Staatliches Tierwohl-Label: Nicht für jedes Schwein
Julia Klöckner (CDU) stellt Kriterien für ein staatliches Tierwohl-Label vor. TierschützerInnen kritisieren die Unverbindlichkeit des Siegels.
Scharfe Kritik kommt prompt von Tierschützern. Sie monieren vor allem die Unverbindlichkeit des Siegels, das nicht für alle Produkte vorgeschrieben ist. Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder sieht hier den „Grundfehler“: „Die große Mehrheit der Schweine bleibt damit auf der Strecke.“ Martin Häusling, Agrarkoordinator der Grünen im Europäischen Parlament, schätzt den Marktanteil der gekennzeichneten Produkte lediglich auf 20 bis 30 Prozent.
Für Klöckner soll die Kennzeichnung ein Mehr an Tierwohl anzeigen, „denn die Anforderungen liegen über den gesetzlichen Mindeststandards“. Deshalb könne kein Betrieb dazu verpflichtet werden. Diese Anforderungen umfassen unter anderem eine bessere Haltung, mehr Platz und strengere Richtlinien für den Transport, als das Gesetz vorgibt. Je nach Stufe wird eine strengere Umsetzung verlangt. Nur wer die insgesamt 13 Kriterien erfüllt, darf sein Fleisch mit dem Tierwohl-Label bewerben.
Staatlich gefördertes Tierleid
So sollen Schweine in der ersten Stufe 20 Prozent mehr Platz im Stall zur Verfügung haben. „Für ein Mastschwein, das bis zu 110 Kilogramm wiegt, sind somit nur 0,90 Quadratmeter eingeplant“, kritisiert BUND-Agrarexpertin Katrin Wenz. „Das ist viel zu wenig.“ Laut Tierschutzbund benötigen Schweine mit unversehrten Schwänzen deutlich mehr Platz.
Das Abschneiden von Schwänzen, genannt „Kupieren“, ist zwar laut Tierschutzgesetz grundsätzlich verboten, in der ersten Stufe aber nicht untersagt. Hier ist in den Plänen nur die Rede von einer „Beschleunigung des Einstiegs in den Ausstieg“. Für Agrarexpertin Wenz wird so Tierleid staatlich gefördert.
Denn damit sich Betriebe auf die Kriterien des Tierwohl-Labels umstellen können, hat Klöckner staatliche Zuschüsse in Aussicht gestellt. Eine genaue Summe und aus welchen Töpfen das Geld kommen soll, ließ sie aber offen. Sicher ist laut Klöckner, dass die Preise auch im Einzelhandel steigen würden – für ein ganzes Schwein um 10 bis 12 Euro. Wie die 13 Kriterien bei den Betrieben kontrolliert werden sollen, spezifizierte die Ministerin aber nicht.
Schon ab April werden Supermarktketten wie Aldi und Lidl ihr eigenes vierstufiges Siegel „Initiative Tierwohl“ in die Märkte bringen, das auch Rindfleisch und Geflügel kennzeichnen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
AfD-Verbotsantrag im Bundestag
Wahlkampfgeschenk für die AfD