Prozent auf 839 Tausend Tonnen.
Steigende Emissionen trotz Effizienzgewinnen
Zwar sind die Flugzeuge sparsamer geworden: Der durchschnittliche Treibstoffverbrauch sank um 8 Prozent auf 3,4 Liter Kraftstoff pro 100 Passagierkilometer. Doch diese Effizienzgewinne werden durch das wachsende Verkehrsvolumen zunichtegemacht.
Noch schlimmer könnte es kommen, wenn die Überschallflugzeuge in Betrieb gehen, die zurzeit von US-Firmen mit Unterstützung der Regierung in Washington entwickelt werden. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Organisation ICCT schätzt: Wenn 2.000 dieser Modelle im Jahr 2035 im Einsatz sind, wird diese Flotte jährlich schätzungsweise 96 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Das entspricht mehr als 10 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland.
Falls eine solche Flotte mindestens 25 Jahre in Betrieb wäre, würden diese Flugzeuge laut ICCT insgesamt 1,6 bis 2,4 Gigatonnen Kohlendioxid emittieren. Das entspricht etwa einem Fünftel des Kohlenstoffbudgets für den internationalen Luftverkehr, das vertretbar wäre, wenn man die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will.
Effizienz bringt Klimaziel nicht näher
Die neuen Flugzeuge würden laut Studie auch große Teile der Welt – inklusive Deutschland – durch zusätzlichen Lärm belasten: Sie verursachen ständig einen Knall, wenn sie schneller als der Schall fliegen. In den am stärksten betroffenen Regionen gäbe es zwischen 150 und 200 Knalle täglich, bei einem 16-stündigen Flugtag wäre das ein Knall alle 5 Minuten, so die Experten.
Dabei wuchs die Zahl der von Fluglärm betroffenen Menschen schon von 2014 bis 2017 um 14 Prozent auf 2,58 Millionen, wie aus dem Bericht der Flugverkehrsbehörden hervorgeht. Diese forderten, dass die Branche bis 2050 „uneingeschränkt“ investieren müsse, um den Luftverkehr zu dekarbonisieren und die von der EU angestrebten Netto-null-Emissionen zu erreichen.
„Es gibt keine technische Lösung“, sagte Bill Hemmings, Leiter der Umweltorganisation Transport & Environment, der taz. „In den letzten sechzig Jahren sind die Düsentriebwerke immer effizienter geworden, aber weitere Effizienzgewinne werden aufgrund physikalischer Grenzen sehr viel schwieriger.“ Gleichzeitig steige der Verkehr und somit auch die Emissionen. „Dieses Rennen kann man nicht gewinnen, indem man in Effizienz investiert.“
Kostenvorteile für den Flugverkehr
Arne Fellermann, Verkehrsexperte der Umweltschutzorganisation BUND, verlangte, die Gesetze für die Branche zu ändern. Es gebe noch immer einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil für den Flugverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern. Bei Flügen würde beispielsweise keine Kraftstoffsteuer wie für Autofahrer*innen anfallen. „Das ist ein riesiger Kostenvorteil – und das merkt man auch an den Ticketpreisen der Billigflieger“, so Fellermann.
Der Mobilitätsforscher Andreas Knie hatte am Samstag im Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung vorgeschlagen, innerdeutsche Flüge aufgrund ihrer klimaschädlichen Wirkung zu verbieten. „Inlandsflüge kann man wirklich ersetzen, weil wir die Möglichkeit haben, stattdessen einen viel effizienteren und klimaschonenden Verkehrsträger wie die Bahn zu nutzen“, sagt dazu BUND-Experte Fellermann. Allerdings müsse dafür auch in die Bahn investiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland